Röring: Initiative Tierwohl ausbaufähig
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Die Land- und Ernährungswirtschaft sei kein Randbereich. Jeder siebte Arbeitsplatzt hänge davon ab. „Wir werden nicht müde, mehr Wertschätzung für Lebensmittel einzuklagen. Wir produzieren Spitzenqualität. Das müssen wir auch nach außen tragen. Wir bauen sozusagen Heimat“. Dazu gehörten Lebensmittel und Kulturlandschaft. Letztere sei für die Freizeitgestaltung und Touristik wichtig. Mit diesen Worten hebt Hermann Färber, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Göppingen und zugleich ‚Botschafter der Erlebnisregion Schwäbischer Albtrauf‘, die Bedeutung der Landwirtschaft hervor. Rund 250 Bauern, Bäuerinnen und zahlreiche Ehrengäste aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft waren zum Kreisbauerntag am 11. März 2015 abends in die Hohensteinhalle in Gingen/Fils gekommen.
Bei Antibiotika die Hausaufgaben gemacht
Nach seiner Grundsatzbemerkung zur Bedeutung der Land- und Ernährungswirtshaft spricht Färber, der für die CDU den Wahlkreis Göppingen im Bundestag vertritt, viele Themen an, welche die Betriebe betrifft und die Bauern umtreibt.
Bei Antibiotika sei die Landwirtschaft die einzige Gruppe, welche ihre Hausaufgaben erledigt habe. Seit Jahresbeginn sei jeder Einsatz von Antibiotika in einer bundesweiten Datenbank dokumentiert. „Ich würde mir wünschen, im Human- und Heimtierbereich würde auch eine solche Datenbank zur Verfügung stehen. Die Landwirtschaft ist für zwei bis fünf Prozent der Resistenzen verantwortlich. Da können wir die anderen 95 Prozent nicht einfach ignorieren“, meint Färber.
Die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bedeutet viel Bürokratie, weiß Färber, der hier Berichterstatter seiner Fraktion ist. Er begrüßt deshalb die Ankündigung von EU-Agrarkommissar Phil Hogan, die Bürokratie mit dem Ziel des Abbaus zu überprüfen.
Kirschessigfliege zeigt Zulassungsproblematik
Die Kirschessigfliege habe im vergangenen Jahr gezeigt, was es heißt, wenn die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu restriktiv gehandhabt wird. Färber, hier ebenfalls Berichterstatter, befindet sich dazu in Gesprächen. Die Imker seien dabei auf Seite der Landwirtschaft, stimmt ihn positiv.
Am 31. März 2015 endet die Milchquote. Trotz aller Änderungen habe sie nicht funktioniert. Über 80 Prozent der Milcherzeuger seien seit ihrem Beginn vor gut 30 Jahren aus der Produktion ausgestiegen. „Marktregulierung funktioniert nicht und verursacht hohe Kosten“, ist der Vorsitzende überzeugt. „Ich hoffe, dass auch bei uns in der Region viele Betriebe es schaffen, in der Produktion zu bleiben.“
Er trete für die Hofabgabeklausel ein, um Nachfolgern bessere Zukunftschancen zu eröffnen, bezieht Färber klar Position.
Bei der Dünge-Verordnung und bei Anlagen zur Lagerung von Jauche, Gülle und Silagesickersaft (JGS) sieht er praxisorientierten Nachbesserungsbedarf.
Im eigenen Stall nach dem Rechten sehen
Beim Landesjagdgesetz sei der Entwurf für die Novelle fachlich nicht in Ordnung. Färber verweist auf die große Jäger-Demonstration am 4. März 2015 in Stuttgart und kann nicht verstehen, dass „die Landesregierung nur den kleinen ökologischen Jagdverband die Gesetze schreiben lässt, statt auch die große Mehrheit der anderen Jäger zu hören.“ So sieht er es auch beim Landeswassergesetz. „Wie will man da Akzeptanz schaffen. Warum lässt man alle anderen außen vor und hört nur auf kleine, angenehme Gruppen?“, fragt er sich.
Das geplante Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine treibe die Baugenehmigungen in die Länge, befürchtet der Kreisvorsitzende.
