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Fachtagung „Naturnahe Waldwirtschaft“ – Bilanz und Zukunft

© Mayer

Das Konzept naturnaher Waldbau ist die richtige Antwort auf die vielfältigen ökologischen, ökonomischen und sozialen Ansprüche an den Wald, erklärte der baden-württembergische Forstminister Rudolf Köberle auf der Fachtagung, die am Rand des 98. Landwirtschaftlichen Hauptfestes in Stuttgart stattfand.

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Baden-Württemberg hat einen Waldanteil von knapp 40 Prozent. Damit gehört es zu den waldreichsten Bundesländern in Deutschland. Durch sich ständig ändernde Umweltbedingungen und durch die Ansprüche der Menschen unterliegt der Wald immer neuen Herausforderungen. Verantwortlicher Umgang mit dem Wald, betonte der Minister, bedeutet zielgerichtete Anpassung.


Nutzungsfähigkeit erhalten und Lebensraum schützen


Seit den 1970er-Jahren muss die Waldwirtschaft die Holzproduktion mit dem Schutz des Waldes und seiner Erholungsfunktionen verbinden. Diese veränderten Rahmenbedingungen waren der Anlass für das Konzept „Naturnaher Waldbau“. Die

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Bilanz sieht positiv aus, stellte der Forstminister dar: Mehr Naturverjüngung, mehr Starkholz, mehr Naturnähe und Struktur in den Wäldern stehen deutlich weniger Verbiss durch das Rehwild, geringere Aufwendungen und weniger Nadelholzbestände gegenüber. Durch die naturnahe Waldwirtschaft ist nach 20 Jahren der Anteil an Naturverjüngung von 25 auf 65 Prozent gestiegen, erklärte Landesforstpräsident Max Reger, 55 Prozent der Wälder sind als naturnah qualifiziert, der Anteil der Fichtenbestände ist um 15 Prozent gesunken. Sein Fazit: „Die naturnahe Waldwirtschaft ist eine besondere Erfolgsgeschichte der Forstverwaltungen in Baden-Württemberg und Deutschland.


Ursprüngliches Ziel des Waldbauern war, möglichst viel Geld zu verdienen, erinnert Dr. Ulrich Kohnle von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. Deshalb wurden in den 50er- und 60er-Jahren viele Fichten angepflanzt. Nachdem sich die Rahmenbedingungen änderten und Erholung und Naturschutz wichtiger wurden, wurden Entwicklungen des 19. Jahrhunderts wieder aufgegriffen. Man orientierte sich an dem, was heimisch ist, und entwickelte ein neues Bild: Wie könnten naturnahe Wälder in Baden-Württemberg aussehen? Das Ergebnis: Buche und Tanne müssen gepflanzt werden, der Laubbaumanteil sollte 80 Prozent betragen. Nach einem Paradigmenwechsel in den 80er- und 90er-Jahren wurde das Konzept des naturnahen Waldbaus umgesetzt mit 50 Prozent Laubbäumen und zehn Prozent der für Baden-Württemberg typischen Tanne.


Das Konzept ruht auf drei Pfeilern: Baum­artenwahl, Naturverjüngung und Pflege. Ziel ist ein Verhältnis von zwei Dritteln Naturverjüngung und einem Drittel Pflanzung. Die Naturverjüngung wurde zum Beispiel nach dem Orkan Lothar genutzt, auf großen Flächen musste man gar nicht nachpflanzen. Inzwischen hat sich bei der Naturverjüngung ein Gleichgewicht eingestellt, doch das war etwa bei einem hohen Wildbesatz nicht ganz einfach. In den Staatsforsten wurde daher zum Teil stark regulierend eingegriffen. „Jagd ist nicht alles, aber im naturnahen Wald ist ohne Jagd alles nichts“, betonte der engagierte Forstfachmann mit einem Augenzwinkern. Bei der Pflege der Bestände gilt die Devise: Arbeit weglassen, wo sie nicht notwendig ist. Das bedeutet mehr Planung und weniger Waldarbeit und Pflege, Letzteres zum Beispiel in Jungbeständen oder um die Fichte gegenüber der Tanne nicht überhand nehmen zu lassen.


Klimawandel erfordert Umdenken


Auf die veränderten Umweltbedingungen und den Klimawandel müssen sich auch die Waldbauern einstellen. Der Temperaturanstieg, darauf wies Professor Konstantin Freiherr von Teuffel von der Forstlichen Versuchsanstalt hin, erfordert ein Umdenken und eine Anpassung der Bewirtschaftung. Er malte folgendes Szenario:

  • Es wird weiter bei Mischbeständen bleiben. Monokulturen machen schon jetzt einen Anteil von unter 20 Prozent.
  • Der Fichtenanteil muss gesenkt werden.
  • Mit zunehmendem Risiko durch Stürme und Käfer werden die Wälder weniger alt und die Stämme weniger dick werden. Dadurch wird auch der durchschnittliche Vorrat an Holz weniger.
  • Die Pflanztätigkeit wird wieder zunehmen wegen Baumartwechsel hin zu mehr Eiche und Buche oder wegen eines Wechsels zu anderen Pflanzenherkünften, die besser an das Klima angepasst sind.

© Mayer

Der Klimawandel wird durch Forschungstätigkeit begleitet. Dazu entwickelt Dr. Kohnle ein Klima-sensitives Wachstumsmodell unter verschiedenen Bedingungen wie Käferbefall oder Sturm. Die höheren Temperaturen machen sich auch heute schon bemerkbar, zum Beispiel durch einen zunehmenden Pilzbefall bei Eschen, durch vermehrtes Auftreten von Schwammspinner und Eichenprozessionsspinner oder das Ausbreiten des Borkenkäfers in höhere Höhen. Ganz generell, so Professor von Teuffel, ist ein wärmeres Klima insektenfreundlich. Deshalb, betonte auch Forstpräsident Reger, muss die naturnahe Waldwirtschaft dem Klima angepasst weiterentwickelt werden.

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