Aufs Humuskonto einzahlen: Pflanzen fast ohne Erdanhang bewegen
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Seit dem Jahr 2016 hat Landwirt Nesch Kontakt mit Friedrich Wenz und Dietmar Näser – zwei Pionieren der regenerativen Landwirtschaft – und auch um diese Zeit den Bodenkurs im Grünen besucht. Zur gleichen Zeit hat der Betrieb auf biologischen Landbau nach Bioland-Richtlinien umgestellt. Im Rahmen der regenerativen Bewirtschaftung kaufte Nesch eine Fräse und verkaufte seinen Pflug, um den Boden nur noch flach abzuschälen, statt tief umzugraben. Weiterhin setzt der Praktiker Komposttee und effektive Mikroorganismen ein, die den Humusaufbau ankurbeln sollen und auf dem Hof selbst hergestellt werden. Das oberste Ziel ist eine Bewirtschaftung der Flächen mit gleichzeitigem Humusaufbau im Boden.
Vertrag zum Kohlenstoffspeichern
Mit diesem Konzept hat der Betriebsleiter mit der Firma Carbocert einen Vertrag unterschrieben, über den der Humusaufbau auf der landwirtschaftlichen Fläche honoriert werden soll. Die Erstbeprobung der teilnehmenden Flächen fand im Frühling 2019 statt. 2022 wurden die Flächen erneut beprobt. Die Gesamtkosten der Bodenproben belief sich dabei auf rund 3000 Euro für beide Messreihen. „Ich wusste zuerst nicht, wie viel Humus wir aufbauen können und inwiefern sich das rechnet“, erklärte Nesch. 294 Tonnen Kohlendioxid hat der Landwirt auf seinen Flächen kompensieren können, also 98 Tonnen pro Jahr für die teilnehmenden zwölf Hektar.
Wichtig ist, die Bodenproben immer zum selben Zeitpunkt des Jahres zu nehmen – nur so bleiben die Werte vergleichbar. „Man sollte am besten aus dem Winter rauskommen und ohne Düngung oder Bodenbearbeitung messen“, schilderte Nesch.
Da auf den zwölf Hektar eine Zunahme des Humusgehalts gemessen und diese vom TÜV Nordrhein-Westfalen zertifiziert wurde, kann die Speicherleistung im Boden honoriert werden. 30 Euro bekommt man pro Tonne gespeichertes Kohlendioxid. Die Hälfte des Betrags wurde als Vorschuss bezahlt, die andere Hälfte gibt es nach erfolgreicher Kohlenstoffspeicherung. Am Markt verkaufen sich die Speicherzertifikate pro Tonne Kohlenstoff für 50 Euro. Von der Differenz zwischen Marktpreis und Honorierung des Landwirts, 20 Euro, geht die eine Hälfte in die TÜV-Zertifizierung und die andere an den Dienstleister Carbocert, der die Zertifikate vermittelt und den Handel organisiert. „Geht man mit dem Humusgehalt nicht vorwärts, kann die Teilnahme aber aufgrund der Kosten für Probennahmen ins Minus gehen“, erklärte Nesch.
Pflug verkauft
Den Pflug hat Nesch verkauft. Er kostete zu viel Humus und die Bodenverdichtung sitzt seiner Erfahrung nach tiefer, als der Pflug in den Boden reicht. „Er ist damit das Fahren und den Diesel für mich nicht wert“, äußerte sich Nesch. Deshalb hat er eine Fräse gekauft. „Die Bearbeitung in fünf Zentimetern Tiefe reicht – ich arbeite ohnehin einige Zentimeter tiefer, als das Arbeitsgerät eingestellt ist, wenn ich Pflanzen mitsamt Wurzelballen rausreiße.“ Man arbeitet also immer ein paar Zentimeter tiefer, als man fährt. Seiner Ansicht nach verjubelt der Pflug dagegen Leistung, um den Erdanhang der Pflanze zu bewegen, statt nur die umzubrechende Pflanze zu bewegen.
