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Mitgliederversammlung in Kempten

100 Jahre Süddeutsche Butter- und Käse-Börse

Gegründet am 21. Juni 1921 steht die Süddeutsche Butter- und Käse-Börse im Zeichen eines ganz besonderen Jubiläums. Die Börse ist 100 Jahre alt. Grund genug, auf der Mitgliederversammlung am 28. Oktober 2021 im Gasthof Waldhorn in Kempten auf die 100 Jahre zurückzublicken. Das geplante Fest musste wegen Corona abgesagt werden. Dafür gab es eine Festschrift zum Mitnehmen.

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  100 Jahre Süddeutsche Butter- und Käsebörse: Geschäftsführer Clemens Rück erläuterte im Jubiläumsvortrag, wie die wöchentlichen Notierungen für Butter, Emmentaler sowie Milch- und Molkenpulver zustande kommen und wie sich das Notierungsgeschehen im Laufe der Jahre verändert hat.
100 Jahre Süddeutsche Butter- und Käsebörse: Geschäftsführer Clemens Rück erläuterte im Jubiläumsvortrag, wie die wöchentlichen Notierungen für Butter, Emmentaler sowie Milch- und Molkenpulver zustande kommen und wie sich das Notierungsgeschehen im Laufe der Jahre verändert hat. Borlinghaus
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"Rumms! Butterpreis katapultiert gewaltig nach oben!", meldet der Verband der Milcherzeuger Bayern e.V. in seinem Newsletter am 29. Oktober. Im monatlichen Rundschreiben der Molkereien heißt es: "Der Kieler Rohstoffwert erhöht sich im September um 2,4 Cent/kg auf 38,9 Cent/kg".

Die Grundlage für solche Nachrichten kommen von der Süddeutschen Butter- und Käse-Börse aus Kempten. Jeden Mittwoch finden dort seit über 100 Jahren Preisnotierungen statt. Ihre Marktberichte formulieren die Börsianer betont sachlich. Beispiel Buttermarkt:..... Die  bestehenden Kontrakte mit dem Lebensmitteleinzelhandel passen jedoch  nicht mehr zu den jüngsten Entwicklungen. Aktuell werden neue Verhandlungen geführt. Man geht davon aus, dass ab dem  nächsten Monat eine  deutliche  Erhöhung  stattfinden  könnte....". Die Tendenz für die 250 g Butter lautet: "sehr gute Nachfrage"; bei der Blockbutter steht: "geringes Angebot wegen knappem Rohstoffangebot". Für die 250 g Butter empfiehlt die Börse eine Preispanne von netto 4,14 bis 4,87 Euro/kg (Vorwoche 4,14 bis 4,87 Euro/kg), bei der Blockbutter sind es: 5,20 bis 5,40 Euro/kg (4,70 bis 5,00).

Kempten ist stolz auf die Börse

Vor 100 Jahren hatte der Vorgänger im Amt des heutigen Kemptener Oberbürgermeister Thomas Kiechle, der damalige OB Dr. Otto Merkt, die Börse als eigenständigen Verein gegründet – ein Notierungssystem, das damals erst nach mehreren Anläufen überhaupt zustande kam. Aus den Wirren und den schwierigen wirtschaftlichen Zeiten des 1. Weltkrieges heraus musste sich die Landwirtschaft irgendwie behaupten. Hersteller und Händler sollten an einen Tisch. Nur so konnte Transparenz und Vertrauen in die Markt- und Preisbildung entstehen, in einer Zeit, in der „an die Stelle widerstrebender und mehr oder weniger unkontrollierbarer Meinungen als objektive Grundlage die Notierungen bestimmter Geschäftsvorfälle zu treten habe …..“, so ein Zitat von Otto Merkt, das Kiechle in seinem Grußwort vortrug. Dass die Börse heute in der Öffentlichkeit mehr oder weniger unbekannt ist, schmälere ihre Bedeutung nicht. Im Gegenteil: „Ich glaube, dass sich der Zusammenschluss von Produzenten und Händlern absolut bewährt hat. Wir jedenfalls sind stolz, in der Stadt so eine Einrichtung zu haben, die zur Institution geworden ist“, gratulierte Kiechle herzlich und zeigte sich zuversichtlich für die Zukunft: „Gute Lebensmittel werden von uns erzeugt. Sie dürfen nicht in ein Wechselspiel von Halbwahrheiten geraten. Es ist unsere Verantwortung, die wir für die Gesellschaft tragen, dieses Bild immer wieder zurechtzurücken.“

