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Aulendorfer Wintertagung

Rinderbetriebe: Auf der Suche nach Nachhaltigkeit

Ob es die höheren Anforderungen an die Kälberhaltung, der Einsatz von Arzneimitteln oder die Folgen des Klimawandels sind: Milchviehbetriebe müssen zahlreiche Änderungen und Aufgaben bewältigen, um sich für die Zukunft ihres Betriebszweiges fit zu machen – so lautet ein Ergebnis der Aulendorfer Wintertagung, die sich vorvergangenen Freitag genau diesen Brennpunktthemen widmete und die sich über 150 Teilnehmer live im Landwirtschaftlichen Zentrum (LAZBW) und zum ersten Mal auch im Online-Chat nicht entgehen ließen.

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Gut ins Leben starten - mit genügend Milch und einer tiergerechten Aufstallung: Darauf legen Jonathan Bürkle und seine Familie auf ihrem Milchviehbetrieb in Loßburg-Ursental (Landkreis Freudenstadt) viel Wert. Der studierte Landwirt war einer der Referenten auf der jüngsten Aulendorfer Wintertagung Anfang Dezember am Landwirtschaftlichen Zentrum (LAZBW).
Gut ins Leben starten - mit genügend Milch und einer tiergerechten Aufstallung: Darauf legen Jonathan Bürkle und seine Familie auf ihrem Milchviehbetrieb in Loßburg-Ursental (Landkreis Freudenstadt) viel Wert. Der studierte Landwirt war einer der Referenten auf der jüngsten Aulendorfer Wintertagung Anfang Dezember am Landwirtschaftlichen Zentrum (LAZBW).privat
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Eines erscheint derweil unverrückbar: Neugeborene Kälber dürften ihre ersten Lebenswochen nicht mehr auf Dauer in Einzeliglus verbringen. „Die Einzelhaltung steht in der Kritik, weil sie für die Kälber mit einem hohen Maß an Einschränkungen verbunden ist“, begann Joschko Luib vom Landwirtschaftlichen Zentrum in Aulendorf seinen Vortrag über die künftigen Anforderungen an die Kälberhaltung. Eine treibende Kraft nehmen hierbei die Vorschläge und Pläne der Europäischen Union (EU) ein, die in ihrer „Farm to Fork (F2F)“-Strategie Tierwohl als eines der Kernelemente definiert hat.

Um den höheren Anforderungen an das Wohlbefinden der Jungtiere in Zukunft gerechter zu werden, wurde die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) damit beauftragt, wissenschaftliche Gutachten zu erstellen, die Verbesserungsvorschläge zu den verschiedenen, davon betroffenen Bereichen der Tierhaltung enthalten. Zusätzlich, so erläuterte es Luib, wurde das Projekt „Care4Dairy“ ins Leben gerufen, das Hinweise für mehr Tierwohl in der Rinderhaltung liefern soll.

Pärchenhaltung als Alternative

Beides zusammengenommen, Gutachten und Projekt, lieferten später die Grundlagen für die Vorschläge der EU-Kommission über die neuen Tierschutzvorschriften. „Die rechtlichen Vorgaben“, so bilanzierte es Luib, „werden kommen“. Zahlreiche Aspekte, wie sich das Tierwohl in der Kälberhaltung verbessern lässt, seien bereits umgesetzt worden oder sind schon Teil der Empfehlungen für eine tierwohlgerechtere Haltung der Jungtiere.

Knackpunkte dürften aus Sicht des LAZBW-Mitarbeiters jedoch bleiben: Wie lange können die Kälber künftig einzeln gehalten werden? Was sind die Alternativen? Wie viel Platz muss den Tieren in Zukunft mindestens zugestanden werden? Und: Wird es Vorgaben zur Mindestkontaktzeit zwischen Kuh und Kalb geben? Allerdings, das räumte der Referent ein, und dürfte für eine gewisse Entspannung bei den Milchviehhalten im Land sorgen, gebe es derzeit noch keine öffentlichen Vorschläge und entsprechenden Konkretisierungen für die neuen Richtlinien in der EU.