2015 könne erstmals der Gemeinsame Antrag nur elektronisch über die ‚Flächeninformation und Online-Antrag‘ (FIONA) gestellt werden. Wenn dann dieses Programm Mitte März noch nicht da sei, gäbe er Minister Alexander Bonde de Rat, „im eigenen Stall nach dem Rechten zu schauen, statt in unsere Ställe!“
Im Mittelpunkt der globalen Herausforderungen
Hauptredner Johannes Röring, landwirtschaftlicher Unternehmer und Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), vertritt für die CDU im Bundestag den Wahlkreis Borken II im Münsterland. Rund 35.000 Arbeitsplätze in der Land- und Ernährungswirtschaft gibt es in der Region, betont er die dortige Bedeutung der Agrarbranche.
„Die Landwirtschaft steht im Mittelpunkt der globalen Herausforderungen“, erklärt Röring, der im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes (DBV) die tierische Veredlung vertritt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche je Erdbürger verringere sich bis 2050 rapide auf nur noch 1600 Quadratmete: „Das ist eine große Herausforderung für die Landwirtschaft!“
Aus der nicht deckungsgleichen Verbreitung der Menschen sowie landwirtschaftlichen Potenziale auf der Erde zieht Röring die Schlussfolgerung: „Es geht nicht ohne Welthandel.“ Die Landwirtschaftsorganisation FAO der Vereinten Nationen prognostiziere, zukünftig würden 40 Prozent der Agrargüter gehandelt. Deutschland habe viel Know-how. Da sei es gefordert, nicht mehr so viel Agrarprodukte und -rohstoffe zu- und damit „andere Teller“ leerzukaufen, meint der WLV-Präsident.
Fleischproduktion steigt weltweit
Die Fleischproduktion zeigt weltweit steigende Tendenz, besonders stark bei Geflügel, erläutert Röring. Die Erzeugung beträgt in Deutschland rund 8,6 Mio. t, weltweit über 320 Mio. t. Beim Verzehr sei Deutschland mit rund 88 kg je Kopf und Jahr im Mittelfeld. In Deutschland und Europa sinkt der Fleischverbrauch leicht.
Die Viehhaltung in Deutschland sei heute stärker konzentriert als früher, habe aber nicht zugenommen, sondern sei gesunken. 1900 gab es in Deutschland noch rund 20,7 Mio. Großvieheinheiten (GVE). Diese Zahl ging auf 13,1 Mio. GVE 2013 zurück. „In Deutschland ist in der Nutztierhaltung nicht das entstanden, was uns vorgehalten wird“, kommentiert er.
Röring konstatiert einen rasanten Wandel der Werte in unserer Gesellschaft. Als Beispiel nennt er die Schadenfreude – Motto „Ein Bulle nimmt Rache!“ - einiger Gruppen wie Animal Peace nach dem von einem Bullen verursachten Unfalltod eines Landwirts. Auch die Essensgewohnheiten hätten sich verändert. Die Landwirte nutzen den technischen Fortschritt. Doch das wolle man ihnen „an einigen Stellen nicht zugestehen“. Eine gute Möglichkeit, sich einzubringen, sei, bei den jungen Bauern mitmachen, die mir ihrer Demonstration ‚Wir machen Euch satt‘ auf der Grünen Woche in Berlin Aufmerksamkeit erweckten, erklärt er.
Debatte um Landwirtschaft positiv sehen
„Wir in der Land- und Forstwirtschaft sind die Experten für Nachhaltigkeit“, unterstreicht Röring. „Wir tun gut daran, auf viele Dinge zu setzen, die uns gemeinsam verbinden“, appelliert er an die Bäuerinnen und Bauern. „Nur zu sagen, wir machen Euch satt, reicht nicht“, ist er überzeugt. Die Debatte um die Landwirtschaft sieht er „nicht nur negativ“. Man es auch so sehen: „Endlich kümmern sich die Menschen wieder um die Landwirtschaft, wollen wissen, wo ihr tägliches Brot herkommt!“ Das eröffne Chancen, welche die Landwirte ergreifen sollten.
Die Einrichtung der QS-Antibiotika-Datenbank ‚VetProof‘ hält der WLV-Präsident für richtig. Hier werde haargenau der Einsatz dokumentiert. Das gäbe es „sonst nirgends auf der Welt“. Wichtig sei der Aspekt, den Landwirten Hinweise zu geben, wo sie in der Tierproduktion stehen. Dabei gehe es nicht um die Frage der Menge an Antibiotika, sondern um die Resistenzvermeidung. Die Antibiotika-Datenbank sei eine Antwort in der Debatte um moderne Landwirtschaft nach dem Motto ‚Wir haben verstanden‘.
