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Interview: Brandschutz in Pferdebetrieben

Ein Funke reicht

Der Leitende Stadtbranddirektor Dr. Markus Hauser ist bei der Berufsfeuerwehr der Stadt Stuttgart als Abteilungsleiter für den Einsatzbetrieb zuständig. Zuvor war der Brandschutzsachverständige lange Jahre im Bereich vorbeugender Brandschutz tätig. Das Thema Brandschutz im Pferdebetrieb beschäftigt ihn seit einem Vortrag beim Ludwigsburger Pferdetag.     

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Beeki/Pixabay
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BWagrar: Herr Hauser, ein brennender Stall ist der Albtraum eines jeden Landwirts. Zum Glück bewahrheiten sich die meisten Albträume nicht. Wie hoch schätzen Sie das tatsächliche Risiko für einen Stallbrand ein?

In der Sicherheitsforschung wird das Risiko definiert als das Produkt der Eintragswahrscheinlichkeit mal Schadenshöhe. Das heißt, um die Frage zu beantworten, wie hoch ein Risiko ist, muss ich feststellen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Stall brennt. Es gibt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Modellen, um die theoretische Wahrscheinlichkeit zu ermitteln. Das führt jetzt allerdings zu weit.

Deshalb wähle ich den Ansatz: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit es überhaupt brennen kann? Ich brauche einen brennbaren Stoff, Sauerstoff, das richtige Mischungsverhältnis von brennbaren Stoffen und Sauerstoff und eine Zündenergie. Diese Bedingungen sind in einem Stall oder in der Landwirtschaft an sich immer erfüllt. Das bedeutet, ein Brand kann jederzeit entstehen. Doch zum Glück brennt, trotz des hohen Risikos, nicht jeden Tag ein Stall bis zu den Grundmauern nieder.

Das heißt, die reale oder tatsächliche Eintrittswahrscheinlichkeit ist geringer. Das darf allerdings nicht als Vorwand genommen werden, den vorbeugenden Brandschutz zu vernachlässigen. So nach dem Motto: mir passiert nichts. Denn klar ist, wenn es brennt, sind die Folgen dramatisch.

BWagrar: Sind Pferdebetriebe wegen der großen Heu- und Strohlager stärker gefährdet?

In der Tat sind im Pferdebereich die großen Heu- und Strohlager eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Heu und Stroh sind sehr leicht entflammbare Materialien, da reicht ein kleiner Funke aus, um einen verheerenden Brand zu verursachen. Zu der leichten Entflammbarkeit des Stoffes kommt, dass Heu und Stroh wahnsinnig leicht abbrennen. Die Brandausbreitungsgeschwindigkeit ist enorm. Innerhalb kurzer Zeit stehen große Flächen in Flammen.

Darum sollte Heu und Stroh auch nicht direkt am oder im Stall gelagert werden. Die Sachversicherer empfehlen bei Heu- und Strohlager im Freien einen Sicherheitsabstand von 25 Metern zu klassischen Gebäuden aus Stein und von 50 Metern zu Gebäuden mit brennbarer Außenwand.

Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass sich Heu und Stroh bei unsachgemäßer Lagerung auch selbst entzünden kann. Deshalb sollte man die Temperatur von frischem Heu und Stroh regelmäßig messen und dokumentieren. Eine Selbstentzündung ist von außen nicht zu erkennen. Ein Heuhaufen kann im Innern schon brennen und Sie sehen von außen nichts. Wenn das Feuer schließlich durchschlägt, ist es zu spät.

BWagrar: Was sind die häufigsten Brandursachen in Pferdebetrieben?

Darauf gibt es keine einfache Antwort. Denn traurigerweise gibt es in Deutschland keine offizielle Brandschaden- oder Brandursachenstatistik. Das heißt, auch wir bei den Feuerwehren sind auf die Daten der Sachversicherer angewiesen. Nach einer Erhebung vom Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Sachversicherer über Brandereignisse in der Landwirtschaft allgemein ist Elektrizität die häufigste Brandursache. Die tatsächlichen Auslöser sind sehr vielfältig: Von der unsachgemäßen Verwendung von elektrischen Geräten oder dem Hantieren mit schadhaften Geräten über eine fehlerhafte Ausführung der Elektrik bis hin zu von Mäusen angeknabberten Kabeln.

