Würmer und Egel starten in die Hochsaison
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BWagrar: Herr Dr. Hofmeister, bald geht es für viele Jungrinder und Kühe im Land wieder auf die Weide. Was sollten Tierhalter beim Parasitenschutz bis dahin auf jeden Fall unternommen haben?
Hofmeister: Grundsätzlich sollten nur Jungrinder und Kühe, die frei von Magen-Darm-Würmern, Lungenwürmern, Bandwürmern und dem Großen Leberegel sind, auf eine Weide aufgetrieben werden. Der Weideauftrieb von Tieren, die mit dem Kot Parasiten-Eier beziehungsweise -Larven ausscheiden, würde nämlich sehr schnell zum Aufbau eines Parasiten-Infektionsdrucks führen, der bei den auf dieser Fläche geweideten Jungrindern und Kühen zu einer Neuansteckung mit Parasiten führen würde.
Die Bekämpfung von Parasiten im Tier sollte stets nach Ende der Weidesaison vorgenommen werden. Diese Strategie fördert einerseits die Gesundheit und das Leistungspotential der Tiere über die Wintermonate hinweg, andererseits wird dadurch im darauffolgenden Frühjahr eine Belastung der Weiden mit Wurmeiern und -larven durch Weidetiere beziehungsweise eine Belastung der Wiesen durch die Gülleausbringung verhindert.
Da es kein Allround-Arzneimittel gibt, dessen Anwendung sowohl zur Bekämpfung von Magen-Darm-Würmern, Lungenwürmern, Bandwürmern als auch dem Großen Leberegel führen würde, sollte im Spätherbst zur Feststellung der im Bestand vorkommenden Parasiten die Untersuchung von Kot- und Blutproben bei einer Stichprobe von Jungrindern und Kühen vorgenommen werden. Eine Untersuchung sollte zu einem frühen Zeitpunkt nach Ende der Weidesaison vorgenommen werden, um anschließend eine gezielte Parasitenbekämpfung im Tier in Abhängigkeit vom Untersuchungsergebnis vornehmen zu können.
BWagrar: Wie lassen sich die massenhaft auftretenden Endoparasiten am wirkungsvollsten in Schach halten?
Hofmeister: Weidegang birgt für die Tiere immer das Risiko eines Befalls mit Innenparasiten. Über dieses Risiko sind sich Pferdehalter und Berufsschäfer in aller Regel bewusst. Sie etablieren deshalb ein auf die in der eigenen Herde bzw. im Tierbestand vorkommenden Parasiten abgestimmtes Bekämpfungsprogramm, das auch die Anwendung von Arzneimitteln einschließt.
Bei einem Teil der Rinderhalter ist jedoch ein Risikobewusstsein für die Möglichkeit eines Befalls mit Innenparasiten beim Weidegang noch nicht vorhanden. Eine Bekämpfungsstrategie sollte stets darauf abzielen, die von den Weiden ausgehende Ansteckungsgefahr durch Wurmeier beziehungsweise -larven zu senken. Dieses Ziel lässt sich unter anderem durch den Weideauftrieb von Tieren erreichen, die frei von Parasiten sind.
Der Weideauftrieb verwurmter Tiere würde nämlich schon von den ersten Weidetagen an zu einer ständig steigenden Belastung der Weiden mit Wurmeiern bzw. –larven führen. Für Milch- und Mutterkühe stehen zugelassene Pour-on-Arzneimittel zur Verfügung, die über einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen hinweg einen Schutz vor einer Ansteckung mit Larven von Magen-Darm- und Lungenwürmern bieten. Für Jungrinder in der Gewichtsklasse zwischen 100 und 500 Kilogram ist ein Langzeitarzneimittel zugelassen, das über einen Zeitraum von zirka vier Monaten einen Schutz gegenüber Magen-Darm-Würmern und Lungenwürmern bietet. Die Anwendung dieses Arzneimittels erfolgt am Ohrgrund in Form einer Injektion unter die Haut.
Es gibt jedoch kein Arzneimittel, das vorbeugend zur Verhinderung eines Befalls mit Bandwürmern bzw. dem Großen Leberegel angewandt werden könnte. Deshalb sollte alsbald nach Ende der Weidesaison bei einer Stichprobe von Tieren durch die Untersuchung von Blut- bzw. Kotproben eine Abklärung zur Feststellung eines eventuellen Befalls mit Bandwürmen bzw. dem Großen Leberegel vorgenommen werden. Bei einem positiven Ergebnis wäre anschließend der gezielte Einsatz eines Arzneimittels, das eine Wirksamkeit gegenüber der festgestellten Parasitenart entfaltet, möglich.
