Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Drei Generationen - ein Hof

Teil II: Brennerei, Hundezucht und Milchquote

Sie sind Bauern mit Leib und Seele, die Reutters in Tübingen-Hagelloch. Den Kreuzberger Hof führen sie in der dritten Generation. Die Frage nach der Hofnachfolge stellte sich bei ihnen nie. Neu zu beginnen, sich zu verändern und abzugeben – das ist die Geschichte ihrer Familie.

Veröffentlicht am
/ Artikel kommentieren
Drei Generationen an einem Tisch: (v. l.) Erwin Reutter (81), Martha Reutter (78), Sebastian Reutter (27) und Christian Reutter (57)
Drei Generationen an einem Tisch: (v. l.) Erwin Reutter (81), Martha Reutter (78), Sebastian Reutter (27) und Christian Reutter (57) Stötzer
Artikel teilen:

Die Anfangsjahre waren nicht immer leicht, erinnert sich Martha Reutter. „Wir hatten es unterschätzt. Wir dachten, hier draußen ist alles leichter und wir haben weniger Arbeit, aber das war nicht so.“ Ans Aufgeben haben die Reutters aber nie gedacht. Eine Alternative hätte es für sie auch nicht gegeben. Stattdessen bauten sie den Betrieb weiter aus.
In den Siebzigerjahren kam ein neuer Betriebszweig hinzu, die Brennerei. Erwin Reutter betreibt sie noch heute. Schnaps zu brennen, das hat er für die Familie wiederentdeckt. Schon seine Vorfahren haben destilliert. Auf die Frage, was sie brennen, antwortet Enkel Sebastian Reutter mit einem verschmitzten Lächeln: „Na, alles, was man brennen kann: Williams-Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Mirabellen und Quitten, was die Streuobstwiesen hergeben.“

Streuobst wird veredelt

Angefangen hat es mit den Williams-Christ-Birnen. Ein Bekannter im Ort hatte eine Brennerei. Bei ihm konnten sie ihre Birnen verarbeiten lassen. Als Stoffbesitzer registriert, durften sie 50 Liter Alkohol herstellen. Mit den Jahren wuchs der Betrieb und mehr Obstbäume wurden angepflanzt. 1973 kauften Reutters ihr eigenes Brennrecht und richteten eine Destille ein. Alkohol zu destillieren machte Spaß und war ertragreich. Kein Wunder, dass sie den Obstbau ausbauten und 1989 die zweite Destille dazu kauften.

Zeitgleich mit der Brennerei begannen Reutters mit der Hundezucht. Durch diese etablierte sich auch der Hofname Kreuzberger Hof. „Die Zucht brauchte einen Zwinger-Namen und  bisher war der Betrieb nur als Aussiedlerhof bekannt. Auch die Post war so adressiert“, erzählt Christian Reutter. Für die Namensgebung orientierten sie sich am umliegenden Gewann, dem Kreuzberg. „Der erste Hovawart war ein echter Knaller, er hat seiner Bestimmung als Hofhund alle Ehre gemacht“ erzählt der 57-Jährige, der sich noch gut an den Vierbeiner erinnern kann. „Auf den Viehhändler ist er doch mal losgegangen“, fällt Martha Reutter ein. „Der Hund ist aus dem Zwinger übers Dach ausgebrochen, als er sah, dass der Händler ein Rind aus dem Stall führte. Der Viehhändler ist zum Glück mit wenigen Blessuren davon gekommen.“
Reutters sind den Hovawarts treu geblieben. Mittlerweile führt die Schwester von Christian Reutter die Zucht weiter. Sie lebt in der Nähe von Tübingen und bringt die Hunde auf den Hof, wenn sie geschäftlich auf Reisen ist. „Es kann niemand sagen, dass wir keinen Hund haben“, macht Erwin Reutter deutlich. Auch wenn Würfe anstehen, kommen die Welpen auf dem Hof zur Welt. „Wenn wir etwas mehr Zeit haben, werden wir uns wieder einen Hofhund anschaffen“, ist sich Christian Reutter sicher.

Demonstrieren gegen die Quote

Christian Reutter war schon als Junge von der Landwirtschaft begeistert. „Dass ich mal den Hof übernehmen will, war klar!“ In seiner Jugend engagierte er sich in der Landjugend. „Sobald ich ein Mofa hatte, bin ich zu den Treffen gefahren. Ältere, die schon einen Führerschein hatten, haben uns Jugendliche auch manchmal mitgenommen.“ Später war er im Vorstand der Landjugend. Heute ist Reutter Kreisobmann in Tübingen. Durch die gemeinsame Arbeit in der Landjugend lernte er seine Frau Regina kennen. 1981 heirateten sie.
Auch politisch setzt sich Christian Reutter für seine Überzeugungen ein: 1983 demonstrierte er gegen die Einführung der Milchquote in Tübingen: „Mit unseren Kühen haben wir damals mit der Landjugend auf dem Marktplatz protestiert. Beinahe zufrieden fügt er heute hinzu: „Und bald wird sie wieder abgeschafft.“

Eine Wolke aus Tschernobyl

Was geschah noch in den Achtzigerjahren? Vorrangig steht da die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl 1986. Auch auf den Kreuzberger Hof wirkte sich der Reaktorunfall aus. „Zum Glück hatten wir das Grünfutter noch nicht gemäht und verfüttert“, erzählt der Betriebsleiter. Die Molkerei ordnete an, Grünlandbestände nicht zu ernten. Reutters mussten 1,5 Hektar Grünland umbrechen. „Während der ersten Wochen nach der Katastrophe mussten wir deshalb unsere ganzen Strohvorräte aufbrauchen, um Futter für die Kühe zu haben. Damit waren natürlich keine großen Milchleistungen möglich. Dieser Zustand dauerte glücklicherweise nicht lange an.“ Da die radioaktive Wolke vor allem Jod 131, mit einer Halbwertszeit von rund acht Tagen, nach Deutschland getragen hatte, wurde der Betrieb bald wieder wie gewohnt weitergeführt.

Wie geht es weiter bei Reutters?
Teil III: Die Pensionspferde kommen

Lesen Sie auch den ersten Teil: Teil I: Echte Familienbande

Mehr zum Thema:
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren
Ort ändern

Geben Sie die Postleitzahl Ihres Orts ein.