Auf dem traurigen Platz zwei liegen Brandstiftungen. Warum? Brandstiftung ist in der Landwirtschaft einfach machbar. Wir haben leicht entflammbare Materialien zuhauf. Dann haben wir häufig bauliche Anlagen und Ställe, die weit abgelegen sind, wo man leicht hin- und wegschleichen kann, ohne gesehen zu werden. Bis dann jemand mitbekommt, dass es brennt, ist es meist zu spät.

Auf Platz drei steht dann menschliches Fehlverhalten mit vielen Facetten. Da ist zum einen das Thema unsachgemäßer Umgang mit offenem Feuer, also wie gehe ich mit Zigaretten um, gibt es Raucherzonen oder ein Rauchverbot, wie sehen die Aschenbecher aus? Und zum anderen der Punkt feuergefährliche Arbeiten wie Schleifen, Schmieden, Schweißen. Ein Funke in einem Heuhaufen reicht. Mitunter sieht man am Anfang nicht, dass was entzündet wurde und drei Stunden später steht der Stall in Flammen. Deshalb ist dringend anzuraten, bei feuergefährlichen Arbeiten gut zu überlegen, was man tut. Empfehlenswert ist auch, nie allein zu arbeiten, sondern mit einer zweiten Person, vielleicht mit einem Löschmittel in der Hand, die das Geschehen beobachtet und eingreifen kann.

Nach den Daten der Sachversicherer gibt es auch eine Menge Schäden, bei denen man hinterher nicht mehr herausfinden ließ, wie sie entstanden sind. Wenn ein Stall bis zu den Grundmauern heruntergebrannt ist, ist die Ursache oftmals nicht mehr feststellbar.

BWagrar: Wie kann man sich gegen Brände schützen? Auf welche Maßnahmen ist besonders Wert zu legen?

Der vorbeugende Brandschutz gliedert sich auf in drei tragende Säulen: den baulichen, technischen und organisatorischen Brandschutz. Für mich als Feuerwehrmann und Brandschutzsachverständiger sind alle drei Säulen gleich wichtig. Sie hängen voneinander ab. Wenn man es richtig macht auf dem Hof, bilden die drei Säulen in einer guten Kombination ein ordentliches Brandschutzsystem. Wenn Sie beispielsweise ein Gebäude haben, in dem der bauliche Brandschutz, also die Materialbeschaffenheit von Wänden, Türen, Dachstuhl, nicht optimal ist, dann sollten Sie die anderen Säulen stärken. Das ist legitim. Am Ende kommt ein Sicherheitsniveau heraus, das passt.

Keine der Säulen ist wichtiger als die anderen. Jede hat ihre Stärken und Schwächen. Zum Beispiel wird in der Landwirtschaft gerne diskutiert: Können wir mit technischen Maßnahmen den vorbeugenden Brandschutz optimieren. Natürlich, das kann man machen. Die Frage ist allerdings, wie hoch ist der Preis, den Sie dafür bezahlen. Und mit Preis meine ich nicht das Geld, das die Einrichtung kostet, sondern die Probleme, die Sie sich einkaufen. Sie könnten den Pferdestall mit einer Brandmeldeanlage überwachen, die Sie warnt, wenn sich Rauch entwickelt und es anfängt zu brennen. Wegen des Staubs in der Stallluft und allem möglichen anderem, das nutzungsbedingt in einem Stall anzutreffen ist, wird es allerdings immer wieder zu Fehlauslösungen kommen. Was macht dann der Nutzer? Er klemmt die Anlage ab. In der Theorie könnte man mit solchen Maßnahmen das Sicherheitsniveau anheben. Ob in der Praxis der gewünschte Effekt entsteht, wage ich zu bezweifeln.

Für mich persönlich ist vor allem ein gut funktionierender organisatorischer Brandschutz unerlässlich. Es muss bei allen Beteiligten das Bewusstsein geschaffen werden, dass sie sich in einem Gebäude befinden, in dem extrem hohe Brandlasten vorhanden sind, mit Stoffen, die eine wahnsinnige Brandausbreitungsgeschwindigkeit haben, und dass deshalb selbst eine kleine Unachtsamkeit fatale Folgen haben kann.

