Wie läuft’s im Agrarhandel in Württemberg?
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3 Fragen an Klaus Josef Lutz
Wie läuft’s im Agrarhandel in Württemberg?
Prof. Klaus Josef Lutz ist seit Juli 2008 Vorstandsvorsitzender der BayWa AG. In sein Ressort fallen unter anderen Unternehmensführung, Recht, Personal, Marke-ting, Risikomanagement, Strategie, Nachhaltigkeit und internationaler Handel. Zu-dem leitet er die Führungs- und Aufsichtsgremien der internationalen Agrar- und Obstbeteiligungen. Im Interview mit BWagrar erläutert der BayWa-Vorstandschef aktuelle Entwicklungen im Agrarhandel und deren Auswirkungen auf die Landwirte insbesondere in Württemberg.
BWagrar: Herr Prof. Lutz, im vergangenen Jahr ist die Konzentration im Agrarhandel fortgeschritten. Wie sieht die Situation in Württemberg aus und wie will die BayWa ihr Geschäft mit den Bezugs- und Absatzgenossenschaften (BAG) im Südwesten weiterentwickeln?
Lutz: Das schwierige Marktumfeld im deutschen Agrargeschäft betrifft die gesamte Branche, auch die BAG. Falls von den BAG gewünscht, gibt es aber Möglichkeiten, in einzelnen Bereichen zu kooperieren, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern und somit die enge Kundenbindung – das größte Plus der BAG – zu halten oder auszubauen.
"Damit sind die Württemberger Vorreiter – es gibt in Deutschland keinen zweiten Agrarhändler, der sich gemeinsam mit seinen Kunden so intensiv mit Smart Farming beschäftigt wie wir."
Durch Zugang zu unseren Pflanzenbauempfehlungen und Beratungsangeboten partizipieren die BAG schon heute von den Ergebnissen aus dem BayWa Ver-suchswesen. Das gilt auch für neue Geschäftsmodelle aus den Bereichen Smart Farming oder sogar Agrarrobotik, die die BayWa entwickelt und vorantreibt. Die Idee für unser Smart Farming Anwenderprojekt zum Beispiel, das wir im vergangenen Jahr 2019 in Württemberg begonnen haben und in diesem Jahr fortsetzen werden, stammte aus der Landwirtschaft. Damit sind die Württemberger Vorreiter – es gibt in Deutschland keinen zweiten Agrarhändler, der sich gemeinsam mit seinen Kunden so intensiv mit Smart Farming beschäftigt wie wir. Davon profitieren letztlich alle Landwirte – auch die Mitglieder der Primärgenossenschaften.
Vorteile für die Mitglieder der BAG auch auf der Erzeugnis-Seite
Vorteile für die Mitglieder der BAG ergeben sich aber auch auf der Erzeugnis-Seite. Die BayWa ist im weltweiten Handel unterwegs und kann Landwirten somit über die BAG verschiedene Vermarktungsmöglichkeiten bis hin zum Weltmarkt bieten.
Wie wichtig das ist, zeigt die Entwicklung für Öko-Getreide. Wir haben im vergangenen Jahr 2019 begonnen, die Erfassungsstrukturen in unseren Vertriebsgebieten nach und nach auszubauen und haben im Sommer auch in Heilbronn den ersten Agrar-Standort auf Bio-Getreideerfassung umgestellt. Ausreichend Lagerplatz ist momentan der limitierende Faktor bei Bio.
Hinzu kommt, dass ein Händler ein lückenloses Qualitätsmanagement gewährleisten muss und während der Finanzierungsphase zwischen An- und Verkauf ausreichend finanziell flüssig ist. Das können wir alles leisten und können somit ein starker Partner für die BAG und ihre Mitglieder sein.
BWagrar: Welche wichtigen Herausforderungen sehen Sie für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg und wie kann die BayWa die landwirtschaftlichen Betriebe unterstützen?
Lutz: Getrieben von der Diskussion um eine klimafreundlichere Landwirtschaft ist die politische Volatilität im Agrargeschäft zurzeit sehr hoch. Von Bio-Quoten bis zum Verbot von Pflanzenschutzmitteln werden gefühlt jeden Tag neue Vorschläge diskutiert. Das verunsichert viele Landwirte vor allem in kleiner strukturierten Regionen wie Baden-Württemberg. Wie sollen sie ihr Geschäft noch planen, wenn niemand mehr weiß, worauf er oder sie sich verlassen kann – außer darauf, dass Auflagen und Verbote weiter zunehmen? Hier wünsche ich mir von der Politik mehr Augenmaß bei den Rahmenbedingungen sowie mehr Verständnis und Unterstützung seitens der Bevölkerung, statt einer Dämonisierung.
