
Forschung auf hohen Stelzen
Unten Weizen fürs Brot, oben Strom für Licht, E-Auto und Waschmaschine? Theoretisch geht das. Und praktisch? Die Frage wird ab sofort an der Uni Hohenheim beantwortet. Auf deren Versuchsstation Ihinger Hof wurde am 6. November 2025 eine neue Agri-Fotovoltaik-Anlage für die Forschung eingeweiht.
von Lars Harnisch Quelle Universotät Hohenheim erschienen am 07.11.2025Und die macht Eindruck, ist sie doch 70 Meter lang und 52 Meter breit. Vor allem aber: rund zehn Meter hoch. Schließlich müssen die Traktoren drunter durchpassen, am liebsten hätte die Universität noch einen Mähdrescher dazu gestellt. Das soll zeigen: Unter der Anlage kann man arbeiten, fast wie auf dem freien Feld. Und nur so lassen sich beide Ziele erreichen: Nahrung und Energie.
Land ist Modellregion für Agri-PV
Für das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) ist beides wichtig. „Viele setzen da große Hoffnungen auf Freiflächen-Fotovoltaik“, sagte Sabine Kurtz, Staatssekretärin im MLR. Doch wer Flächen für die Energieversorgung nutzt, dem fehlen sie für die Nahrungsmittelproduktion. Deshalb hat die Landesregierung 2021 die Verbundprojekt Modellregion Agri-Fotovoltaik (Agri-PV) ins Leben gerufen. Die ersten Erkenntnisse sind da, nach Sonderkulturen steht nun der Ackerbau im Fokus. Da kämen noch einmal andere Herausforderungen, weil die Anlagen wegen der Maschinen so hoch und weit sein müssten, auch Aspekte wieder rückstandsfreie Abbau und die Wirtschaftlichkeit spielten eine Rolle, so Sabine Kurtz. „Schön, wenn man so was am Modell ausprobieren kann“.
Danke an alle Beteiligten
„Theorien sind ohne Messwerte nichts Wert“, bestätigte Prof. Dr. Christoph Schneider, Rektor der Uni Hohenheim. Nun habe man eine eigene Anlage, um zu prüfen, ob die theoretischen Erkenntnisse der Realität entsprächen. Er betonte, wie wichtig eine gute Infrastruktur für die Forschung sei und dankte noch einmal allen Beteiligten, allen voran dem MLR. Mit 600.000 Euro hatte dieses Planung und Bau gefördert, die Uni selbst steuerte weitere 275.000 Euro bei. Und damit hat man eine Anlage, an der man nahezu alles ausprobieren kann. Die PV-Module nehmen etwa 30 Prozent des Sonnenlichts weg und lassen sich verschieben, so dass das Wachstum unterschiedlicher Kulturen und Sorten unter unterschiedlichen Lichtbedingungen erprobt werden kann. Durch die Einteilung in 20 Parzellen können die Forscher gleichzeitig mehrere Kulturen beobachten, von der Ackerbohne bis zum Weizen.
Schlüsseltechnologie nachhaltig nutzen
Der Schatten hat unter anderem Einfluss auf Erträge, Boden, Schädlinge, demzufolge nutzen auch zahlreiche Fachgebiete der Uni die Anlage. „Die Agri-Fotovoltaik greift in ein ganzes Netz ökonomischer und ökologischer Wechselwirkungen ein“, sagte Dr. Ralf Vögele, Dekan für Agrarwissenschaften an der Uni Hohenheim. Nur in interdisziplinären Ansätzen könne man verstehen, wie diese Schlüsseltechnologie gestaltet werden solle und nachhaltig genutzt werden könne. Dieser breite Ansatz geht über die biologischen Aspekte hinaus bis hin zu Wirtschaftlichkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz. Die Anlagen sind zwar fest verankert und bodenschonend gebaut, sie halten die üblichen Herbststürme und Schneelasten aus, doch ihr Anblick ist (noch) ungewohnt. Dabei könnte der Schatten der PV-Anlage die Erträge sogar steigern. Die bisherigen Forschungen haben ergeben, dass bei Trockenheit die Beschattung schützt und dass Pflanzen lernen, weniger Licht besser zu nutzen. Weizen fürs Brot – vielleicht geht das irgendwann nur noch unter dem PV-Modul.
Länge: 70 Meter Breite: 52 Meter Min. Durchfahrtshöhe: 5,5 Meter Fläche: 0,36 Hektar Parzellen: 20 (13 x 14 Meter) Leistung: 218 kWp Stromertrag: 200.000 kWh/Jahr Bauzeit: Juni bis September 2025









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