Schwieriges Jahr für die Sommergerste
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Zwar muss Deutschland seinen Bedarf an Braugerste nach wie vor zur Hälfte durch Importe aus dem Ausland decken, aber solange der Bierkonsum dermaßen rückläufig ist, gibt es auch für die heimische Ware keine rentablen Absatzmöglichkeiten. Zeitgleich drücken die europäischen Lieferländer, allen voran Frankreich, durch die Anbauausweitung von Braugerste verstärkt auf das Preisniveau.
Mehr Futtergerste
Anders ist die Situation beim Futtergetreide: mittelfristig kann es in diesem Sektor zu Engpässen kommen. Ursache hierfür sind die Spätfröste in der Wintergerstenblüte im Mai 2020. Das führte vielerorts zu Taubährigkeit und damit zu erheblichen Ertragseinbußen bei der Futtergerste.
Zwar ist ein Teil der angebauten Sommergerste qualitativ nicht als Braugerste geeignet und muss verfüttert werden. Vermutlich wird trotzdem eine beträchtliche Menge der regional erzeugten Braugerste im Futtertrog landen.
Intensive und reduzierte Variante
Bei den Landessortenversuchen Sommergerste wurden 2020 sieben Versuchsstandorte in Baden-Württemberg beerntet und ausgewertet. Die Ergebnisse von Orschweier wurden aufgrund von Auflaufproblemen und Virosen nicht in die landesweite Verrechnung übernommen.
Sommergerstenversuche werden in Baden-Württemberg immer zweifaktoriell angelegt, das heißt in der intensiven Variante V2 werden zur Gesunderhaltung der Bestände Halmverkürzer und Fungizide eingesetzt, in der reduzierten Variante V1 wird auf diese Pflanzenschutzmaßnahmen verzichtet.
Ramularia war die dominierende Krankheit
Nach den durchweg guten Startbedingungen im zeitigen Frühjahr hatte die Sommergerste an den meisten Standorten mit hohen Temperaturen und Trockenheit zu kämpfen und bestockte nur verhalten. Rechtzeitig zur Kornfüllungsphase kamen im Mai die Niederschläge und es kühlte merklich ab. Bis zur Ernte waren die Sommertemperaturen dann moderat und es gab ausreichend Regen. Die Bestände blieben zum überwiegenden Teil standfest. Halm- und Ährenknicken traten nur in geringem Maße auf.
Erwartungsgemäß war Ramularia wieder die dominierende Krankheit, wenn auch nicht so extrem wie in den Vorjahren. Standortspezifisch wurde vereinzelt von Befall mit Rhynchosporium und Netzflecken berichtet. In St. Johann verursachten Spätfröste mittlere Blattnekrosen, die sich im Laufe der Vegetation wieder verwuchsen und ohne Einfluß auf den Ertrag blieben. In Döggingen wurde verstärkt Zwiewuchs und Flugbrand festgestellt.
Ernte leicht unterm Mittelwert
Die Ertragszahlen über alle Prüfstandorte mit 72 dt/ha in V1 und 76 dt/ha in V2 entsprechen einer leicht unterdurchschnittlichen Ernte. Der Ertragsunterschied zwischen den beiden Varianten mit 4 dt/ha (Vorjahr 14 dt/ha) war minimal. Bönnigheim war mit 59 dt/ha (V2) das Schlusslicht und damit der ertragsschwächste Standort 2020. Die höchste Erntemenge wurde mit 100 dt/ha (V2) in Döggingen eingefahren.
Überraschend gut war die Kornqualität mit einem durchschnittlichen Vollgerstenanteil von 95,6 Prozent (Sortierungen bei >2,5 mm). Die Rohproteinwerte schwankten je nach Standort zwischen 9,6 Prozent in Eiselau und 13,0 Prozent in Döggingen und St. Johann. Das Tausendkorngewicht lag im Landesdurchschnitt bei guten 51,1 g.
Anbaufläche für Gerste stieg 2020
In der Praxis fiel die Ernte 2020 in Baden-Württemberg mit durchschnittlich 56 dt/ha laut statistischem Landesamt besser aus, als die Witterung und die Prognosen zunächst erwarten ließen. Im Anbaumfang gab es einen Flächenzuwachs von 4,6 Prozent auf insgesamt 63.500 ha, wie Zahlen aus dem Gemeinsamen Antrag zeigen.
Bei der Saatgutvermehrung fiel der Umfang 2020 dagegen um 250 ha auf 1.185 ha: die Sorte Avalon mit 570 ha Vermehrungsfläche und die Sorte RGT Planet mit 322 ha bleiben die wichtigste Sommergersten im Praxisanbau. Amidala löst die Sorte Leandra ab und belegte mit 183 ha Vermehrung den dritten Platz laut Saatgutanerkennung des LTZ Augustenberg.