Eine Alternative, den Komfort für die Jungtiere zu erhöhen, könnte die Pärchenhaltung sein. Mit ihr ließen sich, so Luib, systembedingte Einschränkungen, wie sie durch die Einzelhaltung entstehen, vermeiden. Fest steht dabei: Die beiden zueinander gestellten Iglus mit einem gemeinsamen, eingezäunten Außenbereich, erhöhen zunächst den Aufwand für die Tierbetreuung und -beobachtung. Allerdings, das betonte Luib, seien die angestrebten tiergerechteren Lösungen mit einem überschaubaren Aufwand möglich. Die Kritik daran verfange entsprechend wenig. Genauso wie die Vorbehalte, dass paarweise gehaltene Kälber krankheitsanfälliger seien und sich häufiger besaugten. Eine Studie der EFSA aus diesem Jahr zeige vielmehr, dass das Krankheitsrisiko für Atemwegsinfekte mit der Gruppengröße und dem daraus resultierenden Stress für die Tiere steigt.

Kälber in Einzel- und Paarhaltung hatten laut dieser Auswertung ein zwölfprozentiges Risiko, an einer Atemwegsinfektion zu erkranken, bei Kälbergruppen mit zwölf bis 18 Jungtieren stieg dieses Risiko auf 30 Prozent, bei Gruppen mit 30 bis 40 Tieren auf 35 Prozent. Der Grund: Zu große Kälbergruppen werden unübersichtlich und einzelne Tiere eher übersehen. Als Folge davon nehmen die Gefährdungen für das Tierwohl zu. Auch das Argument, dass die gemeinsame Aufstallung das Risiko für das gegenseitige Besaugen erhöht, stellt die EFSA-Studie infrage. Vielmehr steige das Risiko für die Verhaltensauffälligkeit, wenn die Kälber hungrig seien, und die Milchaufnahme auf wenige Zeitpunkte beschränkt ist. Dadurch könnten die Tiere ihr natürliches Saugverhalten nicht befriedigen und besaugten sich gegenseitig.

Weniger stressanfällig

Noch einen Schritt weiter ging Jonathan Bürkle, studierter Landwirt vom gleichnamigen Bürkle-Hof in Loßburg-Ursental (Landkreis Freudenstadt), in seinem Referat. Das Fundament für die erfolgreiche Aufzucht der Kälber werde bereits in der Trockenstehphase der Kühe gelegt. Die Kühe müssen bedarfsgerecht gefüttert und ihre Trockenmasseaufnahme auf maximal 15 Kilogramm begrenzt werden. Zusätzlich benötigten die tragenden Kühe breitere Fressplätze, um in Ruhe fressen zu können. Bei den später geborenen Kälber komme es darauf, sie in den ersten vier Stunden mit mindestens 200 bis 250 Gramm Immunglobuline zu versorgen. Nur dann könne eine stabile Immunität bei den schutzlos geborenen Kälbern aufgebaut werden.

Aufgestallt werden die Jungtiere auf dem 140 Kühe zählenden Roboterbetrieb einzeln und in Paaren – jeweils vier Wochen lang. Danach wechseln die Kälber in die Gruppenhaltung. Getränkt werden die Tiere 80 Tage lang mit einer vollautomatischen Tränke mit bis zu sechs Milch- und MAT-Gaben. Laut Bürkle überwiegen die Vorteile in der Gruppenhaltung: Die Kälber erleben frühe soziale Kontakte, das Sauf-, Fress- und Lernverhalten profitiere von der paarweisen Aufstallung, sie sind weniger stressanfällig, wachsen besser und sind gesünder. Nachteilig sei hingegen, dass sich nicht alle Iglus für die paarweise Aufstallung eigneten, große Iglus schwer und unhandlich sind und der Reinigungsaufwand steigt. Dennoch überwiegen die Vorteile, wie Bürkle mit Zahlen belegte: Die Kälberverluste sind in den vergangenen drei Jahren auf unter ein Prozent (ohne Totgeburten) gesunken, die Tageszunahmen erreichten 800 bis 1000 Gramm, und das Erstkalbealter liegt aktuell bei 25 anstatt 29 Monaten.

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