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Agrar-Familie 2017

Zwei Schwestern, zwei Wege, eine Mission

Auf zwei Beinen steht man besser. Diese Entscheidung hat Vater Gerhard 1988 getroffen. Dass knapp 30 Jahre später die beiden Töchter Mareike und Eva gemeinsam in den Milchvieh- und Putenmastbetrieb einsteigen, war lange Zeit nicht klar. Heute sind sich die Schwestern einig: Wir gehen unsere Wege, um gemeinsam den Hof in die Zukunft zu führen.

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Fischer
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3000 Putenmastplätzen und 65 Milchkühen sowie 90 ha Wald, Acker, Grünfläche. Nicht untypisch für einen Betrieb im fränkisch geprägten Nordosten Baden-Württembergs. Diese Struktur hat Vater Gerhard Bullinger geschaffen, nachdem er den Betrieb 1988 von seinem Vater Karl Bullinger in Werdeck (Rot am See) übernommen hat. Nach der Einführung der Milchquote suchte Gerhard Bullinger nach einem zweiten Standbein, um das Betriebsrisiko zu streuen. Für den Agraringenieur war die Putenmast damals die beste Lösung.

Drei Töchter und die Betriebsnachfolge

Ob der landwirtschaftliche Betrieb einen weiteren Generationswechsel durchlaufen würde, stand lange Zeit nicht fest. Drei Töchter, die sich alle auf dem Betrieb wohlfühlen, aber doch auch andere Interessen zeigen, trugen dazu bei. Ein Hofnachfolger „im klassischen Sinne“ war nicht vorhanden  und es war während der Schulzeit der Schwestern überhaupt nicht absehbar, ob und wie es mit dem Hof weitergehen würde. Äußerst positiv bewerten die beiden Schwestern Mareike und Eva Bullinger im Nachhinein, dass die Eltern ihnen bei der Berufswahl immer die freie Wahl gelassen haben. Für Bullingers wäre der Betrieb, wie er besteht, ausreichend gewesen, um bis zur Rente gewinnbringend davon leben zu können.

„Ohne jeglichen Druck den Betrieb weiterführen zu müssen, hatten plötzlich zwei meiner drei Töchter die Idee, den Hof gemeinsam fortzuführen“, erinnert sich Gerhard Bullinger zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte die heute 25-jährige Eva ihre erste Ausbildung zur Bauzeichnerin abgeschlossen. Für sie stand fest, dass sie zurück auf den Hof will und begann im Herbst 2011 mit der Ausbildung zur Landwirtin, die sie im Sommer 2016 mit dem Abschluss „Techniker für Landbau“ in Triesdorf abgeschlossen hat. Einen anderen Weg hat Nesthäkchen Mareike eingeschlagen: Direkt nach dem Abitur 2012 ging es für sie nach Nürtingen, um dort Agrarwirtschaft zu studieren. Schon während der Ausbildungszeit kam der Gedanke auf, den Betrieb gemeinschaftlich als Schwestern in irgendeiner Weise weiter zu führen. Beide Mädels haben sich zu dieser Zeit mit der Milchviehhaltung beschäftigt. Die Bachelorarbeit rückte näher und Mareike begann sich mit dem Thema Direktvermarktung – einem stillen Traum von ihr – näher auseinander zu setzen. Eine Idee, die auch für die Eltern einen gewissen Charme hatte.

Zwei Wege, eine gemeinsame Mission

Eva ist nun seit Sommer 2016 und die 23-jährige Mareike seit Januar 2017 auf dem Betrieb der Eltern beschäftigt. Eva und Mareike möchten den Hof der Eltern gemeinsam und dennoch eigenverantwortlich in ihrem jeweiligen Betriebszweig weiterführen. Die Hofnachfolgerinnen haben in der Vater-Töchter GbR die beiden Betriebsschwerpunkte aufgeteilt, doch  wurde die Mission durch die gemeinsame Direktvermarktungs-GbR wieder intensiviert. Keine der Schwestern hat ausschließlich ihren eigenen Betriebszweig im Sinn: Wenn im Schlachthaus oder auch bei den Kühen, Puten oder Ackerbau Hilfe benötigt wird, wird sich gegenseitig geholfen.

Es wurde eine landwirtschaftliche GbR (beinhaltet Putenmast, Milchviehhaltung und Ackerbau) mit dem Vater und den beiden Schwestern gegründet. Dadurch soll der gemeinschaftliche Gedanke des Betriebs auch in dieser Weise bestehen. Und eines hat sich auf dem Werdeckerhof nach knapp 30 Jahren wiederholt: Mit der Hofnachfolge ist ein neuer Betriebszweig eingezogen. Seit Februar 2017 gehört der Hofladen „Gute Pute“ zum Betrieb. Den rechtlichen Rahmen für den Verkauf von Putenfleisch und –wurst bildet eine weitere GbR mit Eva und Mareike Bullinger als Gesellschafterinnen.

