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Interview mit Joschko Luib

Weiche Flächen für Kälber

Das neue Jahr bringt neue Vorgaben für Kälberhalter. Seit dem 1. Januar 2024 dürfen Landwirte ihre Kälber bis zu einem Alter von sechs Monaten nicht mehr auf Betonspalten halten. Joschko Luib, Referent für Rinderzucht und Haltungssysteme am Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg in Aulendorf erklärt, welche Vorgaben künftig genau gelten und wie diese umzusetzen sind.

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Joschko Luib ist Referent des
Fachbereichs Management, Rinderzucht, Haltungssysteme am LAZBW Aulendorf.
Joschko Luib ist Referent des Fachbereichs Management, Rinderzucht, Haltungssysteme am LAZBW Aulendorf.Privat
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BWagrar: Welche neuen Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung kommen 2024 auf Kälberhalter zu?

Luib: Die Übergangsfrist zur Umsetzung weicher oder elastisch verformbarer Liegebereiche endet für Bestandsanlagen am 9. Februar 2024. Ab diesem Zeitpunkt müssen Landwirte den Kälbern grundsätzlich einen entsprechenden Liegebereich anbieten.

BWagrar: Für wen gelten diese Vorgaben?

Luib: Für alle Betriebe, die Kälber im Alter von 15 Tagen bis sechs Monaten insbesondere in Vollspaltenbuchten ohne eingestreuten Liegebereich halten, bedeuten diese Regelungen einen Änderungsbedarf. Die Betriebsform von Milchvieh, über Fresseraufzucht bis hin zu Mastbetrieben ist dabei unerheblich. Kälber im Alter bis 14 Tage müssen gemäß der Tierschutznutztierhaltungsverordnung ohnehin auf Stroh oder einem ähnlichen Material gehalten werden.

BWagrar: Gibt es Ausnahmeregelungen?

Luib: Die Regelung gilt grundsätzlich für alle Anlagen, die seit dem 9. Februar 2021 genehmigt wurden, die Übergangsfrist für Bestandsanlagen läuft bereits und endet am 9. Februar 2024. Auf Antrag kann dieses Fristende bis längstens zum 9. Februar 2027 verschoben werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass es ansonsten zu unbilliger Härte kommen würde und keine anderen Tierschutzgründe entgegenstehen. Dieser Antrag muss beim zuständigen Veterinäramt vor Fristende gestellt werden.

BWagrar: Aus welchem Grund dürfen Kälber bis sechs Monaten nicht mehr auf Betonspalten gehalten werden?

Luib: Die Änderung wurde beschlossen, um einerseits die Anforderung aus §6 Abs. 2 Nr. 2d) der Tierschutznutztierhaltungsverordnung, wonach der Liegebereich von Kälbern „die Erfordernisse für das Liegen erfüllen“ muss, zu präzisieren und andererseits die Anforderung der Richtlinie 2008/119/EG nach einer „bequemen Liegefläche“ besser umzusetzen.

BWagrar: Welche Möglichkeiten haben Kälberhalter, um ihre Ställe anzupassen?

Luib: Zwischenzeitlich wurden die drängenden Fragen nach der Definition der Verformbarkeit sowie Größe der benötigten Liegefläche beantwortet.

Liegeflächenbedarf in der Gruppenhaltung: Bei einem Gewicht unter 150 Kilogramm (kg) müssen mindestens 1,5 Quadratmeter (m²) Bodenfläche zur Verfügung stehen. Bei einem Gewicht zwischen 150 und 220 kg gelten 1,7 m² pro Tier und ab 220 kg müssen pro Tier mindestens 1,8 m² Bodenfläche vorhanden sein. Für Gruppen mit bis zu drei Tieren müssen bis zu einem Alter von acht Wochen mindestens 4,5 m² Platz angeboten werden, über acht Wochen mindestens sechs m².

