Ausnahme für Saisonarbeitskräfte nötig
Sollte der Mindestlohn wie angekündigt zum Oktober dieses Jahres auf zwölf Euro erhöht werden, befürchten landwirtschaftliche Verbände am Bodensee massive Auswirkungen auf die heimische Produktion von Obst, Gemüse, Wein und Hopfen. In den arbeitsintensiven Kulturen würden die steigenden Kosten zur Aufgabe bestimmter Produktionszweige führen mit der Folge der Verlagerung der Produktion ins Ausland, wachsender Abhängigkeit von Importen und einer Veränderung der Kulturlandschaft. Eine Aunahme für Saisonarbeitskräfte sei daher dringend nötig, heißt es in dem Positionspapier.
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In der gemeinsamen Pressemitteilung von Bauernverband Tettnang, Bodensee Wein, Hopfenpflanzerverband, Reichenau-Gemüse, BLHV-Kreisverband Überlingen-Pfullendorf, Maschinen- und Betriebshilfsring Tettnang sowie dier Obstregion Bodensee wird darauf verwiesen, dass in der deutschen Bodenseeregion rund 2000 landwirtschaftliche Betriebe auf rund 15.000 ha Fläche Kernobst, Steinobst, Beeren, Gemüse, Weintrauben, Hopfen und weitere Sonderkulturen zu Versorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln produzierten. Dafür beschäftigten die Betriebe jährlich rund 8000 bis 10.000 Saisonarbeitskräfte, vorwiegend aus Osteuropa. Die Landwirtschaft sei systemrelevant, nicht nur in Corona-Zeiten, da sie für Ernährungssicherheit und hochwertige Erzeugnisse nach sehr hohen Standards sorge.
Lohnkostensteigerung führt zur Existenzgefährdung
Im arbeitsintensiven Anbau von Sonderkulturen machten die Lohnkosten über die Hälfte der Produktionskosten aus und seien damit ein entscheidender Kostenfaktor. Deshalb führe die geplante starke Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Oktober 2022 auf 12 Euro/Stunde zu besonders schweren Auswirkungen. Verstärkt werde dies durch die aktuell starken Kostensteigerungen für Betriebsmittel und gesellschaftspolitische Vorgaben.-
Weiter heißt es in dem Positionspapier, dass die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro eine Steigerung von 22 Prozent im Vergleich zu 9,82 Euro/Stunde als aktuellen Mindestlohn bedeute. Im Vergleich zu den 7,40 Euro/Stunde bei der Einführung seien es 62 Prozent. Sollte eine sozialversicherungsfreie Beschäftigung in Zukunft nicht mehr möglich sein, steige die Belastung für die Betriebe um weitere 20 Prozent. Gleichzeitig stünden die Betriebe im harten Preiswettbewerb mit anderen EU-Mitgliedsstaaten sowie Drittländern und billigen Angebotspreisen aus diesen Ländern. Unterschiedliche Standards führten zu Wettbewerbsnachteilen für heimische Produkte. Beispielsweise betrage der Mindestlohn in Polen, dem mit Abstand größtem Apfelproduzent in der EU, ab diesem Jahr 4,38 Euro/Stunde. Die Produktionskosten in arbeitsintensiven Kulturen stiegen damit zu stark und zu schnell, während die Erlöse bei Weitem nicht im gleichen Maße Schritt hielten.
Hohe Mehrbelastung bei arbeitsintensiven Kulturen
An einigen Beispielsrechnungen verweisen die Verbände auf die Mehraufwendungen durch den geplanten Mindestlohn im Vergleich zu den derzeit gültigen 9,82 Euro/Stunde. Für den Apfelanbau mit einem jährlichen Arbeitsanfall von rund 500 Stunden/ha bedeute dies ein Mehraufwand von 1100 Euro/ha, bei Erdbeeren mit 2000 Stunden/ha seien es 4300 Euro/ha und bei Himbeeren mit 3000 Stunden/ha summierten sich die Mehrkosten auf 6500 Euro/ha. Ein Familienbetrieb im Vollerwerb mit 15 ha Äpfel, 4 ha Erdbeeren und 1 ha Himbeeren hätte damit Einkommenseinbußen von etwa 42.000 Euro pro Jahr allein aufgrund der erhöhten Lohnkosten zu tragen.
