Hilft Frühreife bei Trockenheit?
In Baden-Württemberg wurden seit 2017 zwei separate Landessortenversuche für frühe und klassische Winterweizen aufgebaut. Die Ergebnisse erlauben eine erste kritische Bilanz, ob frühreife Sorten ein Baustein zur Anpassung an zunehmende Trockenheit sind.
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Mit frühen Sorten wird eine Anpassung an Trockenstress verbunden, weil Erträge durch Hitze und Trockenheit weniger verringert werden. Die Theorie dahinter ist, dass Pflanzen die Bodenfeuchte aus dem Winter früher und damit insgesamt länger nutzen können. Erwiesenermaßen sind Ährenschieben und Kornfüllung die Stadien, in denen Weizen am empfindlichsten auf Wassermangel reagiert. Frühes Ährenschieben oder Frühreife als Merkmal für Trockentoleranz wird in der Forschung aber kontrovers diskutiert, weil Studien zu verschiedenen Fruchtarten unter unterschiedlichen Umweltbedingungen keine übereinstimmenden Erkenntnisse liefern. Tendenziell bestätigen Studien zu Getreide (Weizen, Gerste) die These, dass unter Trockenstress der Ertrag und der Zeitpunkt des Ährenschiebens negativ korrelieren.
Vergleiche zwischen modernen und älteren Sorten zeigen vor allem in mediterran geprägten Klimaräumen, dass in den letzten Jahrzehnten zehn bis 13 Tage früher blühende Weizensorten gezüchtet wurden. In Australien erwarten Modellierungsstudien zur Klimaanpassung ein noch früheres Ährenschieben von 15 bis 30 Tagen, in Frankreich von moderateren zwei Tagen.
Früheres Ährenschieben
In den baden-württembergischen Landessortenversuchen (LSV) schoben die frühen Winterweizen die Ähren im Durchschnitt rund vier Tage früher als die klassischen, wobei dies je Standort zwischen drei und neun Tage schwankte. Der Unterschied zwischen der Sorte mit dem frühesten und der Sorte mit dem spätesten Ährenschieben lag bei durchschnittlich elf Tagen, an einigen Standorten gab es Differenzen von bis zu 19 Tagen.
Flaig und Mitarbeiter (2014) haben für die Referenzzeiträume 1961 bis 1990 und 1991 bis 2011 die Verschiebung der phänologischen Phasen bei Winterweizen in Baden-Württemberg untersucht. Sie berechneten für den Zeitpunkt des Ährenschiebens eine Differenz von zehn Tagen. Böse (2021) bestätigt anhand von bundesweiten Erhebungen des Deutschen Wetterdienstes die weiterschreitende Entwicklung des früheren Ährenschiebens für den Zeitraum 1990 bis 2020 mit -0,37 Tagen pro Jahr. Es kann also von einem ergänzenden Zuchtziel „frühes Ährenschieben“ innerhalb einer allgemeinen Entwicklung zum frühen Ährenschieben gesprochen werden.
Das gleiche Phänomen lässt sich bei Wildpflanzen beobachten. Der Monitoringbericht zur Anpassungsstrategie an den Klimawandel in Baden-Württemberg (2020) merkt an, dass der Beginn des Erstfrühlings der Phänologie von Wildpflanzen um neun Tage eher einsetzt.
Einstufung für die LSV
Die Einstufung laut BSL (Beschreibende Sortenliste des Bundessortenamtes) nach dem Zeitpunkt des Ährenschiebens (< APS 4 >; APS = Ausprägungsstufe eines Merkmals der beschreibenden Sortenliste) und nicht die Reife (beziehungsweise eine Kombination beider Merkmale) gibt den Ausschlag dafür, in welches LSV-Sortiment eine Weizensorte in Baden-Württemberg einsortiert wird.
Nicht die eigentliche Frühreife oder frühe Abreife kennzeichnet die frühen Sorten. Die nahezu identischen Trockensubstanzgehalte beider Sortimente von durchschnittlich 88 Prozent bei gleichem Erntezeitpunkt und drei Tagen Differenz zwischen dem Erreichen der Gelbreife sprechen nicht von signifikant früherer Reife für die Praxis. Im Fokus stehen vielmehr die sichere Abreife und Kornfüllung, auch oder speziell unter trockenen Bedingungen. Dafür ist der Zeitpunkt der APS Ährenschieben von größerer Bedeutung als die APS Reife.
Hitze beeinflusst die Befruchtung und die Erträge
Ergänzend zur Trockenheit während der Kornfüllung kommt hinzu, dass hohe Temperaturen während der Blüte die Befruchtung beeinflussen. Ein weiterer Aspekt für die Anpassung an den Klimawandel ist also, Hitzestress während der Blüte durch früheres Ährenschieben zu entgehen, weil dann gegebenenfalls tieferen Temperaturen herrschen. Manderscheidt (2017) wies im Projekt „Gefährdung des Weizenertrags durch Hitzeperioden während der Blüte“ des Thünen-Instituts nach, dass Temperaturen über 30 °C den Pollen steril machen und die Befruchtung stören. Der Kornertrag wird bei 36 °C über täglich zwölf Stunden zehn Tage lang halbiert.
