Lokalanästhesie keine Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration
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Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz lehnt diesen vierten Weg aus Tierschutzgründen ab. Der Vorsitzende der TVT, Prof. Thomas Blaha, erklärt: "Die Verabreichung einer Lokalanästhesie in diesem sensiblen Bereich ist für die Tiere hochgradig schmerzhaft, die Tiere sind durch die Fixation und die Injektion selbst gestresst und der Schmerz wird nicht unbedingt komplett ausgeschaltet. Darüber hinaus können vermehrt Wundheilungsstörungen auftreten. Nicht zuletzt wird den Tieren ihre körperliche Unversehrtheit genommen. Die Kastration unter Lokalanästhesie, teilweise durchgeführt von Laien, die sicherlich nicht immer die richtige Stelle für die Injektion treffen, ist für uns deshalb keine sinnvolle Alternative".
Die TVT spricht sich deshalb für die Jungebermast mit Impfung (Improvac) aus: Hier werden den Tieren spezielle Antigene gespritzt. Diese stimulieren das Immunsystem zur Produktion von Antikörpern gegen die Geschlechtshormone, die den Ebergeruch verursachen. Nach zweimaliger Impfung werden dadurch die Hodenfunktion und damit die Androstenon- und indirekt auch die für den Ebergeruch verantwortliche Skatolproduktion unterdrückt. Zusätzlich reduziere sich auch das typische Eberverhalten, nämlich der Drang zu Rangkämpfen, der bei nicht geimpften Ebern vielfach zu Verletzungen führe.
Zwei Injektionen mehr seien im Lichte der ohnehin zahlreichen Impfungen, die den Tieren im Interesse der Gesunderhaltung zugemutet werden, nur eine geringe zusätzliche Belastung, so die TVT, besonders wenn man die Nachteile in Erwägung ziehe, denen die Tiere bei Verzicht auf die Impfung ausgesetzt seien.
Bei der Kastration nach vorheriger Narkose und/oder Betäubung bezahle das Tier einen hohen Preis - auch bei zusätzlicher Schmerzmittelanwendung zur Eindämmung des postoperativen Schmerzes: Das Handling bis zur Narkose erzeuge Angst und einen hohen Stresslevel. Dem Tier werde seine körperliche Unversehrtheit genommen.
Bei der Jungebermast ohne Impfung bezahle das Tier ebenfalls einen hohen Preis: Für Tiere aus der Ebermast zeigten vergleichende Untersuchungen am Schlachthof, dass unkastrierte männliche Schweine signifikant mehr Hautverletzungen (durch Rangkämpfe im Bestand, auf dem Transport und im Wartestall des Schlachthofs) und viele Tiere Bissverletzungen im Penisbereich aufwiesen.
Obwohl die Impfung aus Tierschutzsicht mit Abstand die sinnvollste Alternative zur Kastration sei, werde diese von Schweinemästern abgelehnt, da sie sich Sorgen über den Arbeitsaufwand und die Kosten der Impfung machten. Der Einzelhandel befürchte die Ablehnung des Fleisches von geimpften Tieren durch die Verbraucher. Die TVT weist in diesem Zusammenhing darauf hin, dass in Australien und Neuseeland seit vielen Jahren ausschließlich die Impfung männlicher Ferkel gegen den Ebergeruch praktiziert werde, in Europa in Belgien ebenfalls bei rund 40 Prozent der Eber.
Die Sorgen der Mäster könnten durch eine finanzielle Umverteilung in der Produktionskette genommen werden. Der Einzelhandel hingegen könnte durch kluge Bewerbung eines „tierschutzgerechteren“ (und damit höherwertigen) Schweinefleisches die Verbraucher überzeugen.
Die TVT appelliert deshalb an den Einzelhandel, bei „ethisch sensiblen“ Produkten wie Fleisch auf den üblichen preistreibenden Wettbewerb untereinander zu verzichten. Im Interesse einer gesellschaftlich akzeptierbaren Produktion von Lebensmitteln tierischer Herkunft sollte zu einem vereinbarten Termin gleichzeitig die Bewerbung des „tierschutzgerechteren" und gesundheitlich unbedenklichen Fleisches geimpfter Ferkel beginnen.
Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT) ist ein Verein von Tierärzten mit verschiedenen Spezialgebieten, die für wirksamen und zielgerichteten Tierschutz eintreten. Die Arbeit der TVT basiert auf ethischen Überlegungen ebenso wie auf Fachkompetenz, wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen.
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