Viele Kühe machen Mühe

Sichtlich wohl fühlt sich Eva Bullinger im Milchviehstall, den sie zusammen mit ihrem Vater managt. Außerdem kümmern sich die beiden auch um den Großteil der anfallenden Arbeiten auf dem landwirtschaftlichen Betrieb (Ackerbau, Büroarbeit, Putenmast). Mit einer Ausnahme: Im Wald ist immer noch der 82-jährige Opa Karl der Chef. Und das soll vorerst auch so bleiben.

Für die Technikerin stand schnell fest, dass der Milchviehstall in Zukunft auch als Ein-Frau-Betrieb geführt werden können muss. Dafür muss die Arbeitsbelastung reduziert werden. Steht die Junior-Bäuerin heute noch zweimal täglich in der Melkergrube um die 65 Kühe zu melken, so soll ab Herbst die Aufgabe von einem Melkroboter erledigt werden.

„Der Betriebszweig Milchwirtschaft soll zukunftsfähig sein. Ein kompletter Neubau ist deshalb für mich nicht in Frage gekommen. Unser Stallanbau ist für uns eine Investition in den Tierkomfort. Die beengten Verhältnisse im Altbau sind nicht zukunftsfähig“, so Eva im Gespräch mit BWagrar. Eine Um- und Anbaulösung im Sinne der Tiere wurde gefunden. Der neue Stall wird über einen Laufhof mit dem alten Stall verbunden. Dadurch können die Tiere frei wählen, ob sie sich lieber draußen aufhalten wollen oder im Stall. Ein Augenmerk wird auf die „special-interest“ Kühe, Tiere mit erhöhtem Betreuungsaufwand, gelegt, indem die ihren Bedürfnissen entsprechenden Bereiche geschaffen werden. Abkalbebereich, Krankenbox und Selektionsgruppe für Frischabkalber finden ihren Platz in der Nähe des Melkroboters. Ein außenliegender Futtertisch verläuft über die gesamte Länge des neuen Stalls, um das Tier-Fressplatz-Verhältnis einhalten zu können.

Investition in die Projekte

Die Entscheidung in einen Melkroboter zu investieren fiel schnell. Am meisten gefällt Eva an ihren Stallbauplänen, die aktuell umgesetzt werden, dass die Kühe sich den ganzen Tag frei bewegen können. „Das Melken im Roboter hat uns sofort überzeugt, da jede Kuh einzeln gemolken wird und ihre Ruhe hat. Das zweimal tägliche Melken in der Gruppe fällt dadurch weg und jede Kuh kann individuell ihren Rhythmus finden. Die Herde wird durch eigene Nachzucht soweit aufgestockt, sodass der Melkroboter eine gute Auslastung fährt“, erklärt Eva Bullinger weiter, die die Investition genau kalkuliert hat. Um die Wirtschaftlichkeit der Investition darzustellen, muss in Zukunft ganz klar mehr Milch pro Kuh gemolken werden.

„Unsere Produkte und unser Service stehen für nachhaltige Milchproduktion und haben dabei immer das Ziel das Tierwohl zu maximieren. Wir und unsere Kunden wissen, dass sich nur auf diese Weise die Rentabilität des landwirtschaftlichen Betriebes und eine hohe Lebensmittelqualität sicherstellen lassen. Die Milcherzeuger und ihre Bedürfnisse sind für uns bei DeLaval immer der Ausgangspunkt für unser Handeln“, Dr. Stephan Lais, Geschäftsführer DeLaval Deutschland.

Derzeit werden auf dem Werdeckerhof 65 Milchkühe gehalten, welche 10.000 kg Milch/Jahr geben. Um eine Auslastung des geplanten Melkroboters zu gewährleisten wird die Herde nur minimal aufgestockt. Auf dem Zuchtviehmarkt in Ilshofen werden so auch weiterhin abgekalbte Jungkühe der Bullingers zum Verkauf angeboten, die nicht zur Remontierung der Holsteinherde benötigt werden.