Initiative Tierwohl erfüllt Wünsche nach Prozessqualität
Eine zweite Antwort sei die ‚Initiative Tierwohl‘. Hier könnten die Landwirte ihre „Empathie und Verantwortung für Tiere“ zeigen. Teilnehmer sind bekanntlich alle größeren Einzelhandelsunternehmen in Deutschland, die rund 85 Prozent des Marktes abdecken, wie Aldi, Lidl, Penny, Edeka, Real, Rewe, Kaiser’s und Tengelmann. Fleisch im Handel zeigt künftig Qualität über den gesetzlichen Standards, betont Röring.
Allein 196 Kriterien gäbe es bei der Initiative Tierwohl. Die Mehrkosten sind laut Röring zum Beispiel für zehn Prozent mehr Platz auf 2,80 Euro je Schwein berechnet. Sie werden als Tierwohl-Prämie über den neu geschaffenen, vom Handel seit 1. Januar 2015 mit vier Eurocent je kg Fleisch und Wurst gespeisten Tierwohl-Fonds finanziert. Der Landwirt erwirbt einen Prämien-Anspruch je nach Maßnahmen von durchschnittlich sechs bis acht Euro je Schwein, wird erwartet.
Initiative Tierwohl lässt sich ausbauen
Der WLV-Präsident und Mitinitiator der Initiative Tierwohl erläutert: „Alles Fleisch in Deutschland ist gut, qualitativ hochwertig. Aber die Wünsche gehen über die Produktqualität hinaus und betreffen die Prozessqualität!“ Röring setzt auf einen guten Start – die Anmeldung startet im April 2015 – und ist überzeugt: „Das System lässt sich ausbauen.“ Er hofft, der Topf mit rund 60 Mio. Euro für Schweine und rund 20 Mio. Euro für Geflügel „wird bald voll ausgeschöpft sein!“
Landesbeamter lobt gutes Miteinander
Jochen Heinz, neuer Erster Landesbeamter des Landkreises Göppingen, hatte nach Färbers Eröffnung die Grüße von Landrat Edgar Wolff überbracht. Über 800 Gemeinsame Anträge hatte das Landwirtschaftsamt 2014 bearbeitet. Etwa 12 Mio. Euro als Ausgleichsleistungen wurden den landwirtschaftlichen Betrieben im Kreis ausbezahlt. FIONA stehe voraussichtlich ab Mitte der Kalenderwoche 12/2015 zur Verfügung.
Die Standortproblematik werde gerade für Tierhalter immer wichtiger, meint Heinz. Die Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe gestalte sich in Folge steigende Tierzahlen je Betrieb und erweiterter Abstandsregelungen immer problematischer. Der Erste Landesbeamte appelliert an die Vernunft aller, um Konfliktpotenziale möglichst zu vermeiden.
Mit über 200.000 Streuobstbäumen auf rund 4.000 ha Streuobstwiesen ist der Landkreis Göppingen Teil des ‚Schwäbischen Streuobstparadieses‘ und unterwegs mit dem Motto ‚Schützen durch Nützen‘. Heinz verweist auf den landesweiten Streuobsttag und die Gläserne Produktion. Zudem lobt er die gute Arbeit des Landschaft-Erhaltungsverbandes (LEV), der Landwirtschaft und Naturschutz zusammenbringe. Den Bäuerinnen und Bauern dankt er für ihre verantwortungsvolle Arbeit und die gute Zusammenarbeit mit dem Landkreis.
Bürgermeister Marius Hick hatte in seinem Grußwort die Gemeinde Gingen/Fils kurz vorgestellt. Die Hohensteinhalle, der Veranstaltungsort des Kreisbauerntages, ist bereits 50 Jahre in Betrieb. Gingen an der Fils kann sogar sein 1100-jähriges Jubiläum im Jahr 2015 feiern. Die Ausweisung eines neuen Gewerbegebietes führt zum Verlust von Landwirtschaftlicher Fläche. Auch deshalb sei eine vertrauensvolle Partnerschaft mit der Landwirtschaft wichtig.
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