BWagrar: Wie wichtig sind darum die Brandschutzordnung und Brandschutzübungen?

Die Brandschutzordnung ist ein mächtiges Instrument. Sie ist eine auf den Pferdebetrieb zugeschnittene Zusammenfassung aller Verhaltensregeln, die helfen, Brände zu verhüten, beziehungsweise wenn es doch brennt, richtig zu reagieren.

Die Brandschutzordnung ist in drei Teile aufgeteilt. Teil A ist der allgemeine Aushang, der gut sichtbar in allen Gebäudeteilen angebracht sein soll. Gerade dieser Teil A ist wichtig für alle, die sich auf dem Betrieb aufhalten, ob Besitzer, Einsteller, Lieferanten oder Besucher. Ein Feuer ist eine Ausnahmesituation, die zu Stress und Panik führt. In Panik haben wir keine Kontrolle mehr über uns. Darum heißt es auf dem Aushang auch als erstes: Ruhe bewahren und tief durchatmen. Die weiteren Punkte stellen dann eine Art Leitfaden dar, an dem ich mich in der Ausnahmesituation entlanghangeln kann. 

Teil B ist eine Art Merkblatt oder Broschüre. Diesen Teil finde ich auch sehr wichtig für Pferdebetriebe. Darin kann und sollte der Stallbetreiber im Detail beschreiben, welche Maßnahmen zur Brandverhütung zu treffen sind. Also, dass auf dem Hof Rauchverbot gilt, außer in ausgewiesenen Zonen. Diese kann man mit einem Grundriss oder einem Foto dokumentieren. Dann sollte drinstehen, welche Vorsichtsmaßnahmen bei Schmiedearbeiten zu befolgen sind: erstens Arbeitsplatz ausräumen, zweitens mit einem Sicherheitsposten arbeiten, drittens Feuerlöscher bereithalten und so weiter. Weitere Punkte sollten das Freihalten der Stallgassen, das Deponieren von Halftern und Führstricken neben den Boxen und den Umgang mit den Tieren im Brandfall beschreiben. Die festgelegten Spielregeln sollten allen Einstellern ausgehändigt werden.

Teil C richtet sich an Mitarbeiter des Betriebes mit besonderen Brandschutzaufgaben.

Brandschutzübungen in Verbindung mit der Brandschutzordnung finde ich sehr wichtig. Als normaler Bürger können wir nicht routiniert mit der Situation Feuer umgehen. Regelmäßiges Üben hilft, Verhaltensmuster für die Notsituation einzuschleifen. Übungen mit der Feuerwehr helfen außerdem, zu verstehen, wie sich die Feuerwehr verhält und wie sie tickt. Und andersherum lernt auch die Feuerwehr die Abläufe auf dem Betrieb kennen. Das ist für beide Seiten sehr lehrreich. Sowas Triviales wie das Öffnen einer Box kann schon eine Herausforderung sein, wenn man es noch nie gemacht hat. Auch sind wir von der Feuerwehr nicht geschult im Umgang mit Großtieren. Eine gemeinsame Übung lohnt sich deshalb immer. Zudem freuen sich die Feuerwehren in der Regel, wenn sie ein Übungsobjekt zur Verfügung gestellt bekommen.

Für mich, im Hauptberuf für die Einsatzvorbereitung und Planung einer großen Feuerwehr verantwortlich, ist es zudem wichtig, einen Feuerwehrplan für die Liegenschaft zu erstellen. Darin werden die Zugänge zu den Ställen sowie die Gefahrenstellen wie ein Gastank oder eine Fotovoltaikanlage beschrieben und markiert. Auch wird ein Bereich festgelegt, auf den die Pferde geführt werden können. Mit dem Feuerwehrplan kann auch die Feuerwehr im Kopf schon mal alles durchspielen, was passiert, wenn es brennt.

BWagrar: Wie kann es gelingen, Einsteller, Pferdebesitzer und Reiter stärker für das Thema Brandschutz zu sensibilisieren?