Bereits abgeschlossen sind die Investitionen in die Direktvermarktung. Hier ging alles etwas schneller, da der Betriebszweig nach kurzer Planungs- und Bauzeit eröffnet werden sollte. Nach dem Studium verbrachte Mareike neun Monate auf einem Putenhof mit Direktvermarktung, um sich das notwendige Fachwissen anzueignen.  Hier lernte sie viel im Umgang mit Puten und deren Verarbeitung zu Putenfleisch. Für Freunde und Bekannte wurden immer schon zweimal jährlich ein paar Puten geschlachtet und vermarktet. Ein Schlachtraum war auf dem Hof deshalb bereits vorhanden. Im Herbst/Winter 2016 wurde an diesen Raum ein zweiter angebaut, um die offiziellen Vorgaben von Schlachtstätten einhalten zu können. Neben den baulichen Maßnahmen waren zudem Investitionen in diverse Geräte, Kühlraum und Kühltheke notwendig. Hier haben die Jungunternehmerinnen  auf eine Staatliche Förderung verzichtet, da der Beginn der Direktvermarktung im Februar 2017 sein sollte. Für eine Förderung hätten die Schwestern für den Betriebszweig Selbstvermarktung/Hofladen „Gute Pute“  längere Planungszeiten einrechnen müssen.

Puten geben den Takt an

Jährlich durchlaufen drei Durchgänge den Putenmaststall. Der Bedarf an Puten zur eigenen Vermarktung steigt seit Jahresbeginn, der Eröffnung des Hofladens, kontinuierlich an. Um wöchentlich die Kunden mit Frischfleisch versorgen zu können, wird der Bedarf an Puten für die Direktvermarktung umgestallt. Die Puten ziehen vom Maststall in einen vorhandenen Altstall und werden dort für die Dauer der Endmast gehalten. Für eine noch bessere Fleischqualität erhält das Geflügel hier Weizen aus eigenem Anbau.

Zusammen mit ihrer Mutter Irmtraud Bullinger schlachtet, zerlegt und verarbeitet Mareike die hofeigenen Puten zu den im Laden angebotenen Produkten. Dafür gibt es einen fixen Zeitplan, der von dem Frauenteam Woche für Woche umgesetzt wird: Montags ist Schlachttag, dienstags und mittwochs werden die Puten zerlegt und donnerstags laufen die Vorbereitungen für den Verkauf im Hofladen, der freitags geöffnet hat. Unterstützung bei der Herstellung der Wurstprodukte erhalten die Bullingers von einem Metzger. Aber auch ihre eigene Kreativität kann Woche für Woche erlebt und genossen werden. „Ich überlege mir für jede Woche ein neues Rezept. Das erhalten die Kunden zusammen mit dem dafür benötigten Fleisch an der Ladentheke angeboten“, so die Jungunternehmerin. Der Start in die Direktvermarktung ist geglückt. Jetzt wird am Feinschliff gearbeitet: Die Verkaufsmengen genauer kalkuliert und am Vermarktungskonzept gefeilt. Und da ist jetzt die dritte Schwester Carolin gefragt, die als Marketing Managerin arbeitet und Kontakte zu Medienprofis zur Erstellung von Flyern und Homepage hergestellt hat. Außerdem ist sie für die kreative Gestaltung der Beiträge auf der Facebookseite der Guten Pute mitverantwortlich und hilft bei der Formulierung von Anzeigen.

Rückblickend auf die schnelle Umsetzung Ihres Traums erklärt Mareike Bullinger: „Die Entscheidung, dass ich den Betriebszweig Direktvermarktung in diesem Umfang aufbaue, wäre sicher nicht so einfach gewesen, wenn ich für den kompletten Betrieb die Verantwortung und Zuständigkeit hätte. Die Kühe wären so lange auf dem Betrieb geblieben, bis meine Eltern nicht mehr so mitarbeiten können, da dies auch die Grundlage unseres Betriebes bildet.“ Trotz getrennter Zuständigkeiten springen die beiden Schwestern gegenseitig füreinander ein. Unter anderem dann, wenn es darum geht, ein freies Wochenende zu bekommen. Hier wird abgewechselt, so dass ausreichend Zeit unter anderem für das Ehrenamt bei der Landjugend und den Landfrauen bleibt.

Die richtige Entscheidung getroffen

Die beiden Schwestern sind sich einig, dass sie die richtigen Zutaten für ihr Rezept für die Zukunft des Hofes gefunden und gewählt haben. „Schon jetzt ist abzusehen, dass die Entscheidung richtig war, dass jede von uns ihren eigenen Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich bekommt. Die Kombination Kühe und Puten-Direktvermarktung passt perfekt für uns beide, da jede ihrer Leidenschaft nachgehen kann und wir dennoch an einem gemeinsamen Ziel, nämlich der Weiterführung des elterlichen Betriebs, arbeiten“, sind sich die Junglandwirtinnen einig. Schon heute versprechen die beiden Betriebsnachfolgerinnen, dass sie nach Fertigstellung der Umbaumaßnahmen am Stall ein Hoffest veranstalten, damit sich Interessierte ein Bild vom Hof und der „schwesterlichen“ Zusammenarbeit machen können.

Geben Sie noch heute Ihre Stimme für unsere Agrar-Familie Bullinger ab: www.agrar-familie.de

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