
Gewappnet gegen Druse, Herpes und Co.
Den Gedanken, im eigenen Stall könnte eine ansteckende Pferdekrankheit ausbrechen, schiebt man gerne von sich. Dabei ist es wichtig, vorbereitet zu sein, wenn es dazu kommt.
von Gisela Ehret, freie Agrarjournalistin, Merzhausen Quelle Gisela Ehret, freie Agrarjournalistin, Merzhausen erschienen am 17.06.2025Es ist der Albtraum vieler Pferdehalter: Druse oder Herpes im eigenen Bestand zu haben. Ausbrüche dieser Infektionskrankheiten in der näheren Umgebung des Betriebes sorgen regelmäßig für Panik. Denn viele Betriebe sind überhaupt nicht vorbereitet auf eine solche Situation. Kommt es zu einer Infektion im eigenen Stall, ist es oft schon zu spät. Denn wenn die Infrastruktur fehlt, kann man notwendige Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit schlecht umsetzen. Das kann unter Umständen Pferdeleben kosten. Deshalb sollte man sich frühzeitig Gedanken machen.
Nicht alle Betriebe sind gleich gefährdet, wie Prof. Angelika Schoster von der Pferdeklinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München erklärt: „Ein Privatstall hat weniger Herausforderungen als ein Pensionsstall mit 40 Pferden.“ In Ställen mit viel Durchgangsverkehr und häufigem Pferdewechsel wie Turnier-, Handels- und Zuchtställen ist das Risiko, eine übertragbare Krankheit in den Betrieb zu schleppen, sehr hoch. Stark gefährdet sind auch Aufzuchtbetriebe oder Fohlenweiden, da die Jungtiere anfälliger sind für Erkrankungen. „Fohlen fungieren als Virusaustauschbörsen, ähnlich wie Kinder in der Kita“, berichtet Schoster. Aber auch in Betrieben, in denen alte neben jungen und Turnierpferde neben Freizeitpferden stehen, ist die Gefahr groß: „Je gemischter die Population und je mehr Kontakt zu externen Pferden, desto höher das Risiko.“ Wie Schoster erklärt, übertragen rund 80 Prozent der Pferde weltweit Herpes. Einmal infiziert, scheiden die Pferde das Virus oft ein Leben lang aus. Auch bei der Druse gibt es stille Träger, die keinerlei Symptome zeigen. Die Ausrottung dieser Krankheiten ist daher fast unmöglich. Umso wichtiger ist die Vorbeugung.
Krankenstall einrichten
Das Wichtigste im Seuchenfall ist eine oder mehrere Krankenboxen, in denen erkrankte Pferde untergebracht werden können. Diese müssen etwas abseits der anderen Boxen angeordnet sein, damit eine Infektion über Tröpfchen ausgeschlossen werden kann. „Die Erreger werden drei bis zehn Meter weit gespuckt“, warnt Schoster. „Das kranke Pferd darf sich deshalb nicht direkt gegenüber in der Stallgasse befinden.“ Damit das Pferd seinen Kopf nicht herausstrecken und Körperkontakt zu anderen Pferden aufnehmen kann, sollte die Box mit Gitterstäben geschlossen sein. Sichtkontakt zu anderen Pferden ist wünschenswert, das beruhigt die separierten Pferde. Allerdings findet die Tierärztin: „Es ist einem Pferd zumutbar, für ein paar Wochen allein zu sein, wenn es krank ist. Das ist noch nicht tierschutzwidrig.“ Leider fehlt eine Krankenbox in vielen Betrieben. Sie sollte schon beim Bau einer Reitanlage mit eingeplant werden. Dabei sollte man beachten, dass alle Flächen leicht zu reinigen sind. Auch eine Vorrichtung zum Waschen der Hände und einen Platz zum Wechseln der Kleidung sollte es geben.
In bereits bestehenden Ställen können möglicherweise Boxen angebaut werden, um bei Bedarf kranke Tiere unterzubringen. Oder es werden am Ende der Stallgasse immer eine oder mehrere Boxen freigehalten. Welches die beste Lösung ist, dabei kann der Hoftierarzt beraten – „er kennt die Gegebenheiten vor Ort am besten“, so Schoster. Gibt es keinen Quarantänebereich, muss im Ernstfall schnell ein provisorischer hergerichtet werden – beispielsweise mit einer Weidehütte auf einer abgelegenen Koppel, oder indem man eine Scheune vorübergehend als Krankenstall nutzt. Wer sich hierüber schonmal Gedanken gemacht hat und notwendiges Equipment wie Zelte oder mobile Panels bereithält, kann auf Krankheitsausbrüche entspannter reagieren. Bereithalten sollte man auch ausreichend Mittel zur Reinigung und Desinfektion sowie mehrfache Ausführungen von Stallgeräten wie Schubkarren, Mistgabeln und Eimer. Denn im Seuchenfall werden die Pferde oft in verschiedene Gruppen unterteilt:
1. Pferde mit Symptomen
2. Symptomlose Pferde mit Kontakt zu den erkrankten Pferden
3. Pferde ohne Kontakt zu den erkrankten Pferden
Geräte, Halfter und Zubehör dürfen dann keinesfalls von einem Stalltrakt in den anderen verbracht werden, und wenn doch, muss man sie vorher gründlich reinigen und desinfizieren. Auch die Kleidung und Schuhe müssen gewechselt werden, bevor man von einem Stalltrakt in den anderen wechselt. Idealerweise hat die Krankenbox deshalb einen eigenen kleinen Vorraum oder zumindest ein Vordach, unter dem man die separaten Gerätschaften unterbringen kann.