Bedeutung für die Milchwirtschaft

In zwei weiteren Grußworten gratulierten zum Jubiläum der Fraktionsvorsitzende der CSU im Bayerischen Landtag Thomas Kreuzer sowie Stefan Hiebl, Ministerialrat aus dem Bayerischen Staatsministerium. Kreuzer hob die Bedeutung der Milchwirtschaft hervor und bedankte sich bei allen, die über die Jahre hinweg zum Wohl aller Marktpartner Preise und Notierungen ermittelt haben. Unter den Gästen waren auch die langjährigen Vorsitzenden der Börse, Helmut Schöner und German Umhau. Hiebl erinnerte daran, dass die Börse von der Knappheit bis zur Überproduktion alle Marktentwicklungen erfolgreich abgebildet habe und ihre Bedeutung weiterhin groß sei. Laut einer ife-Umfrage zum Beispiel hätten Ende 2020 die Molkereien bei 42 Prozent ihrer Lieferbeziehungen Festpreismodelle angeboten, von denen die meisten über die Leipziger Börse EEX abgewickelt werden. Ein Großteil der Daten hierfür kommt aus Kempten. „Somit ist die Butter- und Käse-Börse wichtiger denn je“, meinte Hiebl. Mit Blick auf den Umbau der Nutztierhaltung berichtete Hiebl, dass es in Bayern noch 15.000 Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung gebe und dass es politisches Ziel sei, möglichst viele dieser Betriebe auf Laufstall oder Kombihaltung umzustellen. Hierfür wurde eine Beratungsinitiative gestartet und die Förderung für den Umbau deutlich ausgebaut.   

Börse bringt Ruhe in den Markt

Wie der Börsenvorsitzende Heinz Hahn berichtete, habe der Milchmarkt insgesamt die Coronapandemie bis dato trotz aller Schwierigkeiten gut überstanden, die Versorgung sei stets gesichert gewesen. Derzeit nehme die Versorgungsknappheit bei den Rohstoffen zu. "Viele bangen bereits ums Weihnachtsgeschäft. Der Kampf um die Produkte verschärft sich. Wir versuchen Beruhigung in den Markt zu bringen, soweit uns dies möglich ist", so Hahn. Wichtig sei der Zusammenhalt und die Unterstützung untereinander. Der Grundsatz der Börse nach Wahrheit und Klarheit sei brandaktuell. Hahn bezeichnete die Börse als Motor für den reibungslosen Ablauf des komplexen Notierungssystems. Das erworbene Vertrauen der Handelspartner in die Arbeit der Börse sei Verpflichtung und Ansporn zugleich. Rechtlich abgesichert wurde die Tätigkeit der Börse ab 1952 durch eine Bundesverordnung. Zuletzt wurde die Verordnung über Preisnotierungen für Butter, Käse und Milcherzeugnisse im Jahr 2011 novelliert, seitdem gibt es zwei Börsenstandorte in Deutschland. Neben Kempten ist das Hannover, wo bundesweit Schnittkäse notiert wird.

Von der Postkarte bis zum Online-Meldung

Wie Geschäftsführer Clemens Rück berichtete, hat sich das Börsengebiet im Laufe der Jahrzehnte von Bayern und Baden-Württemberg bis nach Sachsen ausgedehnt. Mit der Milchpulver- und Molkenpulver-Preisermittlung im Jahr 2009 und der nationalen Butternotierung 2011 vergrößerte sich das Erfassungsgebiet auf das gesamte Bundesgebiet. Die Meldedokumente wandelten sich von der Postkarte, über das Fax bis zur online-Meldung. Jede Woche, meist nach der Notierung am Mittwoch, werden die veröffentlichten Daten von rund 2500 Nutzern im Internet abgerufen. Bei den Produkten gab es immer wieder Verschiebungen. Von der ersten Stunde an mit dabeigeblieben seien lediglich die Markenbutter und der Allgäuer Emmentalerkäse. Der traditionsreiche Limburger zum Beispiel wird seit 2019 nicht mehr notiert, ebenso eingestellt wurde unlängst auch die Notierung beim Tilsiter. Rück zeigte die Preiskurven von unterschiedlichen Produkten, dabei wurde deutlich, dass ab den 2000er-Jahren die Schwankungen deutlich zugenommen haben.

Blick auf die Gründerzeit

Zum Beginn des 20. Jahrhunderts sah es in Kempten ganz anders aus als heute, berichtete der ehemalige Geschäftsführer Emmerich Heilinger im Gastvortrag. Es wurde Milchwirtschaft betrieben und reichlich gehandelt. 1915 zum Beispiel gab es 22 Käsegroßhändler in der Stadt, milchwirtschaftliche Organisationen waren im gesamten Allgäu verteilt. Ein Schwerpunkt lag dabei in Memmingen mit der Milchwirtschaftlichen Untersuchungsanstalt und der Melkerschule. OB Merkt wollte „sein“ Kempten zum Zentrum der Allgäuer Milchwirtschaft machen. So wurde ein Haus der Milchwirtschaft eingerichtet, mit dem Milchwirtschaftlichen Verein, dem Käsegroßhandelsverband und dem Kreismolkereirat für Schwaben sowie der milchwirtschaftlichen Untersuchungsanstalt. Zusammengefasst wurden diese Bereiche in der Allgäuer Butter- und Käse-Börse. Erster Börsenplatz war das Kemptener Kornhaus, das umgeben war von vielen Wirtshäusern - hervorragend geeignet zum Meinungsaustausch.

