Genossenschaften lösen Zukunftsfragen
Genossenschaften bieten Lösungsansätze für Zukunftsfragen des Landes. Sie stehen für Tradition, Bodenständigkeit und Regionalität ebenso wie für Modernität, Flexibilität und Eigenverantwortung. Sie ziehen Bürger, Selbstständige, Unternehmen und Kommunen in Entscheidungen mit ein. Das erklärte der stellvertretende Ministerpräsident Thomas Strobl beim Zukunftsforum Genossenschaft am 16. Februar 2017 in Stuttgart.
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Stuttgart, 16. Februar 2017
Strobl: Orientierung nicht nur am Profit, sondern an Werten
Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft diskutierten beim Zukunftsforum Genossenschaft 2017 Fragen zur Zukunft von Genossenschaften. Diese sind zum einen Bestandteil der mittelständischen Wirtschaft und zum anderen deren Finanzpartner.
Nach Strobls Grundsatzrede wurden zentrale Themen in drei parallel durchgeführten Fachforen vertieft:
- Mittelstand und Mittelstandsbanken unter anderen mit Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut und Genossenschaftspräsident Dr. Roman Glaser,
- Landwirtschaft mit Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Peter Hauk,
- Neue Geschäftsfelder mit Andreas Schwarz, Vorsitzender der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.
Partner der Landesregierung
Die Genossenschaften „sind wichtige Partner der Landesregierung“, versichert der stellvertretende Ministerpräsident, der als Innenminister zugleich für Digitalisierung und Migration zuständig ist. Die Politik habe solche Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich die genossenschaftliche Idee zukunftsorientiert entfalten könne. Angesichts der Sorgen auslösenden Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten sei es gut, in Deutschland regional verwurzelte Volksbanken zu haben – und, fügt er „ausdrücklich“ hinzu – „auch Sparkassen“. „Der Mensch steht immer im Mittelpunkt“ – dieser Leitgedanke zahle sich für die Genossenschaftsbanken aus, betont er.
Die genossenschaftliche Organisationsform sei eine weltumspannende Idee. Etwa 800 Millionen Menschen seien weltweit in genossenschaftlichen Unternehmen Mitglied, erläutert Strobl deren Bedeutung. Rund 830 Genossenschaften aus 50 Branchen gibt es derzeit in Baden-Württemberg. Allein 2016 wurden im Südwesten 18 neu gegründet.
Werte statt nur Profit
„Bemerkenswert und besonders wertvoll an Genossenschaften ist, dass sie sich nicht nur am Profit orientieren, sondern dass es ihnen auch um Werte geht – um Kooperation, Solidarität, Ehrlichkeit, Sozialverantwortung, Offenheit und Innovation. Das sind die Erfolgsfaktoren der Genossenschaften – und die sind gerade in bewegten Zeiten wie diesen besonders wichtig“, so Strobl.
Die Digitalisierung verändert die Welt
„Die Digitalisierung verändert die Welt.“ Mit diesen „fünf Worten“ beschreibt Strobl eine der großen Herausforderungen. Die Digitalisierung sei nicht irgendwann in der nächsten Generation relevant, sondern der gewaltige Umbruch in Wirtschaft und Gesellschaft wirke bereits heute.
- Strobl verdeutlicht dies unter anderem am Beispiel des noch in diesem Jahr herauskommenden neuen A 8. Dieses Audi-Modell sei pilotiert, könne gleichsam automatisch ohne Mensch am Steuer beispielsweise in ein Parkhaus einfahren.
- 60 Prozent der heutigen Schüler wären später in Berufen tätig, „die wir heute noch gar nicht kennen“, nennt der stellvertretende Ministerpräsident ein weiteres Beispiel für die rasanten Umbrüche.
Schnelles Internet schnell hinbekommen
Die Digitalisierung sei zwar disruptiv, verdränge bestehende Techniken, biete gleichzeitig jedoch „kolossale Chancen“ und schaffe neue Arbeitsplätze. Der Breitbandausbau wird da zur Pflicht für das Technologieland Baden-Württemberg. Strobl ruft zur Gemeinschaftsleistung auf, um „das schnelle Internet schnell hinzubekommen, und zwar in den nächsten zwei Jahren. Das muss unser Anspruch und Ehrgeiz sein“.
