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Studie der FAU Erlangen-Nürnberg

Biogasanlagen sichern Stromversorgung

Welche Rolle Biogasanlagen im Rahmen unserer künftigen Energieversorgung spielen sollten, hat die Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen (FAU) im Auftrag des Fachverbandes Biogas in einer umfangreichen Studie untersucht. Der Strombedarf in Deutschland wird steigen. Experten gehen von einem potenziellen Defizit von 49 Gigawatt Leistung bis 2030 aus.

von Matthias Borlinghaus Quelle Fachverband Biogas e.V. erschienen am 11.09.2024
„Eine Verdoppelung der bestehenden Biogas-Leistung von heute 6 auf 12 Gigawatt (GW) bis zum Jahr 2030 wäre problemlos möglich – ohne den Einsatz zusätzli-cher Substrate“, meinte der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide, auf der Pressekonferenz. © Screenshot Matthias Borlinghaus
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„Wir haben bereits knapp 10.000 Biogasanlagen in Deutschland. Die stehen schon da. Die haben eine Genehmigung. Die haben einen Standort. Die haben ein Trafo und die haben schon ein Netz,“ meinte der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. Der Umbau eines solches Anlagenbestandes sei wesentlich unkomplizierter und günstiger als der Bau komplett neuer Kraftwerke, so Seide. „Biogasanlagen im Bestand könnten viel schneller flexibilisiert werden, als neue Wasserstoffkraftwerke aufgebaut werden“, so Seide. Mit diesen Vorteilen will die Biogasbranche jetzt endlich besser punkten.

Positiv überrascht

„Mit dem Bekenntnis für Biogas hat Robert Habeck Ende August die Biogas-Branche positiv überrascht. Bis dahin hatten wir den Eindruck, dass das Wirtschaftsministerium die künftige Energieversorgung ohne den Energieträger Biogas behandeln möchte und auch Biogas insgesamt eigentlich keine mehr Rolle spielen soll“, meinte Dr. Claudius da Costa Gomez, Hauptgeschäftsführer des Biogasverbandes. Bereits im April dieses Jahres habe der Verband eine Studie für Biogas im künftigen Energiesystem bei Dr.-Ing. Jürgen Karl, Leiter des FAU- Lehrstuhls für Energieverfahrenstechnik, in Auftrag gegeben.

Ausschreibungsvolumen muss erhöht werden

Wenn der Strombedarf in Deutschland steigt und die bestehenden Stein- und Braunkohlekraftwerke abgeschaltet werden müssen, seien ab 2030 sichere Kraftwerke gefragt, die bei Bedarf, überwiegend im Winter in den sogenannten Dunkelflauten, genügend Strom bereitstellen. Damit das gelingt, brauche es neue Kraftwerke, die 30 bis 40 GigaWatt Strom liefern. Ob diese Kraftwerke, geplant seien vornehmlich Wasserstoffkraftwerke, aber bis 2030 tatsächlich gebaut sein werden und ans Netz gehen können, sei angesichts der derzeitigen Diskussionen über Planungen, Genehmigungen und Haushaltslöcher eher fraglich, so Horst Seide. „Das ist alles noch eine große Nebelwolke", meinte Seide. Seiner persönlichen Einschätzung nach sei man im Wirtschaftsministerium zu der Erkenntnis gelangt, dass der enge Zeitplan bis 2030 womöglich nicht eingehalten werden kann, was nun dazu geführt haben könnte, auf die von vielen bereits abgeschriebene Biogasbranche zuzugehen. Leider habe das Umdenken im Wirtschaftsministerium noch nicht dazu geführt, dass zur Auschreibung am 1. Oktober 2024 das Volumen angehoben wird. „So schnell waren sie jetzt doch nicht. Und das bedeutet, dass 2024 nicht genügend Auschreibungsvolumen zur Verfügung steht, um die bestehenden Anlagen am Netz zu halten“, kritisierte Seide. Er hoffe aber darauf, dass dies dann 2025 endlich der Fall sein wird. Die Zeit drängt.

Biogas reduziert Stromdefizit

Damit das gelingt, soll die vorgelegte Studie die Vorteile von Biogas entsprechend wissenschaftlich untermauern. „Die Kombination von wasserstoff- und biogasbasierten Reservekraftwerken könnte das maximale Stromdefizit einer sogenannten Dunkelflaute halbieren und die dabei anfallenden Kosten erheblich reduzieren“, sagte Prof. Dr.-Ing. Jürgen Karl, Leiter des FAU- Lehrstuhls für Energieverfahrenstechnik, im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der FAU mit dem Fachverband Biogas e.V.. Konkret kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass über eine Nachrüstung von Biogasanlagen mit Biogasspeichern in Kombination mit der Überbauung bestehender Blockheizkraftwerke bis 2030 rund 12 Gigawatt (GW) gesicherte Leistung zur Verfügung gestellt werden könnten. In Kombination mit Wasserstoffkraftwerken stünden damit insgesamt 25,9 GW Reserveleistung zur Verfügung.

Stromkosten in Schach halten

Die dafür notwendigen Investitionen in die Biogasbranche sind um den Faktor 1,9 bis 3,7 niedriger als bei wasserstoffbasierten Reservekraftwerken. Dies wirke sich auch auf die Stromgestehungskosten aus, erläuterte Prof. Karl. „Bei mit Wasserstoff betriebenen Kraftwerken ergeben sich laut unseren Berechnungen für das Jahr 2030 Stromgestehungskosten von circa 49 bis 133 ct/kWhel, bei biogasbasierten Kraftwerken sind es 25 bis 44 ct/kWhel.“ Auch die Biogasaufbereitung mit anschließender Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz oder die Methanisierung des CO2-Anteils von Biogas mit grünem Wasserstoff aus der Elektrolyse bieten große Potenziale, ergänzte Karl. Er wies zudem darauf hin, dass Biogasanlagen wesentlich zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen. Sein Fazit: „Wir dürfen die Chance Biogas nicht fahrlässig ungenutzt lassen. Wir müssen die Versorgungssicherheit garantieren und dafür alle vorhandenen Reserven nutzen.“

Wichtige Entscheidungen

Eine Erhöhung des Ausschreibungsvolumens auf 1.800 Megawatt (MW) pro Jahr sowie eine Anhebung des Flexibilitätszuschlags auf 120 Euro sei dringend notwendig, betonte Seide. Für viele der bestehenden Anlagen endet in Kürze die EEG-Vergütung; sie brauchen jetzt eine Perspektive für den Weiterbetrieb. „Um diesen großen und wichtigen Kraftwerkspark zu erhalten, brauchen die Betreiber dringend zeitnahe Änderungen im EEG – in wenigen Jahren könnte es zu spät sein“, mahnte Seide. Dies sei auch vor dem Hintergrund der regionalen Wärmeversorgung von großer Relevanz. Aktuell werden knapp 400.000 Haushalte in Deutschland mit Biogaswärme versorgt, darüber hinaus hunderte Schulen, Schwimmbäder und Turnhallen. Wenn die Anlagen ihren Betrieb einstellen, brächen diese auch als Wärmequellen weg.

Die Studie steht unter www.evt.tf.fau.de zum Downloaden bereit.

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