Obst, Gemüse, Garten spüren regionale Nachfrage besonders
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„Unsere Mitgliedsunternehmen haben sich mit aller Kraft und viel Kreativität gegen die Folgen der Krise gestemmt“, sagte Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), bei der digitalen Jahres-Pressekonferenz des Verbands. Allerdings falle die Betroffenheit durch Corona je nach Branche und geschäftspolitischer Ausrichtung sehr unterschiedlich aus. Das laufende Jahr ist aufgrund der andauernden Pandemie noch von großen Unsicherheiten geprägt. „Auch in der Krise wurde die Stärke und Robustheit des genossenschaftlichen Geschäftsmodells eindrucksvoll unter Beweis gestellt“, ist Glaser überzeugt. „Die Menschen haben gespürt, wie wich-tig und wertvoll regional tätige Unternehmen sowie vor Ort erzeugte Produkte und Dienstleistungen sind – in der Landwirtschaft, aber auch in vielen anderen Bereichen. Genau das leisten unsere Genossenschaften.“
Landwirtschaft: Stabile Umsätze und spürbar mehr Wertschätzung
Die 311 landwirtschaftlichen Genossenschaften in Baden-Württemberg haben ihre Umsätze im Jahr 2020 leicht um 0,3 Prozent auf 3,66 Milliarden Euro gesteigert. In der allgemeinen Warenwirtschaft sind die Erlöse der 43 Genossenschaften (inklusive des Warengeschäfts der Genossenschaftsbanken) um 4,2 Prozent auf 1,11 Milliarden Euro gesunken.
Die Umsätze der 21 Obst-, Gemüse- und Gartenbau-Genossenschaften beziehungsweise -Vertriebsgesellschaften haben sich im Jahr 2020 um 10,5 Prozent auf 543 Millionen Euro erhöht. Die 107 Winzer- und Weingärtnergenossenschaften in Baden-Württemberg hielten ihre Umsätze stabil bei 448 Millionen Euro (minus 0,4 Prozent). Molkereien und Milcherzeuger können ebenfalls auf ein solides Jahr zurückschauen: Die Umsätze der sechs genossenschaftlichen milchverarbeitenden Betriebe stiegen 2020 um insgesamt 7,4 Prozent auf 886 Millionen Euro.
Einen Umsatzrückgang um 4,6 Prozent auf 419 Millionen Euro hatte die Viehwirtschaft zu verzeichnen. Vor dem Hintergrund des anhaltenden Strukturwandels verringerte sich die Zahl der Mitglieder bei landwirtschaftlichen Genossenschaften um 2.500 auf 95.200.
Neu gegründet
Neun Genossenschaften sind 2020 in den unterschiedlichsten Feldern gegründet worden, in diesem Jahr waren es bisher bereits sechs. Einen Schwerpunkt bei den Gründungen der vergangenen Jahre bilden Genossenschaften im kommunalen Umfeld: Neben der ärztlichen Versorgung stehen Themen wie Mobilität, Betreuung, Pflege, Bildung und die Entwicklung von Stadtquartieren auf der Agenda.
Neuer Trend: Datengenossenschaften für den Mittelstand
Im hochaktuellen Thema Daten- und Plattformökonomie gewinnen genossenschaftliche Lösungen ebenfalls zunehmend an Bedeutung. „Denn gerade für kleine und mittlere Unternehmen sind die bürokratischen und finanziellen Einstiegshürden in die wertschöpfungssteigernde Nutzung von Daten oftmals zu hoch“, so BWGV-Präsident Glaser. In einer Datengenossenschaft können diese Barrieren gemeinsam überwunden werden, ohne dass die einzelnen Unternehmen ihre Selbstständigkeit aufgeben müssen oder in die Abhängigkeit eines übermächtigen Plattformbetreibers gezogen werden. Das komme auch für landwirtschaftliche Betriebe infrage.
Wie sogenannte Datengenossenschaften funktionieren können, untersucht der BWGV derzeit gemeinsam mit dem Ferdinand-Steinbeis-Institut und der Universität Stuttgart in einem seitens des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg geförderten Pilotprojekts.
Enormes Potenzial für genossenschaftliche Betriebsnachfolge
Besonders gut eignen sich genossenschaftliche Lösungen auch für Heraus-forderungen in kleinen und mittleren Unternehmen – etwa beim drängenden Thema der Betriebsnachfolge. „Bereits drei gute Mitarbeiter genügen, um eine Genossenschaft zu gründen und so den Betrieb gemeinsam fortzufüh-ren“, berichtet Glaser. Der bisherige Inhaber kann seinen Betrieb in vertraute Hände geben und benötigt keinen einzelnen Käufer, der alles alleine über-nimmt. Zudem besteht die Möglichkeit, dass der bisherige Inhaber etwa für einige Jahre Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft wird und den Betrieb und die neue Geschäftsleitung so weiter begleiten kann. Der BWGV sieht in den kommenden Jahren ein enormes Potenzial für Genossen-schaftsgründungen zur Nachfolgeregelung beziehungsweise Mitarbeiterbe-teiligung. Das trifft vor allem auf das Handwerk zu, in dem der Bedarf be-sonders hoch ist. „Durch Genossenschaften können hier viele Betriebe wei-tergeführt und auch Arbeitsplätze erhalten bleiben“, sagt Glaser.
Gewerbliche Genossenschaften wachsen trotz Corona
Der Gesamtumsatz aller 311 gewerblichen Waren- und Dienstleistungsge-nossenschaften in Baden-Württemberg legte trotz der Corona-Pandemie um 4,6 Prozent auf 5,46 Milliarden Euro zu. Die gewerblichen Genossenschaften decken fast die gesamte wirtschaftliche Bandbreite ab – vom Kinderarzt über Handelsgenossenschaften, Kooperationen aus dem Handwerk, Energiegenossenschaften und Dorfläden bis hin zu Kaminbauern, Softwareschmieden und Beratern.
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