"Landwirte müssen Geld verdienen, um am Markt bestehen zu können und ihren Beitrag zu unserem Wohlstand zu leisten."
Eine wirklich nachhaltige Lösung für eine klimafreundlichere Landwirtschaft kann es nur geben, wenn die Realität am Markt mit betrachtet wird. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Aufnahmefähigkeit des Marktes mit einem stärkeren Ausbau der Öko-Landwirtschaft Schritt halten muss. Schon zur letzten Ernte gab es auch in Deutschland speziell bei Commodity-Produkten wie Weizen deutlich mehr Angebot als Nachfrage. Das führt zu Preisdruck und verschlechtert letztlich die finanzielle Lage der Öko-Landwirte. Landwirte müssen aber Geld verdienen, um am Markt bestehen zu können und ihren Beitrag zu unserem Wohlstand zu leisten. Dieser Punkt kommt mir in der Klimadebatte häufig zu kurz.
Landwirte Teil der Lösung bei der Klimakrise
Landwirte stehen der „Klimakrise“ nicht machtlos gegenüber. Sie sind Teil der Lösung. Unsere Aufgabe ist, sie zu beraten, wie sie Wirtschaftlichkeit und gesell-schaftliche Anforderungen zu Umwelt- und Ressourcenschutz miteinander verei-nen. Vom Betriebsmittel und der Technik bis zur Vermarktung decken wir alles ab, was sowohl der konventionelle als auch der Bio-Landwirt brauchen.
Ein einzelnes Produkt oder eine einzelne Anbaustrategie sind nicht die Lösung. Ein geringerer Pflanzenschutzmittel-Einsatz zum Beispiel, der auch ökonomisch sinnvoll ist, ist nur durch eine Kombination von Maßnahmen möglich – immer individuell auf den jeweiligen Betrieb zugeschnitten. Dafür braucht es eine stärkere Vernetzung, auch bei unseren Geschäftsbereichen.
BWagrar: Was planen Sie hinsichtlich der Präsenz der BayWa in Baden-Württemberg, insbesondere hinsichtlich Standorten und Beratungsdienstleistun-gen?
Lutz: Da das Marktumfeld zunehmend schwieriger wird, sinkt die Profitabilität im deutschen Agrargeschäft. Die Margen stehen so unter Druck, dass wir uns die alten Strukturen so nicht mehr leisten können. Damit sowohl unsere Kunden als auch wir in Zukunft wieder profitabler werden, müssen wir das Agrargeschäft in all unseren Vertriebsgebieten in Deutschland neu gestalten. Nichtstun wäre verantwortungslos gegenüber unseren Kunden und Mitarbeitern.
"Wir werden uns auch von Agrar-Standorten trennen müssen. Letztlich werden die Landwirte unsere Leistung daran messen, ob wir unser Leistungsversprechen erfüllen."
Wir haben 2018/2019 über 1,5 Millionen Euro in unsere Agrar-Standorte in Württemberg investiert, zum Beispiel in eine neue Getreideerfassung in Nellingen, die Bio-Zertifizierung am Standort Heilbronn sowie die Modernisierung verschiedener Standorte. Wir werden auch in Zukunft weiter Geld in die Hand nehmen, um unser Standortnetz zu ertüchtigen, werden uns bei unseren Investitionen aber noch stärker auf die Zukunftsstandorte vor Ort sowie neue Vertriebsansätze fokussieren. Parallel dazu investieren wir in die Effizienz unserer Logistik, in Lageroptimierung, in Online-Vertrieb und das Know-how unserer Mitarbeiter, um in Zukunft schlanker, schneller, digitaler und noch leistungsfähiger zu sein. Das schließt ein, dass auch unsere Sparten Agrar und Technik und unsere Smart Farming-Spezialisten noch enger in Richtung Landwirt zusammenarbeiten und ganzheitlich denken. Davon profitieren unsere Kunden genauso wie wir.
Wir werden uns auch von Agrar-Standorten trennen müssen. Letztlich werden die Landwirte unsere Leistung aber nicht an der Zahl der Standorte in ihrer Region messen, sondern daran, ob wir unser Leistungsversprechen erfüllen. Ob via App oder mit einem persönlichen Ansprechpartner entscheidet der Kunde. Entschei-dend ist: Bei der BayWa werden immer Menschen für Menschen da sein und wir bleiben in Württemberg präsent.
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