DBV schreibt Offenen Brief an Erzbischof Dr. Heiner Koch
Erzbischof Dr. Heiner Koch von Berlin hat in einem Radio-Interview am 21. Januar zur Tierhaltung gesprochen. Darin verurteilt er die Massentierhaltung scharf. Auf der Webseite www.katholisch.de steht dazu "Mastbetriebe verursachten täglich unsägliches Leid, kritisiert der Berliner Erzbischof Heiner Koch zum Auftakt der Grünen Woche." Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat dazu einen Offenen Brief verfasst.
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Sehr geehrter Herr Erzbischof,
in den zurückliegenden Tagen haben uns zahlreiche evangelische und katholische Christen - nicht nur Bäuerinnen und Bauern, sondern auch Verbraucherinnen und Verbraucher, Wissenschaftler und Berater - auf Ihr am 21. Januar vom rbb ausgestrahltes Radiowort zur Tierhaltung angesprochen. Die Reaktionen waren einhellig: Die Menschen sind entsetzt und empört darüber, eine solche polarisierende Botschaft mit verunglimpfenden Pauschalvorwürfen von einem Kirchenvertreter zu hören.
Auch wir können Ihre Bewertung zur „Hochglanzwelt der Grünen Woche“ beim besten Willen nicht als kritische Reflexion, als Ermunterung oder gar als Anstoß zur Weiterentwicklung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Landwirtschaft oder der Nutztierhaltung einordnen. Ganz im Gegenteil: Ihr Radiowort ist von mehrfach widerlegten Vorwürfen, in der gewählten pauschalen Form unrichtigen Behauptungen und von Verurteilungen der Landwirtschaft und der Bauernfamilien geprägt. Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass viele Menschen aus dieser für den ländlichen Raum nicht unbedeutenden und eigentlich den Kirchen zugewandten Berufsgruppe eine solche Brandrede als verletzend empfinden.
Der Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft - auch und gerade der kritische - ist zur Grünen Woche gewünscht und wichtig. Als ideeller Aussteller und Mitinitiator des ErlebnisBauernhofes stoßen wir ihn ebenfalls an. Aber Kritik darf nicht faktenfrei sein, darf sich nicht gemein machen mit kampagnenartig gezeichneten Zerrbildern und vor allem darf sie nicht ganze Gruppen pauschal diskreditieren. Ihr Radiowort erinnert an die „alternativen Fakten“, von denen in diesen Tagen viel die Rede ist. Von dort ist es nicht weit zum falschen Zeugnis, das wir nach unserem gemeinsamen christlichen Verständnis nicht ablegen sollten.
Unsere Tierhalter wurden durch Ihre Botschaft zu Unrecht verurteilt und in ihrem Selbst-verständnis tief getroffen. Matthäus' Wort „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welchem Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welchem Maß ihr messt, wird euch gemessen werden“ hat offenbar bei Ihrem Radiowort nicht Pate gestanden.
Sehr geehrter Herr Erzbischof, Sie sprechen von „katastrophalen Zuständen in den Tierfabriken“, von „Rinderzüchtern, die ihren Tieren brutal Gewalt antun...“ sowie davon, dass „viel zu große Mastbetriebe, die einzig und allein auf Profit setzen, täglich aufs Neue unsägliches Leid an der Kreatur verursachen“. Sie klagen beweislos an, dass „Billiglöhne für modernes Sklaventum sorgen". Damit zeichnen Sie ein allgemeines Bild, das mit der realen Welt unserer von Familien betriebenen Landwirtschaft in Deutschland nichts gemein hat. Nach unserer Wahrnehmung kommen solche Pauschalurteile einer beruflichen, gesellschaftlichen und moralischen Ausgrenzung gleich - vor der uns viele christliche Grundsätze und Gebote eigentlich schützen sollten.
Der landwirtschaftliche Berufsstand beteiligt sich am ErlebnisBauernhof auf der Grünen Woche, unterstützt seit fast 20 Jahren das Engagement der beiden kirchlichen Organisationen für das Land mit einer Kirche auf dem ErlebnisBauernhof, den Landkirchentag in der Messehalle und den sonntäglichen ökumenischen Gottesdienst. Wir werben für den Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft, für das Brückenbauen und wir versuchen, der so häufig sichtbaren Polarisierung und Zuspitzung entgegenzuwirken. Das tun die Bauernfamilien selbstkritisch, aber auch im Bewusstsein der eigenen Leistung für Gesellschaft und Verbraucher. Wir wünschen uns, dass Sie uns als Erzbischof von Berlin beim Dialog und bei der Überwindung der Spaltung in der Gesellschaft unterstützen. Wir laden Sie ein, sich selbst in landwirtschaftlichen Betrieben ein Bild zu machen, an einem Erntedankfest mit den Bäuerinnen und Bauern in einer Berliner Kirche oder an einem Landkirchentag teilzunehmen. Denn nur im Dialog können wir uns weiterentwickeln, nicht mit Schuldzuweisungen und Vorurteilen.
Wir würden uns freuen, wenn wir zu einem konstruktiven Gespräch finden würden und stehen Ihnen dafür gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Krüsken
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