Beobachtungen aus den LSV Sommergerste 2020 und mehrjährige Ertragsergebnisse über die Anbaugebiete Baden-Württemberg
Ertrag: 72,0 dt/ha in V1, 76,4 dt/ha in V2 ; Vollgerstenertrag in V2: 73,0 dt/ha; (7 Standorte ST);
agronomische Werte1 V1 (Mittelwert über die Standorte, wo das Merkmal erfasst wurde): Lager vor Ernte (1,7), Halmknicken (3,5), Ährenknicken (2,6); Zwiewuchs (4,3)
Krankheiten1 V1 (Mittelwert über die Standorte, wo das Merkmal erfasst wurde): Mehltau (1,3), Ramularia (5,0), Netzflecken (2,3), Rhynchosporium (2,2)
Qualitäten V2 (Mittelwert über 7 ST): Rohprotein (12,1Prozent in Prozent TM); Tausendkornmasse TKM (51,1 g); Sortierung > 2,5 mm (95,6 Prozent)
1Skala (1-9); je höher die Note, desto negativer die Merkmalsausprägung
Sorten im Überblick
Accordine: 2020 mit großer Streubreite über die Relativerträgen: schwache Ergebnisse in Boxberg und Bönnigheim, hohe Erträge in Krauchenwies und Döggingen; insgesamt ein- und mehrjährig mittleres Ertragsniveau in V1, in V2 unterdurchschnittlich; lange Sorte; Resistenzen und Agronomie gut bis durchschnittlich; TKM (52,3 g), Protein (12,5 Prozent) hoch; 2020 beste Sortierung (96,5 Prozent); Empfehlung im Vertragsanbau.
Amidala: 2020 in beiden Varianten um den Durchschnitt, sehr gute Erträge in Bönnigheim; mehrjährig in der reduzierten Varianten hohes Ertragsniveau, in V2 überdurchschnittlich; umfassend gutes Gesundheitsprofil; gute Halmstabilität (2,9); sehr hohe TKM (55,0 g); Protein hoch (12,4 Prozent).
Applaus: Futtergerste; mehrjährig hervorragende Ertragsleistungen in der intensiven Variante; in der reduzierten Variante ebenfalls ertragsstark 2020 insgesamt überdurchschnittlich, in Eiselau beste Sorte in beiden Varianten; kurzer Wuchs; durchschnittliche Blattgesundheit; mittlere Halm- und Ährenstabilität; wenig Zwiewuchs (3,5); Proteingehalt (11,6 Prozent), Sortierung (94,5 Prozent) und TKM (49,7 g) unter dem Durchschnitt.
Avalon: 2020 homogene Relativerträge über die Standorte und Varianten; mehrjährig unterdurchschnittlich; längerer Wuchs, standfest (1,5); Tendenz zum Ährenknicken (3,1); mittlere Resistenzen; 2020 erhöhter Mehltaubefall (3,8); gute Sortierung (96,1 Prozent); TKM (52,1 g) und Proteingehalt (12,5 Prozent) hoch; Empfehlungssorte.
KWS Jessie: neue Braugerste mit sehr hohem Ertragsvermögen in beiden Varianten, sowohl 2020 wie auch mehrjährig; kurze Sorte; deutlicher Ramulariabefall (5,8); 2020 Schwächen in der Halm- (4,0) und Ährenstabilität (3,1); ausgezeichneter Vollgerstenanteil (75 dt/ha) trotz unterdurchschnittlicher Sortierung (94,9 Prozent); Proteingehalt (12,0 Prozent) mittel; TKM (49,3 g) unterdurchschnittlich.
Leandra: ein- und mehrjährig unterdurchschnittliche Erträge in beiden Varianten; 2020 hervorragende Leistungen in Boxberg; mittlere Resistenzen; wenig Zwiewuchs (3,5); Tendenz zu Halm- (4,1) und Ährenknicken (3,1); TKM hoch (52,7 g), gute Sortierung (96,1Prozent), durchschnittlicher Proteingehalt (12,2 Prozent); Empfehlungssorte.
Prospect: 2020 in Döggingen in beiden Varianten ertragsstärkste Prüfsorte; ein- und mehrjährig überdurchschnittliches Ertragsnievau mit Vorteilen in der intensiven Variante; gute Standfestigkeit (1,2) und Halmstabilität (2,6); mittlere Blattgesundheit; Sortierung (95,3 Prozent) und Protein (12,2 Prozent) mittel; hervorragender Vollgerstenertrag (75 dt); TKM niedrig (48,8 g).
Quench: ein- und mehrjährig mit weit unterdurchschnittlichen Erträgen; standfest, gute Halm- (3,0) und Ährenstabilität (2,3); 2020 stärkerer Zwiewuchs (5,0); steigende Krankheitsanfälligkeiten mit Ausnahme von Mehltau; Sortierung (94,6 Prozent) und TKM (48,4 g) unterdurchschnittlich; mittlerer Proteingehalt (12,1 Prozent).
RGT Planet: 2020 über die Prüfstandorte homogene und sehr hohe Relativerträge; mehrjährig über alle Anbaugebiete und Varianten weit überdurchschnittlich; mittlere agronomische Eigenschaften, gute Ährenstabilität (2,1); durchschnittliche Resistenzen; unterdurchschnittlicher Proteingehalt (11,8 Prozent); TKM (52,0 g) hoch; sehr gute Sortierung (96,3Prozent); höchster Vollgerstenertrag (75,4 dt/ha); Empfehlung im Vertragsanbau.
Bei der Auswahl der Empfehlungssorten werden neben Ertrag, Agronomie und Resistenzen auch die Anforderungen der aufnehmenden Hand sowie die Empfehlungen der Landesbraugerstenstelle berücksichtigt.
Die Empfehlungssorten 2021
Empfehlungssorten 2021: Accordine (im Vertragsanbau), Avalon, Leandra, RGT Planet (im Vertragsanbau)
Kurzinfo und Versuchsbericht zu Sommergerste 2020 finden Sie im Internet unter www.ltz-augustenberg.de > Arbeitsfelder > Pflanzenbau > Sorte > Sommergerste
M. Müller-Belami, LTZ/Augustenberg
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