Welche Gummimatten der Beschreibung „elastisch verformbar“ für Kälber genügen, regelt dabei mittlerweile die DIN 3763. Diese Norm legt einerseits Standards für die Haltbarkeit (zum Beispiel Abriebfestigkeit, Säurebeständigkeit) und das Tierwohl (zum Beispiel Rutschfestigkeit) fest und teilt andererseits die Gummimatten in Komfortklassen ein. Die Komfortklassen ergeben sich aus der Verformbarkeit der Gummimatte, die in Millimeter angegeben wird. Hierbei werden die Einsatzbereiche Einflächenbuchten beziehungsweise unstrukturierter Liegebereich und Liegeboxen unterschieden.

BWagrar: Welche Gummimatten eignen sich für Kälber?

Luib: Für Kälber soll aufgrund des geringen Körpergewichts eine Gummimatte der Klasse 2 verwendet werden. Werden Kälber erst im Alter von mindestens fünf Monaten beziehungsweise ab 200 kg in Einflächenbuchten eingestallt, können auch Gummimatten der Klasse 1 verwendet werden, sofern die Tiere bis zu einem Gewicht von über 350 kg in der Bucht verbleiben. Die Klasse 1 zeichnet sich dabei durch eine höhere Haltbarkeit bei steigenden Tiergewichten aus. In einer Liegebox für Kälber sind Gummimatten der Klasse 2 bis zu einem Gewicht von 250 kg vorgesehen, auch darüber hinaus sollte für Kälber diese Klasse für eine bessere Akzeptanz verwendet werden.

Selbstverständlich ist Stroh oder ähnliches Material als Einstreu eine adäquate Lösung und erfüllt die Vorgaben nach einer weichen Liegefläche vollumfänglich. Diese Lösung ist aber in Haltungssystemen, die derzeit als Spaltenbodensystem funktionieren, nicht ohne Weiteres umsetzbar und erfordert in der Regel umfangreichere Umbaumaßnahmen.

BWagrar: Welche Lösungen eignen sich für welche Art von Ställen?

Luib: Um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, kann die Vollspaltenbucht mit entsprechenden Gummimatten ausgelegt werden. In der Regel wird eine Gummimatte der Klasse 2 benötigt. Das Haltungssystem kann dann im bisherigen Umfang weiter betrieben werden.

Wo es baulich möglich ist, kann auch ein separater Liegebereich geschaffen werden. Dies kann entweder eine Strohfläche oder auch wahlweise eine Liegebox sein. Im Fall von Hochboxen muss eine für Kälber geeignete Gummimatte verwendet werden. Die alten Vollspaltenbuchten können in diesem System als Fressbereich weiter genutzt werden, sofern die Spaltenmaße passend sind. Diese Systeme erweitern Einflächenbuchten zur Zweiflächenbucht und kommen damit dem Tier entgegen. Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass Kälberspaltenböden aufgrund der geringen Schlitzweite (maximal 2,5 Millimeter ohne Gummiauflage) sehr anfällig für Verstopfungen sind, wenn diese gemeinsam mit Stroheinstreu in einer Bucht verwendet werden.

Die Einteilung der Gummimatten in Komfortklassen mitsamt der jeweiligen Millimeterangaben sind in den angehängten PDF-Dokumenten zu finden.

BWagrar: Ist der Investitionsbedarf für Betriebe zur Anpassung an die neuen Regelungen abzuschätzen?

Luib: Für Gummimatten der Klasse 2 kann ein Investitionsbedarf von circa 150 bis 180 Euro (netto) je Quadratmeter ohne Montage gerechnet werden. Matten der Klasse 1 liegen auf Grund der höheren Haltbarkeit darüber. Aufgrund der gegebenenfalls hohen Lieferzeiten für benötigte Materialien (zum Beispiel Gummimatten), sollten Kälberhalter eine Bestellung zeitnah mit Lieferanten besprechen.

BWagrar: Gibt es eine Lösung für Härtefälle, falls Ställe nicht auf die neuen Haltungsvorgaben umzurüsten sind?

Luib: Härtefallregelungen sind vorgesehen, diese müssen aber vor Ablauf der Frist (9. Februar 2024) mit dem zuständigen Veterinäramt abgesprochen werden.

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