Mit Komposttee regt Nesch die Fotosyntheseleistung der Pflanzen an. Dadurch sollen diese mehr Zucker produzieren, dann mehr Assimilate in den Boden pumpen und somit das Bodenleben ernähren. Das Bodenleben wiederum ernährt die Pflanze und diese produziert dann mehr Zucker und Assimilate. „Ein Hamsterrad, das man einmal anstoßen muss“, schildert Nesch seine Erfahrungen.
Acker sammelt Sonnenlicht
Der Acker ist laut Nesch wie eine PV-Anlage. Es muss immer ein Bewuchs auf der Fläche sein, um einfallendes Licht zu ernten. Auch wenn nur Stoppeln auf dem Acker stehen, muss die Fotosynthese laufen, wie zum Beispiel durch Untersaaten im Getreide. Der Vorteil zu einer PV-Anlage ist aber, dass der Acker noch flexibel bleibt. „Ich kann heute Weizen, morgen Sonnenblumen anbauen“, sagte er. Eine PV-Anlage koste ein Vermögen, ein Landwirt hingegen brauche als Investment Samenkörner. Damit lässt sich übers Jahr rund elf Monate die Sonnenenergie auf der Fläche nutzen. Der Dünger besteht damit aus Pflanzenmasse und muss nicht hergestellt und transportiert werden.
Ein hoher Humusgehalt verbessert den Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Menschen. „Pro Prozent Humusgehalt kriegt man 20 kg N pro Jahr zugeliefert – das ist wirtschaftlicher als jedes Festgeldkonto“, kommentierte der Landwirt. Und ein Humusprozent mehr liefert laut Nesch 400 m3 mehr Wasser pro Hektar, ohne das Grundwasser anzuzapfen. Dieses Humuskonto arbeite jeden Tag der Woche, rund um die Uhr. Ein hoher Humusgehalt reduziere zudem den Kraftstoffbedarf bei der Bearbeitung sowie den Materialverschleiß. Auch könnte der Humusgehalt der Fläche zur Lebensmittelerzeugung künftig als Verkaufsargument dienen, als Beweis, dass kein Raubbau betrieben werde.
Naturpark sucht Klimalandwirte
Das Humusprojekt wurde vor eineinhalb Jahren von Florian Schmidt vom Naturpark Schwarzwald ins Leben gerufen und von ihm zusammen mit seinem Kollegen und Landwirt Paul Hofmann betreut. Der Naturpark will damit aktiver werden in regionalem Klimaschutz. In der Kulisse des Naturparks liegt der Hof von Friedrich Wenz. Über einen ersten Kontakt bahnte sich an, dass man regional mit Humusaufbau aktiv werden sollte. Der Naturpark entwickelt Bildungsformate und ein Netzwerk in der Region. Angedacht sind im Bereich Humusaufbau eine Unterstützung durch den Landkreis mit Zuschuss zu den Beprobungskosten und langfristige Pachtverträge für Landwirte, die mitmachen. Wir das am besten machbar ist, wird aktuell geprüft mit dem Partner Positerra, der die Humuszertifikate an Unternehmen vermarktet, die einen freiwilligen Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen.
Für den Naturpark ist laut Hofmann die Herausforderung, Landwirtinnen und Landwirte für regenerative Anbaumaßnahmen langfristig zu gewinnen. „Es kostet Geld und Zeit, um eingefahrene Wirtschaftsweisen aufzubrechen und Neues zu etablieren“, erklärte Hofmann. Es brauche einen langen Atem, um ein regeneratives Anbausystem zu etablieren und offen für Neues müsse man auch sein. Vorwiegend interessieren sich nach Hofmanns Aussage junge engagierte Landwirtinnen und Landwirte für das Thema und erfolgreiche Betriebe, die nach neuen Herausforderungen suchen. In der Naturpark-Region werden deshalb Stammtische und Vorträge organisiert, um mehr Menschen für regenerative Anbauverfahren zu begeistern und zu gewinnen.
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