Energiebedarf als Chance
Strom aus Fotovoltaik, Dünger und Treibstoff aus Gülle sowie das Nahwärmenetz in der Gemeinde Argenbühl: Vorgestellt und erläutert wurden diese Leuchtturmprojekte im Kreis Ravensburg beim Fachgespräch zum Thema „Energie aus Bauernhand oder Power vom Bauer“ unter der Leitung von Franz Schönberger, Vorsitzender des Bauernverbandes Allgäu Oberschwaben, am 18. Oktober auf dem Grünen Pfad.
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In der Gemeinde Schlier hat die Batzill GbR mit den Brüdern Severin und Merlin Batzill sowie drei weiteren Mitgesellschaftern ein Agri-PV-Projekt auf die Beine gestellt, das sowohl in technischer Hinsicht als auch vom Umfang her bundesweit seinesgleichen sucht. „Anfang 2022 haben wir das Projekt erstmals dem Gemeinderat vorgestellt. Die Unterstützung war großartig. Und wenn alles gut geht, geht die Anlage noch dieses Jahr ans Netz“, berichtete Severin Batzill auf der Messe. Mit der „Anlage“ meinte er eigentlich drei Anlagen, verteilt auf drei Standorten im Gemeindegebiet. Die Projektfläche beträgt insgesamt knapp 15 Hektar, davon sind fast 13 Hektar landwirtschaftlich genutzte Ackerfläche, der reine PV-Anteil beträgt rund zwei Hektar. Jeder Standort ist mit einem Batteriespeicher versehen, um den Strom einlagern zu können. Wenn die Abnahmepreise am Strommarkt hoch sind, lässt sich so der gespeicherte Strom dann gewinnbringend verkaufen, so der Plan. Für Batzill war von Beginn klar: „Wenn Fotovolatik auf der Fläche zum Einsatz kommt, am besten als Doppelnutzung, um den Flächenverbrauch so gering wie möglich zu halten.“ Und: „Unser Ziel ist, dass keiner an den Anlagen einen Schaden nimmt und dass wir das Projekt gemeinsam mit anderen Landwirten umsetzen.“ Denn: „Alles, was auf einem Stück Land erwirtschaftet wird, muss auch den Landwirten gehören.“
Nicht separierte Gülle im Dauergrünland ein Problem
Was sich in Sachen Biogas als Treibstoff im Landkreis tut, erläuterte Anton Eller, Geschäftsführer der REG GmbH. Die GmbH ist aus dem Maschinenring Allgäu Bodensee heraus entstanden, als man erkannt habe, dass die Gülle separiert werden muss, um sie bodennah ausbringen zu können, ohne das künftige Futter zu verschmutzen, berichtete Eller. Bei dem Verfahren wird ein möglichst hoher Anteil der klimarelevanten Gase aus der Gülle herausgeholt und als Biomethan für die Antriebstechnik nutzbar gemacht. „Wenn ich Biomethan auf den Treibstoffmarkt bringe, erzeuge ich nicht nur einen CO2-neutralen, sondern sogar einen CO2-negativen Treibstoff“, meinte Anton Eller. Und: „So sind wir auf die bestehenden Biogasanlagenbetreiber zugegangen und haben gefragt, ob sie sich vorstellen können, ihre Anlage so umzubauen, dass man die Gülle besser vergären kann.“ Das so gewonnene Biomethan für den Treibstoffmarkt könne als komprimiertes Gas oder als flüssiges LNG-Gas angeboten werden.
Gülle steckt voller Energie
Dass in der Gülle richtig viel Energie steckt, daran ließ Eller in seinem Vortrag keine Zweifel aufkommen. So könne man über die Biogasanlagen bis zu neun Tonnen LNG-Gas pro Tag produzieren, was 13.000 Liter Diesel entspricht. Damit könnte rein rechnerisch der komplette Busverkehr im Landkreis Ravensburg klimaneutral betrieben werden. Für die Erzeugung dieser neun Tonnen Bio-LNG würden rund 300.000 Tonnen Gülle benötigt. Die Vorteile für die Landwirte, die in dem Gülleprojekt mitmachen, liegen auf der Hand: Sie bekommen ihre Gülle über die REG GmbH abgeholt, aufbereitet und fließfähig als idealer Dünger wieder zurückgebracht auf den Hof. So kann ein landwirtschaftlicher Betrieb Zeit und Geld sparen.
