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Drei Generationen - ein Hof

Teil III: Pensionspferde kommen auf den Hof

Sie sind Bauern mit Leib und Seele, die Reutters in Tübingen-Hagelloch. Den Kreuzberger Hof führen sie in der dritten Generation. Die Frage nach der Hofnachfolge stellte sich bei ihnen nie. Neu zu beginnen, sich zu verändern und abzugeben – das ist die Geschichte ihrer Familie.

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Voller Optimismus: Christian (l.) und Sebastian Reutter sehen die Zukunft mit ihren Pensionspferden positiv
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Der große Umbruch kam schließlich 1992. „Wir haben einen neuen Schweinestall gebaut“, erzählt Christian Reutter. „Die Gruppenhaltung mit Auslauf war damals etwas ganz Neues.“ Gleichzeitig stiegen Reutters in die Pensionspferdehaltung ein. Sie bauten einen Stall mit Boxen und Paddocks. „In dieser Zeit herrschte eine ungemeine Nachfrage nach Stellplätzen“, erinnert sich Christian Reutter. „Heute ist das anders, die Plätze sind alle belegt, aber die Leute sind nicht mehr darauf angewiesen. Wenn nicht gleich ein Platz frei ist, orientieren sie sich um.“
Großes Bangen herrschte drei Jahre später, 1995, auf dem Hof. Auf einem benachbarten Betrieb gab es einen Schweinepestverdacht. Plötzlich befand sich der Hof von Familie Reutter im Sperrbezirk. Zunächst war der Befund ihrer Schweine positiv. Ein Tierarzt hatte bei den virologischen Untersuchungen darauf hingewiesen, dass durch die Verfütterung von Milch an Schweine ähnliche Antikörper wie bei der Schweinepest entstehen können. Reutters hatten immer die Biestmilch an die Schweine verfüttert. „Diese Entwarnung war unsere Erlösung. Trotzdem war die Zeit problematisch für uns, da wir unsere Ferkel nicht verkaufen konnten.“

Wie der Vater so der Sohn

1998 gingen Martha und Erwin Reutter in den Ruhestand.  Sohn Christian übernahm den Betrieb. Mit der Übernahme hätte er gerne die Milchviehhaltung aufgegeben: „Die Stalleinrichtung mit Anbindehaltung ist veraltet und die Kühe sind eine große Arbeitsbelastung.“ Auf Wunsch seiner Frau Regina sind die Tiere aber auf dem Hof geblieben. Sie kümmert sich um die 24 Milchkühe und ihre Nachzucht. Reutter fragt sich, wie lange die Milch überhaupt noch abgeholt wird, da sich der Betrieb am nördlichsten Zipfel des Gebiets der Molkerei Allgäuland befindet. In der näheren Umgebung gibt es nur noch zwei andere konventionelle und einen Bio-Milchviehbetrieb.

Auch Sebastian zeigte schon früh Interesse am Betrieb. „Während der Schule habe ich einige Praktika in Berufen außerhalb der Landwirtschaft gemacht. Aber das war nicht so das Wahre für mich“, erzählt der 27-Jährige. „In der Schule war es oft schwierig für mich zu sagen, dass ich Bauer werden will. Deswegen wurde ich häufig aufgezogen.“ Christian Reutter erinnert sich noch gut an die Probleme seiner Kinder: „Im Ort war der Druck am größten. Meine Tochter wollte zum Beispiel nicht, dass ich sie mit dem Traktor zum Kindergarten fahre. Erst später war die Pferdehaltung für die drei Töchter und ihre Freundinnen etwas Tolles.

Traumberuf Landwirt

Christian Reutter ist froh, dass sich sein Sohn für eine landwirtschaftliche Ausbildung entschieden hat: „Ich finde es nicht gut, dass manche Landwirte sagen, mein Sohn soll lieber etwas Richtiges lernen. Landwirtschaft ist doch etwas Richtiges!“, bekräftigt Reutter. Für den Vater war entscheidend, dass die Ausbildung nicht auf dem eigenen Betrieb stattfindet. Der Sohn sollte in fremden Betrieben lernen und seinen Horizont erweitern. „Irgendwie haben wir es trotz der hohen Arbeitsbelastung in diesen Jahren auch ohne Sebastian geschafft.“

Nach der Lehre in die Technikerschule

Sebastian Reutter absolvierte seine Lehrjahre bei einem befreundeten Eberzüchter in Nellingen im Alb-Donau-Kreis und in Horb am Neckar auf einem Betrieb mit Kühen im Boxenlaufstall und Sauenhaltung. „2007 war ich mit meiner Ausbildung fertig. Danach habe ich mein Praxisjahr absolviert und gleich anschließend mit der Weiterbildung zum Agrartechniker begonnen. Dafür war ich zwei Jahre in Triesdorf in Mittelfranken“, erzählt er.
Durch die Fachschule war er für betriebliche Überlegungen gerüstet. Vater und Sohn erörterten Perspektiven. Das Ergebnis war, entweder einen großen Kuhstall zu bauen oder den Pferdebetrieb zu erweitern. „Das Interesse meines Sohnes für den Ausbau der Pensionspferdehaltung war dabei entscheidend. Einen Kuhstall hätten wir für maximal 80 Tiere bauen können. Das hätte sich unter Umständen nicht gelohnt“, erklärt Christian Reutter. Die beiden sind sich einig, dass der Ausbau der Pensionspferdehaltung eine gute Entscheidung war. 2011 investierten sie in eine Reithalle und moderne Gruppenhaltung mit Abruffütterung. Die Pferde haben Transponder um den Hals und jedes Tier hat eine individuelle Zugangsberechtigung zu Heu und Kraftfutter.