Idee und Kulturerbe
„Wir verstehen uns als tragende Säule in der sozialen Marktwirtschaft“, freut sich Dr. Roman Glaser über die Würdigung der UNESCO. In Baden-Württemberg ist mehr als jeder dritte Einwohner Mitglied in einer Genossenschaft. Die Idee von Friedrich-Wilhelm Raiffeisen, dessen Geburtstag sich 2018 zum 200. Mal jährt, sei „nach wie vor aktuell und für alle möglichen Herausforderungen geeignet“, betont der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes (BWGV).
Besonders bei Obst und Wein sowie bei der Milch sind laut Glaser die Genossenschaften in der Landwirtschaft besonders stark vertreten. Die Preisvolatilität werde wichtiges Thema in den nächsten Jahren bleiben, meint er. Zwar sei der Milchüberschuss nicht im Land produziert worden, seine Auswirkungen jedoch auch hier deutlich zu spüren gewesen. „Daran müssen wir arbeiten, um künftigen Preiswellen besser begegnen zu können“, kündigt der Genossenschaftspräsident an.
Große Herausforderungen und Chancen zugleich sieht er im Ausbau der Absatzförderung für regionale Produkte. Das Engagement des Landes in dieser Sache begrüßt er „ausdrücklich“. Die Marketinggesellschaft Baden-Württemberg nehme hier eine Schlüsselrolle ein; die Genossenschaften würden dabei gerne mitwirken.
„Mit regionalen Geschäftsmodellen, demokratischer Unternehmensverfassung und Mitgliederförderung statt Gewinnmaximierung funktioniert das Genossenschaftsmodell außergewöhnlich gut und ist nachhaltig erfolgreich. Die stetigen Neugründungen zeigen, dass sich unsere Unternehmensform für viele zukunftsorientierte Geschäftsideen und Formen der Kooperation eignet“, unterstreicht Glaser. Nicht zuletzt die Ernennung zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit Ende vergangenen Jahres durch die UNESCO hebe den besonderen Stellenwert der Genossenschaftsidee und ihrer Umsetzung in der Praxis hervor.
Regionale Vermarktung stärken
Die gegenwärtige Situation und zukünftige Entwicklung der ländlichen Genossenschaften steht im Mittelpunkt des Fachforums „Landwirtschaft“. „Unsere Gesellschaft ist auf eine funktionierende Landwirtschaft angewiesen. Wir müssen als Politik die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, innerhalb derer die Betriebe erfolgreich arbeiten können“, betont Minister Hauk. Dabei hebt er insbesondere die enorme Bedeutung der Genossenschaften in der Landwirtschaft hervor.
Den Megatrend der Regionalität sieht Hauk als Chance, „dazu sowohl Verbraucher als auch Landwirte abholen zu können“. Wichtige Aufgabe der Genossenschaften dabei sei es, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse auch aus dem Öko-Landbau zu bündeln und in den Lebensmitteleinzelhandel hineinzubringen.
Dem Minister ist es ein Anliegen, die neuen digitalen Techniken in den mittelständischen Betrieben verfügbar zu machen. Angesichts der Chancen dieses Trends sei zu prüfen, inwieweit Genossenschaften die Landwirte in der Ausbringtechnik unterstützen könnten, und ebenso zu überlegen, ob hierzu neue Organisationsformen entwickelt werden sollten.
Als weitere Herausforderung sieht Hauk die bessere Zusammenführung der Produzenten zu Erzeugergemeinschaften. Die Genossenschaft srelle dafür eine geeignete Kooperationsform dar.
Im Fokus der Diskussion stehen die Stärkung der regionalen Herkunft, die Herausforderungen der fortschreitenden Digitalisierung für die genossenschaftlichen Erzeugerorganisationen sowie Lösungsansätze für die anhaltende Preisvolatilität auf den Agrarmärkten.
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