Wichtig ist, dass die Pferde immer von den gleichen Personen versorgt werden und alle Beteiligten, also auch die Pferdebesitzer und Reitbeteiligungen, die Hygieneregeln kennen und beachten. Der Stallbesitzer ist daher in der Pflicht, das Vorgehen klar zu kommunizieren und eventuell durch Schilder zu untermalen. Das gilt auch für eventuelle Besuchseinschränkungen. Denn im Fall eines Seuchenausbruchs kann es passieren, dass Reitlehrer, Hufbearbeiter, Sattler oder andere Berufsgruppen, die Krankheiten von einem Betrieb in den nächsten schleppen könnten, den Hof nicht mehr oder nur unter strengen Hygieneauflagen betreten dürfen. Im Idealfall erstellt jeder Stallbetreiber ein Konzept zum Umgang mit ansteckenden Krankheiten und hält das schriftlich in einer Art Notfallplan fest. Eine gute Hilfestellung dafür gibt der Hygieneleitfaden Pferd der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).
Vorgehen bei Krankheitsausbruch
Entwickelt ein Pferd auffällige Symptome wie Fieber, starken Husten, Nasenausfluss oder Durchfall, sollte sofort der Tierarzt verständigt werden. Je nach Ergebnis der Untersuchung wird ein Behandlungsplan erstellt und eventuell notwendige Laboruntersuchungen eingeleitet. Besteht der Verdacht auf eine ansteckende Krankheit, sollte das Pferd schon jetzt isoliert werden, ebenso wie alle weiteren Pferde, die Symptome entwickeln. Ist die Diagnose dann endgültig und handelt es sich um eine ansteckende Krankheit, wird der Tierarzt Maßnahmen anordnen, um den Ausbruch zu kontrollieren. Diese Maßnahmen hängen auch davon ab, ob es sich um eine melde- oder gar eine anzeigepflichtige Tierseuche handelt:
- Meldepflichtige Krankheiten müssen dem Veterinäramt zwar gemeldet werden, es werden aber keine Bekämpfungsmaßnahmen von staatlicher Seite angeordnet. Ein Beispiel für eine meldepflichtige Seuche ist die Equine Virus Arteritis.
- Bei anzeigepflichtigen Krankheiten dagegen muss schon der Verdacht auf eine Infektion angezeigt werden. Diese Anzeigepflicht besteht nicht nur für Tierärzte, sondern auch für Landwirte und Pferdebesitzer. Daraufhin werden Maßnahmen für die Quarantäne und Bekämpfung angeordnet. Ein Beispiel für eine anzeigepflichtige Krankheit ist die Equine Infektiöse Anämie.
- Ist eine Krankheit weder melde- noch anzeigepflichtig, so gibt es keine gesetzliche Regelung. Das Vorgehen wird dann allein in Absprache zwischen Betrieb und Tierarzt bestimmt. Solche Krankheiten sind zum Beispiel Druse- und Herpesinfektionen.
Vorbeugen ist besser
Um das Risiko eines Seuchenausbruchs im Pferdestall gering zu halten, kann man eine Menge tun. Beispielsweise bei der Futterlagerung: So sollten Futtersilos, Raufen und Tröge regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden, um die Übertragung von Keimen zu reduzieren. Das Gleiche gilt für Tränken. Nur Pferde, die in einer Gruppe gehalten werden, sollten Raufen, Tröge und Tränken gemeinsam nutzen. So verhindert man die Krankheitsübertragung auf andere Stallgruppen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Übertragung von Keimen über Insekten, Nager oder Vögel – hier sollte man Maßnahmen treffen, um das Vorkommen gering zu halten, und alle Futter- und Tränkeinrichtungen sauber halten. Bei Infektionen der Augen können Fliegenmasken die Übertragung von Pferd zu Pferd verhindern.
Besonders im Hinblick auf Darmparasiten müssen Weiden und Paddocks regelmäßig abgeäppelt werden. Halfter, Putzzeug, Decken und sämtliches anderes Zubehör sollten für jedes Pferd separat vorhanden sein und nur für dieses genutzt werden. Auch dieses Zubehör sollte von Zeit zu Zeit gründlich gereinigt werden. Welche Art der Reinigung Krankheitserreger zuverlässig abtötet, ist abhängig von den Erregern und vom verwendeten Material. So stellten Forscher aus Schweden vor zwei Jahren fest, dass Nylonhalftern nach einer Reinigung bei 40 Grad in der Waschmaschine immer noch Druse-Erreger anhafteten. Diese sollten also bei 60 Grad gewaschen werden, so die Empfehlung der Wissenschaftler. Materialien aus Leder sind leichter von Krankheitserregern zu befreien.