Biogas für die Nahwärme im Ort
Mario Reck aus Argenbühl Ratzenried hat 2011 gemeinsam mit weiteren Landwirten eine Biogasanlage gebaut und dafür die AER GmbH & Co. KG gegründet - die Agrar-Energie- Ratzenried. Ziel war es, die Milcherzeugung nicht noch weiter aufzustocken, sondern ein zweites Standbein aufzubauen. Wegen der Nähe zum Ort war damals schon die Hoffnung, eine vernünftige Wärmeanbindung hinzubekommen, so Reck. Betrieben wird die Anlage zu 40 Prozent aus Gülle und Mist und zu 60 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen. Gestartet ist man mit 250 kW elektrisch, 2010 wurde die Anlage flexibilisiert und mit einem weiteren BHKW ausgestattet, so dass besser saisonal Strom und Wärme erzeugt werden kann. Vermarktet wird der Strom über die Stadtwerke Würzburg. 2019 kam eine Wärmeleistung zur Gärtnerei im Ort hinzu und 2022 wurden die Nahwärme-Leitungen für das neu geplante Baugebiet mit 22 Bauplätzen konzipiert und anschließend mit verlegt. Auch die Grundschule, der Kindergarten und die Turnhalle im Ort sollen mit Wärme versorgt werden.
Große Nachfrage bei der Nahwärme
„Die Anfragen aus den bestehenden Wohngebieten nehmen zu. Mittlerweile wurden bereits 1900 Meter Wärmenetz vergraben. Eine tolle Entwicklung“, freute sich Reck. Dabei werden die Gas- und die Substartausbeute der Anlage ständig weiter optimiert. „Wir entwickeln uns immer mehr zu einem flexiblen Kraftwerk“, so Reck. Schwerpunkt der Strom- und Wärmeproduktion liegt im Winterhalbjahr, im Sommer wird mit reduzierter Leistung gefahren. „Wir können das Wärmenetz so steuern, dass bei unseren angeschlossenen Haushalten die benötigte Vorlauftemperatur ankommt. So lassen sich Verluste bestmöglich vermeiden.
Die Gemeinde treibt das Projekt voran
Ohne Vertrauen zueinander und einer positiven Grundeinstellung lassen sich solche Projekte nicht umsetzen, lobte Roland Sauter, Bürgermeister von Argenbühl, die Zusammenarbeit. Für die Gemeinden ist die Energieversorgung ihrer Baugebiete ein großes Thema. Nahwärmenetze sind hier zunehmend gefragt, spätestens seit Russland in der Ukraine einmarschiert ist. Das Netz werde von der Gemeinde vorfinanziert. Ihr Geld bekomme sie dann von den Grundstückeigentümern wieder zurück. Pro Grundstück im Neubaugebiet koste der Anschluss rund 18.000 Euro, was im Kaufvertrag der Grundstücke gleich mit geregelt werde. „Wenn man das mit dem Kauf einer Wärmepumpe vergleicht, dann fahren Sie finanziell auf keinen Fall schlechter,“ zeigte sich Sauter überzeugt von dieser Lösung. Ob der Hauseigentümer die Nahwärme dann letztlich tatsächlich in Anspruch nehme oder nicht, müsse jeder selbst entscheiden. Mit diesem Anschlusszwang könnten die Bauherren gut planen und die Anschlussquote liege entsprechend hoch bei 100 Prozent, sagt Sauter. Wer als Bauherr den Anschluss wählt, erreiche einen hohen Energiestandard, komme dann für seinen Neubau auch einfacher an günstige Förderkredite. „Die ersten Bauplätze sind verkauft. Wir hoffen, dass ab nächstem Jahr gebaut wird“, so der Bürgermeister.
Verlässliche Rahmenbedingungen gefragt
„Problem für uns war, dass die Ampel drei oder viermal unsere ganzen Rahmenbedingungen über den Haufen geschmissen hat. Wir wünschen uns mehr Planungssicherheit“, meinte Batzill auf die Frage, was die Unternehmer von der Politik erwarten. Die Auslegung der Bundesnetzagentur für Agri-PV beispielsweise sei wichtig, um in das EEG hineinzukommen. Falls Änderungen in den Vorschriften vorgenommen werden, müsste das frühzeitig angekündigt werden. Die anderen Unternehmer sehen es ähnlich: „Das größte Risiko ist die Politik. Man weiß nicht, was denen als Nächstes einfällt“, hieß es. Auch zwischen den Bundesländern würden Gesetze oftmals unterschiedlich ausgelegt und interpretiert. „Hier wünschen wir uns ein einheitliches Vorgehen“, so ein Fazit. Für Moderator Franz Schönberger stand am Ende des Fachgespräches fest: „Wir Bauern in Oberschwaben sind nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.“
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