Werbung für Käse aus dem Allgäu

Wie die Süddeutsche Molkerei-Zeitung in ihrer Ausgabe am 23. Juni 1921 schreibt, ist die Börse noch in einer Zeit der Zwangswirtschaft gegründet worden. Zweck des Vereins sei es, für Milch, Butter und Käse im Allgäuer Erzeugergebiet Angebot und Nachfrage zu vermitteln und zuverlässige Preisunterlagen zu schaffen. Zuständig war die Börse damals auch für die Öffentlichkeitsarbeit, so Heilinger. Was muss der Konsument von der Allgäuer Butter- und Käse-Börse wissen?, titelte das erste Flugblatt, das auch auf der DLG-Ausstellung 1929 am Börsenstand verteilt wurde. Jeder sollte wissen, dass es in Deutschland für Molkereierzeugnisse nur eine Börse gibt, beziehungsweise dass der deutsche Käse aus dem Allgäu kommt. Die Werbebotschaft: „Ein deutscher Bauer im südlichen Teil des Deutschen Reiches dankt es Dir.“

Alle an einen Tisch

Zur Börse gehörten der Landwirt, der Milch erzeugt, der selbständige Käser, der Butter und Käse auf eigene Rechnung und Gefahr herstellt, in dem er von Genossen eine Milch kauft und in ihrer Sennereigenossenschaft für eine gewisse Zeit verarbeitet, der Großerzeuger, das ist jemand, der mehrere Sennereien gepachtet hat, die er durch angestellte Käser betreiben lässt. Hinzu kamen reine Händler, die Export betrieben, es gab Fertiglagerer, die junge Ware von den Sennereien aufkauften, bis zur Konsumreife lagerten und dann weiterverkauften. Anschließend bildeten sich die genossenschaftlichen Verbände, die für die Bauern den Absatz in die Hand nahmen und auch die Milchindustrie, die Kondensmilch und Milchpulver, Milchzucker und Schmelzkäse herstellte und auch Spezialkäse wie Camembert: Sie alle wurden in das Börsengeschehen mit eingebunden.

Endlich "gerechte" Preise für die Bauern

Von Anfang an stand fest: Die Börse selbst macht niemals Geschäfte. Der Milchpreis richtete sich von nun an nach der Höhe der erzielten Preise im Börsengebiet und nicht mehr nachdem, was ein bestimmter Händler bereit war zu zahlen. Für die Landwirte war das ein großer Fortschritt. Wie ein Börsentag ablief, veranschaulichte die Süddeutsche Molkerei-Zeitung im Jahr 1929 in einer Karikatur. Oben im Bild links der Vorsitzende Dr. Merkt. Er hat die Szenerie im Blick. Links daneben sieht man den Geschäftsführer, der die neuen Notierungen verkündet, am Tisch sitzen der Käser vom Lande, ihm gegenüber der Großhändler aus der Stadt. Paralell dazu laufen in den Räumen verteilt die verschiedensten Geschäfte. Der Mann mit der historischen Amtmann-Mütze verkauft Eintrittskarten. "Diese Mütze liegt heute noch beim Geschäftsführer auf dem Schrank", so Heilinger.

Strukturwandel: Weniger Mitglieder

Am Börsentag kamen eine Rundkäsekommission, eine Weichkäse- und eine Butterkommission zusammen. Sie bekamen alle das statistische Material aufbereitet und wurden über den Rundfunk über die letzten Butterpreise des Inlands wie des Auslands unterrichtet. Die Leitung der Börse unterlag schon damals einem Börsenausschuss, der ausgewogen nach Region und Funktion der Personen zusammengesetzt war. Bis zur Machtergreifung durch die NSDAP verlief die Arbeit der Börse sehr erfolgreich, bevor sie 1934 aufgelöst wurde. Erst über 15 Jahre später wurde sie 1950 wieder eröffnet. Die Dienstaufsicht liegt bis heute beim Bayerischen Staatsministerium, in Zusammenarbeit mit Baden-Württemberg und später mit Sachsen. Von den Mitgliederzahlen her waren es vor 1933 über 850 Mitglieder, nach dem Krieg lag der Höchststand 1953 bei über 1150 Mitglieder. Im Laufe der Jahre bis heute ging die Zahl auf nur noch 80 Mitglieder zurück. Dabei handelt es sich vor allem um Molkereien, aber auch um Handelsunternehmen die einen Großteil des Milchmarktes abdecken. Die Empfehlungen der Börse gelten für ganz Deutschland.

Kontakt: https://www.butterkaeseboerse.de/

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