In regelmäßigen Abständen sollte auch der gesamte Stall gründlich gereinigt und desinfiziert werden. Das betrifft auch die Stallgeräte, Maschinen und alle Plätze, wo sich Pferde aufhalten. Besonders wichtig ist die Reinigung, bevor ein neues Pferd eine Box bezieht oder nach einem Krankheits- oder Todesfall. Aber auch ohne besondere Vorkommnisse sollte man einmal jährlich eine gewisse Grundsauberkeit herstellen, beispielsweise in Form eines Frühjahrsputzes. Außerdem empfiehlt die Tierärztin, den Bestand in mehrere homogene Gruppen einzuteilen. So könnte man zum Beispiel die trächtigen Stuten auf einer Seite unterbringen, die Jungpferde auf der anderen. Wichtig ist auch eine gute Handhygiene. Auch Besucher kann man mit Hinweisschildern darum bitten, nach jedem Pferdekontakt die Hände zu waschen. So werden Keime nicht durch das Streicheln übertragen.
1In Pferdeställen verändert sich der Bestand sehr häufig. Damit geht eine große Gefahr einher. Denn so können Pferde fremde Erreger einschleppen. „Die meisten Infektionskrankheiten haben eine Inkubationszeit von maximal einer Woche“, erklärt Schoster. Aus diesem Grund sollten Pferde grundsätzlich nicht direkt in den Hauptstall gestellt werden, sondern zunächst in den Quarantänebereich, in dem sie eine, besser zwei Wochen verbleiben sollten. Mindestens aber sollte man sie zwischen zwei freie Boxen stellen, nicht direkt neben ein anderes Pferd. In dieser Zeit sollte man den Gesundheitsstatus täglich überprüfen, damit Auffälligkeiten frühzeitig bemerkt werden. Dazu gehört auch das Fiebermessen. Nicht nur neue Pferde, sondern auch kurzzeitige Besuchspferde oder Rückkehrer von Turnieren und anderen Veranstaltungen sollten so behandelt werden. Viele Betriebe verlangen mittlerweile ein Gesundheitszeugnis von Neuankömmlingen – das ist eine Bestätigung eines Tierarztes, dass das Pferd frei von Krankheitsanzeichen ist. Zusätzlich sollten der Impfstatus und die letzte Entwurmung belegt werden können.
Zum Thema Impfen herrscht bei Pferdebesitzern Uneinigkeit und auch viel Halbwissen. Klar ist, dass das Impfen gegen hochansteckende Krankheiten wie Influenza oder Herpes ganze Bestände vor Ausbrüchen schützen und unter Umständen auch Todesfälle verhindern kann. Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (Stiko Vet) unterscheidet bei den Impfungen für Pferden zwischen den Core-Komponenten, die dringend für alle Pferde empfohlen werden, und den Non-Core-Komponenten, die je nach Situation empfehlenswert sind. Unter den Core-Komponenten laufen derzeit Impfungen gegen Tetanus, Influenza und Herpes. Non-Core-Komponenten sind beispielsweise Vakzine gegen das West-Nil-Virus, Druse, Tollwut oder Equine Virale Arteriitis.
Während die Tetanus-Impfung nur alle zwei bis drei Jahre wiederholt werden muss, sollte man gegen Herpes und Influenza zweimal jährlich impfen – je nach Infektionsdruck sogar noch häufiger. Dadurch wird die Impfung recht teuer – viele Pferdebesitzer scheuen sie nicht zuletzt deswegen. Bei der Herpesimpfung kommt hinzu, dass sie nicht immer zuverlässig vor einer Ansteckung schützt. Sie mindert aber in jedem Fall den Krankheitsverlauf ab. Das vorrangige Ziel der Herpesimpfung ist es, den Infektionsdruck zu vermindern und damit die Krankheitsfälle deutlich zu reduzieren, weswegen diese Impfung auch nur als Maßnahme für den gesamten Bestand zum Erfolg führt, so die Stiko Vet. Dieses Vorgehen schützt besonders die stark gefährdeten Gruppen wie Jungtiere und ältere Pferde. „Der Betreiber eines Stalls sollte einen Stalltierarzt vorgeben, mit dem eine Impf- und Entwurmungsstrategie entwickelt wird, und der auch im Krankheitsfall den Bestand betreut“, rät Schoster. Im Einstellvertrag sollte festgelegt werden, welche Impfungen im Betrieb vorgeschrieben sind. Für die Teilnahme an Turnierveranstaltungen schreibt die FN eine Impfung gegen Influenza verpflichtend vor. Die Impfpflicht gegen Herpes wurde im April vergangenen Jahres wieder aufgehoben, nachdem sie erst 2023 in Kraft getreten war. Die Impfung wird aber weiterhin dringend empfohlen. Schoster hat dafür kein Verständnis. „Die Impfung ist ein wichtiges Tool“, betont sie. „Sportpferde sind hoch gefährdet, zu erkranken. Sie haben Stress und treffen bei den Veranstaltungen auf viele andere Pferde.“
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.