Die Auswirkungen erhöhter Lohnkosten konnten seit der Einführung des Mindestlohns und der Steigerungen in den letzten Jahren bereits beobachtet werden. Sie werden sich im Falle einer derartig starken und schnellen Erhöhung noch deutlich verstärken, befürchten die Verbände, verbunden mit der Aufgabe der Produktion arbeitsintensiver Kulturen wie beispielsweise Beerenobst in Deutschland. Die Produktion werde sich ins Ausland verlagern. In der Folge sinke der Selbstversorgungsgrad von 20 Prozent bei Obst und 36 Prozent bei Gemüse weiter. Die Abhängigkeit von Importen steige. Die veränderte Bewirtschaftung bleibe nicht ohne Folgen für die Kulturlandschaft. Dies erfolgte nicht plötzlich, vielmehr werde es nach und nach zum Ausstieg der Betriebe kommen.
Sonderregelung gefordert
Um diese Entwicklung abzuwenden, fordern die Verbände zum Schutz der heimischen Sonderkulturbetriebe die Sicherung der Wirtschaftlichkeit der Produktion. Dazu sei eine Sonderregelung mit einem weniger starken und sprunghaften Anstieg der Lohnkosten bei Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft dringend notwendig. Gleichzeitig fordern sie die politische Unterstützung, um künftig höhere Erzeugerpreise für heimische Lebensmittel zu erreichen. Dazu seien Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Produktionsstandards innerhalb der EU und bei Importen nötig, eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung, die Stärkung der Marktposition der Produzuenten sowie die Information der Verbraucher über die Vorteile heimischer Lebensmittel.
Um ihre Forderungen zu erläutern, verwiesen sie das das deutlich geringere Lohnniveau in den Herkunftsländern, wodurch die zeitweise Saisonarbeit in Deutschland für die Arbeitskräfte einen Anreiz und Mehrwert darstelle. Die Arbeitskräfte hätten ihren Lebensmittelpunkt im Herkunftsland und verdienten in kurzer Zeit in Deutschland einen attraktiven Lohn. Diesen erhielten sie als kurzfristige Beschäftigte ohne Abzüge von Steuern und Sozialversicherung. Eine Sonderregelung beim Mindestlohn würde erreichen, dass die Betriebe nicht derart stark existenzbedrohend belastet würden. Das könnte dazu beitragen, eine Produktionsverlagerung ins Ausland zu verhindern
Für dringend notwendig erachten sie dabei einen niedrigereren Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte in de3r LandwirtschaftNötige Maßnahmen zum Schutz der heimischen Sonderkulturbetriebe und Ihrer Produktion:? Oberstes Ziel muss die Sicherung der Wirtschaftlichkeit der regionalen Produktion von heimischem Obst, Gemüse, Wein und Hopfen sein. Nur so können die Betriebe, die Arbeitsplätze sowie die Versorgungssicherheit in der Region erhalten werden.? Dringend notwendig ist dazu ein niedrigerer Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft und dem Gartenbau. Um die Erzeugerbetriebe von Lebensmittel finanziell nicht zu überfordern, wird eine Sonderregelung mit einem weniger starken und sprunghaften Anstieg der Lohnkosten benötigt.? Gleichzeitig bedarf es großer politischer Unterstützung, um zukünftig höhere Erzeugerpreise für heimische Lebensmittel zu erreichen. Hierzu sind Maßnahmen hin zu einheitlicheren Produktionsstandards innerhalb der EU und bei Importen, verpflichtender Herkunftskennzeichnung, Stärkung der Marktposition der Produzenten sowie Information der Verbraucher über die Vorteile heimischer Lebensmittel dringend notwendig.
Erläuterungen:- Für die Bewirtschaftung der arbeitsintensiven Sonderkulturen sind die Betriebe auf die Arbeit der Saisonarbeitskräfte angewiesen.- Aufgrund des deutlich geringeren Lohnniveaus in den Herkunftsländern stellt die zeitweise Saisonarbeit in Deutschland für die Saisonarbeitskräfte einen Anreiz und Mehrwert dar. Die Arbeitskräfte haben ihren Lebensmittelpunkt im Herkunftsland und verdienen in kurzer Zeit in Deutschland einen attraktiven Lohn.- Kurzfristig beschäftigte Saisonarbeitskräfte, erhalten ihren Lohn ohne Abzüge von Steuer und Sozialversicherung. Krankenversichert werden diese Saisonarbeitskräfte von den Betrieben in der Regel über spezielle Erntehelfer-Policen. Der Nachweise einer Krankenversicherung ist ab 2022 gesetzlich vorgeschrieben.- Eine Sonderregelung beim Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte der Landwirtschaft und des Gartenbaus würde erreichen, dass die Betriebe nicht derart stark bis existenzbedrohend belastet werden. Diese Ausnahme ist auch dringend notwendig, um die heimische Produktion arbeitsintensiver Kulturen zu erhalten und Produktionsverlagerungen ins Ausland zu verhindern.
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