Auch wenn die Jahresmitteltemperaturen in Baden-Württemberg von 1881 bis 2019 um 1,5 °C zunahmen, während die globale Erwärmung in einem ähnlichen Zeitraum nur etwa 1 °C betrug, und es besonders im Oberrheingraben und der Rhein-Neckar-Region immer wärmer wird, haben sich die Erträge in den Weizen-LSV auch in trockenen Jahren (noch) nicht halbiert. Gemittelt über das jeweilige Sortenspektrum, die orthogonalen Standorte und Jahre ergaben sich keine Ertrags- und Qualitätsunterschiede zwischen den frühen und den klassischen Weizen-LSV (Tabelle 1).
Vergleich Sortimente und Standorte
Hinsichtlich der Qualität zeigten sich beide Sortimente ausgewogen, das heißt, die Qualitätsgruppen – maßgeblich A- und B-Weizen – waren in beiden Sortimenten adäquat repräsentiert. Deshalb gab es bei TGK, HL-Gewicht und Rohproteingehalt keine Unterschiede.
In der reduzierten Variante (V1) ohne Fungizideinsatz erzielten die klassischen Sorten im Schnitt 86,0 dt/ha, die frühen 86,5 dt/ha (einfacher Mittelwert). In der integrierten Variante (V2) kamen die klassischen Sorten im Schnitt auf 94,2 dt/ha, die frühen auf 96,4 dt/ha. Die Ertragsunterschiede von 0,5 dt/ha (V1) und 2,2 dt/ha (V2) sind marginal.
Aus den Ergebnissen der 30 zugrundeliegenden Datensätze (Tabelle 2) geht hervor, dass zu 59 Prozent die frühen Sorten tendenziell höhere Erträge in V1 (plus 1,0 bis 5,8 dt/ha) und zu 79 Prozent in V2 (plus 1,0 bis 9,4 dt/ha) erzielten, wobei vor allem die Standorte Ladenburg, Kraichtal, Boxberg, Krauchenwies und Eiselau eher von frühen Sorten profitieren. In Kupferzell, Bönnigheim, Döggingen und Tailfingen sind beide Sortimente ausgeglichen. In beiden Sortimenten streuten die Werte um den Mittelwert mit 12 bis 13 dt/ha in etwa um die gleiche Dimension.
Über die Sorten gemittelt, ergibt sich weder für den Standort noch für das Jahr ein kennzeichnender Unterschied zwischen den beiden Sortimenten. Gemäß klimatischer Wasserbilanz (Niederschlag minus Evapotranspiration) für Januar bis Juli waren vor allem die Jahre 2018, 2020 und 2022 trockene Jahre für Baden-Württemberg. In diesen Jahren gab es zwischen den frühen und klassischen Weizen-LSV keine nennenswerten Ertragsunterschiede. Im Jahr 2021 mit ausgeglichener Wasserbilanz, aber weniger Sonnenstunden beziehungsweise Temperatursummen-Tage, waren die frühen Sorten nicht im Nachteil, sondern lagen im Mittel um 4 dt/ha (V2) höher.
Die vorliegenden Ergebnisse basieren auf einfachen Mittelwertvergleichen ohne statistische Absicherung und sind nur ein vorläufiger erster Eindruck, da eine hinreichende Datenbasis fehlt. Erst seit 2021 werden die beiden Sortimente orthogonal an ausreichend Standorten geprüft. Zudem werden die zwei Sortimente erst in den letzten Jahren zunehmend ausgewogener bezüglich der Zahl an Sorten pro LSV. 2017 bis 2019 waren deutlich weniger Sorten für das frühe Sortiment verfügbar als für das klassische. Die zunehmende Zahl früher Sorten kann aber als Indikator oder Anfang eines Trends gesehen werden, dass die Züchtung vermehrt frühe Sorten selektiert.
Frühe Sorten regional vorteilhaft?
Was sich abbilden lässt und für eine Weiterführung der LSV in getrennten Sortimenten spricht, ist die sich abzeichnende relative Vorzüglichkeit früher Sorten für einige Regionen Südwestdeutschlands wie den Oberrheingraben, die Rhein-Neckar-Region und Regionen mit ausgeprägter Frühsommertrockenheit. Auf diesen Standorten empfahl die Pflanzenbauberatung in den letzten Jahren zunehmend Sorten aus frühen LSV für den Anbau.
Letztlich ist ein frühes Ährenschieben nur ein Baustein für die Anpassung an Trockenheit. Das Gesamtpaket „Sorte“ ist neben dem Zeitpunkt und der Dauer von Hitze und Trockenheit entscheidend für Ertragsleistung und -stabilität.
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