Das ist eine gute Frage. Das Thema Brandschutz ist ein Reizthema, nicht nur in der Landwirtschaft, sondern überall. Warum ist es ein Reizthema? Weil Brandschutz in der Regel Geld kostet und Sie in irgendeiner Weise einschränkt. Und weil es bei den wenigsten von uns schon mal gebrannt hat, wiegen wir uns in Sicherheit, so nach dem Motto: bei mir passiert ja nichts. Es müsste jedoch allen klar sein, dass ein Brand jederzeit ausbrechen kann. In einem Pferdebetrieb sind alle Bedingungen für einen Brandausbruch erfüllt. Und leider zeigt die Praxis auch, dass es immer wieder auf einem Hof brennt und dann meistens nicht schön ausgeht.

Ich möchte das Thema Abschreckung nicht vor mir hertragen. Das ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg, um für Brandschutz zu werben. Gleichwohl habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Bericht eines Brandereignisses ein guter Einstieg sein kann, um in Unterweisungen eine Brücke zu schlagen zu Maßnahmen, die den Brand vermutlich verhütet hätten. Die Zuhörer verstehen dann, warum die Maßnahmen sinnvoll sind und dass die Einschränkungen nur ein Ziel haben, nämlich das Leben von Menschen und Tieren zu schützen. Diese Selbsterkenntnis muss man vermitteln.  

BWagrar: Und wenn es doch brennt: Was ist zu tun?

Da hilft uns die Brandschutzordnung Teil A. Da stehen genau die Punkte drauf, die wichtig sind, wenn es brennt. Als erstes steht da immer: Ruhe bewahren. Wenn Sie kopflos durch die Gegend rennen, ist niemand geholfen. Deshalb dreimal tief durchatmen und die nächsten Schritte planen. Wenn Sie dann zufällig vor einer Brandschutzordnung stehen, wissen Sie genau, was in welcher Reihenfolge zu tun ist. Nachdem Sie dreimal tief durchgeatmet haben, müssen Sie den Notruf absetzen. Die Feuerwehr und den Rettungsdienst erreichen Sie in Europa über die 112. Wichtig beim Notruf sind die fünf Ws: Wo ist der Unfallort, was ist passiert, wieviel Verletzte, wer ruft an und als schließlich: Warten. Bitte nicht auflegen, sondern warten. Das Gespräch wird von der Leitstelle beendet, vielleicht fehlen noch ein paar Informationen oder wir wollen Ihnen Tipps mit auf den Weg geben.

Nach dem Notruf sollten Sie versuchen Menschen und Tiere in Sicherheit zu bringen. Aber bitte Achtung: Sie haben es mit leicht entflammbaren Materialien zu tun, die eine extrem hohe Brandausbreitungsgeschwindigkeit haben. Das Feuer kann sich sehr, sehr schnell ausbreiten. Ihre Sicherheit geht immer vor. Falscher Mut kann lebensgefährliche Folgen haben. Sie werden eine Rettung versuchen, doch wenn es nicht geht, dann geht es nicht. Hier schließt sich im Übrigen auch der Kreis zur Brandschutzordnung Teil B: eine freigehaltene Stallgasse und Halfter neben den Boxen kommen Ihnen jetzt zugute.

Als nächstes können Sie mit Löschversuchen beginnen. Auch gilt hier wieder: Bringen Sie sich nicht in Gefahr! Und löschen Sie auch nur, wenn Sie denken, dass es Aussicht auf Erfolg hat.

Und dann kommt das Schlimmste: das Warten auf die Feuerwehr. Das kann zur Zerreißprobe werden. Wenn man auf Hilfe wartet, kommen Einem Minuten wie Stunden vor. Nutzen Sie die Zeit, um die Feuerwehr zu unterstützen. Stellen Sie Lotsen an die Straße, wenn Sie einen abgelegenen Hof haben. Fahren Sie der Feuerwehr entgegen und zeigen Sie ihnen den Weg. Und dann erklären Sie genau, wo es brennt und wie man am schnellsten dort hinkommt. Sie sollten uns Hinweise geben, wie wir an die Pferde herantreten und sie aus der Box führen. Wir können vieles, aber wir sind, wie gesagt, nicht geschult im Umgang mit Großtieren. Geben Sie uns auch Hinweise, wo besondere Gefahren liegen können, wenn Sie eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach haben.

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