Auch Pferde machen Arbeit

„Trotzdem erledigt sich die Pensionspferdehaltung nicht von allein. Es ist viel Arbeit mit den 40 Plätzen“, stellt Christian Reutter klar. Eine 400 Euro-Kraft und zwei Schwestern von Sebastian, die selbst reiten, unterstützen sie dabei. Wichtigste Herausforderung bei diesem Betriebszweig ist, die zum größten Teil weiblichen Besitzer zufrieden zu stellen und manchmal ausgleichend einzuwirken. „Wir haben auch ein paar männliche Pferdebesitzer, die sind die ruhenden Pole in der Stallgemeinschaft. Sie durchbrechen ein bisschen die Strukturen.“ Reutter gefällt der Umgang mit den Pferdebesitzern dennoch: „Wenn es etwas zu besprechen gibt, machen wir eine Stallversammlung und haben danach auch einen gemütlichen Teil“, sagt er verschmitzt.

Wirtschaften im Landschaftsschutzgebiet

Die Sauenhaltung haben Reutters vor kurzem umgestellt. Ursprünglich waren sie Ferkelerzeuger. Die Zuchtsauen haben sie von 120 auf 50 Tiere reduziert. „Da wir Probleme hatten, die relativ geringe Menge an Ferkeln zu verkaufen, haben wir uns für ein geschlossenes System entschieden und mästen die Tiere nun selbst“, erklärt Christian Reutter. „Die Lage hier ist landwirtschaftlich eigentlich ungünstig“, sagt er. „Wir befinden uns in der Kaltluftschneise von Tübingen und überall ist Landschaftsschutzgebiet.“ Die Flächen sind in kleine Parzellen mit vielen Eigentümern aufgeteilt. Die Schweinemast zu vergrößern wäre nicht möglich, da sich der Hof so nahe an Tübingen befindet. Das Klinikum zum Beispiel ist nur 1,5 Kilometer entfernt.

Pläne für die Zukunft

Welche Pläne hat Hofnachfolger Sebastian für den Betrieb? „Die Vielschichtigkeit macht allerhand Arbeit. Wenn ich an die Zukunft denke, muss sich irgendwann etwas ändern“, ist er sich sicher. Neben Pferden, Kühen und Schweinen gibt es eine kleine Kaninchenzucht auf dem Hof. Christian Reutter bemerkt dazu schmunzelnd: „Als junge Familie haben wir den Fehler gemacht zur Hasenausstellung zu fahren – jetzt haben wir sie.“ Die Zucht der rotbraunen Deilenaar-Kaninchen ist nun das Hobby seiner jüngsten Tochter.
Auch nach außen ist Familie Reutter vielfältig engagiert. Wichtig ist ihnen die Öffentlichkeitsarbeit wie der „Brunch auf dem Bauernhof“ einmal im Jahr. „Da habe ich meine Frau überredet mitzumachen. Es ist viel Arbeit, aber alle Kinder helfen mit.“ Das Essen darf nur aus regionalen Zutaten bestehen und findet für 150 Teilnehmer statt. Auch beim „Tü-Korn-Projekt“, bei dem ihr Dinkel in einer nahe gelegenen Mühle verarbeitet und direkt vermarktet wird, machen sie mit.

BWagrar als wöchentlicher Begleiter

Von damals bis heute begleitet der Schwäbische Bauer und das Landwirtschaftliche Wochenblatt  die Familie. „Wir lesen beide Blätter“, sagt Christian Reutter, „wir befinden uns genau im Grenzgebiet zwischen den Zeitschriften. Und die Anzeigen sind für uns aus beiden Teilen interessant.“ Martha und Erwin Reutter bekommen die Wochenblätter normalerweise am Sonntag. „Manchmal dauert es aber auch etwas länger, bis Sebastian sie uns schließlich bringt“, sagt Großvater Reutter schmunzelnd und schaut zu seinem Enkel herüber.

Demokratie am Küchentisch

Abgesehen davon scheint alles harmonisch bei den drei Generationen zu sein. Erwin und Martha Reutter wollen sich nicht mehr einmischen und haben keine Einwände gegen die Pläne ihrer Nachkommen. Christian Reutter sagt: „Entscheidungen werden bei uns demokratisch am Tisch gefällt. Wenn einer eine andere Meinung hat, muss er sich letztlich der Mehrheit beugen.“ Senior Erwin Reutter hat dabei sein ganz eigenes Geheimrezept, wie die Hofnachfolge bei ihnen funktioniert: „Ich sage immer, mach was Du willst, dann wirst Du nicht unwillig!“

Lesen Sie auch:
Teil I: Echte Familienbande
Teil II: Brennerei, Hundezucht und Milchquote

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