Ein erhöhtes Risiko für einen Befall mit Innenparasiten besteht insbesondere beim Weidegang auf Flächen mit moorigem Untergrund. Nach Ende der letzten Eiszeit sind in Oberschwaben und im Württembergischen Allgäu viele Moore entstanden. In den letzten Jahren wurden zudem an verschiedenen Orten staatliche, dem Klimaschutz dienende Programme zur Wiedervernässung von Riedwiesen aufgelegt. Bei der Beweidung solcher Flächen ist künftig von einem erhöhten Parasitenbefallsrisiko auszugehen.
Zur Reduzierung des Befallsrisikos mit Innenparasiten sollten die Weidetiere ihren Wasserbedarf grundsätzlich nicht aus offenen Fließgewässern decken können. Realistisch betrachtet muss allerdings gesagt werden, dass sich dieses Erfordernis beim Auftrieb von Jungrindern auf eine Alpe in aller Regel nicht erfüllen lässt. Auch sollte eine Beweidung von Flächen in der unmittelbaren Nähe von offenen Fließgewässern wie Entwässerungsgräben, Bächen oder Flüssen vermieden werden. Bedingt durch den Klimawandel werden künftig häufiger größere Niederschlagsmengen in sehr kurzer Zeit fallen. In Senken von Wiesen und Weiden werden sich dann Wasserpfützen bilden können, die über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen bleiben können. Es steht also zu erwarten, dass die Bedeutung eines Parasitenbefalls bei Weiderindern künftig eher noch zunehmen wird.
BWagrar: Mindestens genauso viel Schaden bei den Tieren richten sogenannte Ektoparasiten an. Was kann man gegen die Fliegenschwärme, Räudemilben und Dassellarven unternehmen.
Hofmeister: Zur Abwehr von Fliegen bei Kühen und Jungrindern stehen sogenannte Repellentien („Vergrämungsmittel“) zur Verfügung. Dabei handelt es sich um Pour-on-Arzneimittel, die in der Regel über mehrere Wochen hinweg einen Schutz vor stechenden und nicht stechenden Weidefliegen bieten. Zudem stehen bei Jungrindern Arzneimittel in Form von Ohrclips zur Fliegenabwehr zur Verfügung. Sie sind nach Herstellerangaben bis zu fünf Monate als Repellens wirksam. Räudemilben und Dassellarven lassen sich mit denselben Pour-on-Arzneimitteln bekämpfen, die bei einem Befall von Jungrindern bzw. Kühen mit Magen-Darm-Würmern und Lungenwürmern angewandt werden.
BWagrar: Auslauf im Grünen steht in Tierwohl- und Tierschutzdebatten ganz oben auf der Agenda. Trüben diese Gesundheitsrisiken für die Wiederkäuer diese Euphorie ein wenig ein?
Hofmeister: Die Frage möchte ich mit einem ganz klaren Nein beantworten. Weidegang hat für die Tiere sehr viele positive Aspekte. Die Bewegungsmöglichkeit auf der Weide fördert z.B. die Entwicklung des Skeletts, der Muskulatur, des Herz-Kreislauf-Systems und der Lunge. Die Sonnenstrahlung wirkt sich positiv auf den Hormonhaushalt und das Immunsystem der Weidetiere aus. Die Möglichkeit frisches Gras fressen zu können ist für die Versorgung der Tiere mit Vitaminen und Spurenelementen ebenfalls von Bedeutung.
Frisches Gras enthält zudem sekundäre Pflanzenstoffe, die einen positiven Einfluss auf den Stoffwechsel und die Gesundheit der Tiere haben. Zum Beispiel geht mit dem Weideauftrieb oftmals eine deutliche Verbesserung in der Ausprägung der Brunstsymptome einher. Weidegang wird den ureigenen Bedürfnissen der Pflanzenfresser gerecht. Das gilt sowohl für unsere pflanzenfressenden Nutz- und Haustiere wie Pferd, Rind, Schaf und Ziege, aber auch für die in unserer Region in freier Wildbahn lebenden Pflanzenfresser wie Reh und Rothirsch.
Ein kleiner Wermutstropfen ist nun mal das Risiko eines Parasitenbefalls. Darüber muss man sich eben bewußt sein. Dem lässt sich allerdings durch ein betriebsspezifisches Bekämpfungsprogramm gegensteuern. Es wäre meiner Ansicht nach die falsche Konsequenz, wenn ein Rinderhalter aufgrund des Befallsrisikos mit Parasiten seinen Jungrindern bzw. Kühen keinen Weidegang mehr gewähren wollte. Schließlich würde wohl auch kein Pferdehalter bei seinen Fohlen, Stuten oder Reitpferden wegen eines Parasitenbefallsrisikos auf Weidegang verzichten.
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