Noch viele offene Fragen
Am 26. April gab es eine öffentliche Anhörung im Landtag zum Thema Agri-PV, an der Dr. Dominik Modrzejewski vom Landesbauernverband (LBV) die Position der Bauernverbände im Land vorstellte. Eingeladen und moderiert wurde die Anhörung vom Abgeordneten Martin Hahn (MdL, Grüne), Vorsitzender im Ausschuss für Ernährung, Ländlichen Raum & Verbraucherschutz.
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„Wir beobachten ein immer größeres Interesse von landwirtschaftlichen Betrieben, selbst Agri-PV-Anlagen oder Freiflächenanlagen zu errichten oder eigene Flächen dafür zu verpachten“, berichtete Dr. Dominik Modrzejewski, Energieexperte und Referent Pflanzliche Erzeugung beim LBV. Gleichwohl verfolge man bei den Bauernverbänden im Land, beim LBV und auch beim BLHV, den weiteren Ausbau von Fotovoltaik-Anlagen auf Freiflächen mit sehr gemischten Gefühlen. So könnten bestehende, aktive landwirtschaftliche Betriebe unverschuldet unter Druck geraten, wenn es wegen des PV-Ausbaus zu Verzerrungen auf dem Pachtmarkt kommt, beziehungsweise wenn ihnen Pachtflächen wegen PV-Vorgaben plötzlich gekündigt würden. Das dürfe nicht passieren.
Sowohl als auch
Vor diesem Hintergrund geht es dem Bauernverband darum, die Landwirte als Pächter vor Flächenverlust zu schützen und gleichzeitig aber auch die Grundstückseigentümer beim Einstieg in Agri-PV und/oder Freiflächen-PV zu unterstützen. Der Ausbau der PV-Anlagen sollte vorrangig nicht auf landwirtschaftlichen Flächen stattfinden, sondern auf versiegelten Flächen wie Hausdächern und Gewerbeflächen. Wenn schon landwirtschaftliche Flächen, dann möglichst Agri-PV. Sollte die Wahl dann doch auf Freiflächen-PV fallen, dann möglichst mit Beteiligung von Partnern wie Bürger und Gemeinden als Genossenschaften beziehungsweise in Form von Kooperationsprojekten.Unterm Strich komme es darauf an, dass der ländliche Raum durch den Ausbau der Erneuerbaren gestärkt und die regionale Wertschöpfung erhöht wird.
Eigene Vorschriften für Agri-PV
Was Agri-PV betrifft, bezog sich Modrzejewski auf das Positionspapier des Deutschen Bauernverbandes (DBV), das mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl erarbeitet wurde. Im Rahmen der Regelausschreibungen des EEG kann man eine Einspeisevergütung für Strom aus PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen erhalten. Für Agri-PV-Anlagen besteht ein Anspruch auf eine Prämie in Höhe von 1,2 Cent pro Kilowattstunde. Mit Einführung dieser Technologierprämie sollen die Mehrkosten für Agri-PV berücksichtigt werden. Laut Modrzejewski sei diese Prämie jedoch zu niedrig, um sich am Markt durchzusetzen. Positiv sei, dass die Flächen weiterhin prämienberechtigt und dass Agri-PV auch auf Grünlandflächen möglich ist und dass die Agri-PV-Anlagen im Erbfall dem landwirtschaftlichen Vermögen zugerechnet werden. Wichtig sei eine Lockerung des Baurechts. Zudem fordern die Bauernverbände, dass bei Agri-PV mindestens 80 Prozent des Flächenertrags weiterhin gegeben sein muss. Dies soll sicherstellen, dass die Landwirtschaft bei Agri-PV Vorrang hat und die Stromerzeugung erst an zweiter Stelle steht.
Landwirte müssen mitverdienen
Modrzejewski lobte die vielversprechende Forschung zu Agri-PV in der Modellregion Baden-Württemberg über das Fraunhofer Institut und hofft, dass man bald einen Markthochlauf schafft, was aber angesichts der ambitionierten Ziele der Regierungen für den Ausbau von Freiflächen-PV insgesamt alles andere als einfach werden dürfte. Die Frage, welchen Beitrag hierfür die Agri-PV leisten könne, sei noch völlig offen. Und: „Uns ist wichtig, dass bei den klassischen Freiflächenanlagen die Landwirte nicht außen vor bleiben, sondern mit im Boot sind“, so Modrzejewski. Die Rolle der Landwirte dürfe sich nicht auf das Herausgeben von Flächen reduzieren, vielmehr brauche es gute Rahmenbedingungen, damit Landwirte in das Geschäft mit dem Sonnenstrom mit einsteigen können, ohne ihre Flächen zu verlieren.
Agri-PV hat viele Vorteile
Über den Stand der Forschung in Sachen Agri-PV im Land informierte Oliver Hörnle, Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in seinem rund 20-minütigen Eingangsreferat. Ihm zufolge sei Agri-PV viel mehr als die reine Kombination von Landwirtschaft und PV. „Ich warne davor, die Agri-PV nur als Technologie der doppelten Flächennutzung zu sehen“, so Hörnle. „Wir betrachten die Agri-PV zunehmend als Maßnahme zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft,“ sagt Hörnle und meint damit den Schutz vor zu heißer Sonneneinstrahlung, Hagelschutz oder den Schutz gegen Verdunstung. Demnach habe Agri-PV eine ausbalancierende Wirkung für die Erzeugung von Nahrungsmitteln. Zudem könne Agri-PV Flächenkonflikte entschärfen, weil man sie in unterschiedlichen Kulturen in unterschiedlichen Formen einsetzen könne. Ein weiterer großer Vorteil, denn schließlich drängen gerade immer mehr Sektoren auf die landwirtschaftlichen Flächen - vom allgemeinen Bauboom angefangen, über PV- und Windanlagen bis hin zum Naturschutz.
So wird Agri-PV definiert
Nach Din Spec 91434, so Hörnle, unterscheidet man die Anlagen in Kategorie I und Kategorie II.
- Kategorie I: Hochaufgeständerte Anlagen über 2,10 Meter Durchfahrtshöhe. Hier erfolgt der Anbau unter der Anlage. Das hat den Vorteil, dass die Anlage auch Schutzfunktionen erfüllt, gegen Regen, Sonne, Verdunstung. Unter anderen muss zum Beispiel ein Mindestreferenzertrag gegeben sein, damit die landwirtschaftliche Hauptnutzung gewährt ist und nicht, dass man einen verkappten Solarpark anlegt, ohne auf die Landwirtschaft und auf die Synergiefunktionen Rücksicht zu nehmen.
- Kategorie II: Niedrig aufgeständerte Anlagen mit zwischenreihiger Bewirtschaftung, das sind bodennahe Anlagen, die Vertikal ausgeprägt sein können oder nachgeführte Anlagen. Bei Ost-West-Anlagen hat man eine vorteilhafte Stromerzeugungskurve im Vergleich zu nach Süden ausgerichteten Freiflächenanlagen.
Das Fraunhofer Institut beschäftige sich mit Agri-PV-Anlagen in mehr als 40 Ländern - wichtige Erkenntnisse auch für die Modellregion Baden-Württemberg, um die Anlagen insgesamt weiterzuentwickeln. In der Modellregion gibt es fünf Pilot-Anlagen und an jedem Standort gibt es landwirtschaftliche Versuchspartner. Das sei wichtig. „Wir müssen uns daran messen lassen, wie die Landwirtschaft unter den Anlagen performt“, so Hörnle. Die bisherigen Ergebnisse hätten gezeigt, dass man signifikant bessere landwirtschaftliche Erträge erzeugen konnten, gerade bei Wasserknappheit und bei hoher Einstrahlung. Weitere Anlagen seien in Planung. Vor allem die Auswirkungen auf das Mikroklima seien weltweit ein wichtiges Thema und müssten weiter erforscht werden. Auch die Auswirkungen zu Ablagerungen von Spritzmitteln auf die Module seien ein wichtiges Thema. Offene Fragen sind weiterhin der Korrosionsschutz der Unterkonstruktion der Anlage gegen Kupfer- und Schwefelmittel im biologischen Landbau.
Wie geht es weiter?
Mit Blick auf die kommenden Monate meinte Hörnle: „Wir haben nicht mehr die Zeit, in der Energiewende zu lange zu warten. Er versprach, dass noch in diesem Sommer ein Papier für die Baubehörden erstellt werden soll, in dem dargelegt werden soll, wie man Agri-PV einfacher genehmigen kann. Grundsätzlich brauchen Agri-PV-Anlagen bislang noch eine Baugenehmigung mit Bauleitplanung. Schwierig sei das vor allem für kleine Anlagen. Solche Gutachten und Genehmigungen könnten zweieinhalb Jahre dauern und viel Geld verschlingen. „Wenn man diese Technologie für Landwirte öffnen möchte, die sich für ihren eigenen Betrieb eine Agri-PV-Anlage bauen, wird es schwierig diese Gutachten zu finanzieren“, so Hörnle. Deswegen gebe es einen Gesetzesentwurf für privilegiertes Bauen von bis zu 2,5 ha Größe.
1,2 Cent Förderung sind viel zu wenig
Über des Erneuerbare Energien Gesetz gibt es speziell für Agri-PV diese Technologieprämie in Höhe von 1,2 Cent pro Kilowattstunde. „Hier sind wir der Meinung, dass das nicht ausreicht und zu wenig selektiv ist. Agri-PV kann ganz viele Vorteile haben, ich habe es aber noch nie geschafft, es in Mitteleuropa wirtschaftlich zu rechnen. Hier muss man sich fragen, was man als Gesellschaft will und wie man das fördern möchte“, so Hörnle. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel gebe es bereits ein Programm mit 25 Prozent Investitionszuschuss für Agri-PV.
Mehr Infos: Die über zwei Stunden dauernde Anhörung gibt es zum Nachhören in der Landtag-Mediathek unter https://www.landtag-bw.de/home/mediathek/videos/2023/20230426_landwa_agri_1.html?t=0
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