„Vielerorts ein Nervenspiel“
Die deutschen Bauern fuhren in diesem Jahr nur eine unterdurchschnittliche Getreide- und Rapsernte ein. Der wechselhafte Sommer mit regional unterschiedlich aufgetretenen Wetterextremen hat die Erntearbeiten teilweise massiv behindert und verzögert. Die Ernte in Norddeutschland und in einigen Höhenlagen ist derzeit immer noch nicht abgeschlossen. Für Deutschland zeichnet sich 2017 eine Erntemenge von 44,5 Millionen Tonnen Getreide ab. Dies geht aus dem abschließenden Erntebericht des Deutschen Bauernverbandes (DBV) hervor, der auf den Meldungen der Landesbauernverbände über die tatsächlich geernteten Flächen und Mengen beruht.
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Damit wird das enttäuschende Vorjahresergebnis (45,4 Millionen Tonnen) noch einmal um zwei Prozent verfehlt. 2015 wurden fast 49 Millionen Tonnen Getreide geerntet. Deutlicher fielen die Einbußen bei Raps aus: mit nur 4,3 Millionen Tonnen Winterraps wurden sechs Prozent weniger Raps als im Vorjahr geerntet.
Rukwied: Insgesamt unter Vorjahr
„Die diesjährigen Getreide- und Rapserträge zeichnen sich durch große regionale Unterschiede aus. Sie bleiben abgesehen von der Gerste im Bundesdurchschnitt jedoch hinter dem Vorjahresergebnis zurück. Die Witterungsbedingungen waren nicht optimal und vielfach durch Extremwetterereignisse geprägt, die auch im Ackerbau Schäden verursacht haben“, kommentierte DBV-Präsident Joachim Rukwied das abermals enttäuschende Ernteergebnis.
Zwar konnten die Erträge in einzelnen Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gegenüber dem sehr schwachen Vorjahr deutlich verbessert werden, die Landwirte im Westen und Südwesten Deutschlands dagegen mussten nach den schwachen Vorjahreserträgen weitere Ertragseinbußen hinnehmen. Auch die Betriebe in Mitteldeutschland (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) verzeichneten geringere Erträge als 2016, allerdings war dort eine überdurchschnittliche Getreideernte eingefahren worden.
Extrem wechselhafte Witterung
Ausgehend von vielfach zu trockenen Aussaat- und somit schlechten Auflaufbedingungen für den Winterraps setzten sich die geringen Niederschlagsmengen im Winter 2016/2017 und in diesem Frühjahr fort. Auf einen warmen März folgte am 19./20. April ein Kälteeinbruch mit Nachttemperaturen von bis zu minus 7 Grad Celsius. Mitte Juni herrschte in Deutschland verbreitet eine sehr heiße und extrem trockene Witterung, an die sich mit Sturmtief „Paul“ erste Hagel- und Starkregenereignisse anschlossen.
Die mit Beginn der Wintergerstenernte einsetzende sehr wechselhafte Witterung mit verbreitet hohen Niederschlagsmengen setzte sich im Juli fort. Der Juli war laut Deutschem Wetterdienst einer der zehn niederschlagsreichsten Julimonate seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Bundesweit fielen rund 130 Liter Regen pro Quadratmeter, was 163 Prozent des durchschnittlichen Juli-Niederschlags entspricht. Die letzten Juli-Tage waren regional zudem von ergiebigem Dauerregen geprägt.
„Erntereife Getreidebestände lagern, was die Erntearbeiten erschwert und die Kosten durch Trocknung erhöht. Das im August weiterhin unbeständige Sommerwetter mit immer wiederkehrenden Niederschlägen hat die Erntearbeiten verzögert. Die Ernte 2017 wurde zu einem Nervenspiel für unsere Ackerbauern, die in ihrem Bemühen um den Erhalt von Mengen und Qualitäten der Getreide- und Rapsernte stark gefordert wurden“, so der Bauernpräsident.
Erntebilanz der einzelnen Kulturen
Winterweizen hat auf seinen insgesamt 3,14 Millionen Hektar Anbaufläche stark unter den widrigen Witterungsverhältnissen gelitten. Zunächst traf die Hitzewelle im Juni die Bestände während der Kornfüllungsphase, die mit dem trockenheits- und hitzebedingten Stress durch Notreife abgebrochen wurde. Im Juli und August litten die erntereifen Weizenbestände unter den wiederkehrenden Niederschlägen und gingen ins Lager. Die regenbedingten Ernteunterbrechungen haben dazu geführt, dass der Winterweizen an den Küstenregionen Norddeutschlands und in einigen Höhenlagen noch nicht vollständig abgeerntet werden konnte. Regional hat auch Dauerregen die Befahrbarkeit der Flächen unmöglich gemacht.
Vor diesem Hintergrund geht der Deutsche Bauernverband von einem Durchschnittsertrag von gut 7,4 Tonnen Weizen pro Hektar aus. Damit wird das Vorjahresergebnis von 7,7 Tonnen um gut drei Prozent, der fünfjährige Mittelwert von 8 Tonnen pro Hektar sogar um nahezu 7 Prozent verfehlt. Unter Berücksichtigung der Anbaufläche ist somit für Winterweizen eine Erntemenge von insgesamt 23,4 Millionen Tonnen zu erwarten. Gegenüber der letztjährigen Erntemenge von 24,1 Millionen Tonnen entspricht dies einem Rückgang um mehr als 720.000 Tonnen bzw. 3 Prozent.
Neben den Ertragsverlusten hat sich die Qualität durch die Regenfälle verringert. Die Fallzahlen – neben dem Proteingehalt ein wichtiges Kriterium für die Eignung von Weizen als Brotgetreide – haben bei den später geernteten Partien deutlich abgenommen. In der Folge können Landwirte diesen Weizen oftmals nur noch als Futterweizen vermarkten. Um diesen Verlust zu vermeiden, wurde regional auch die Ernte mit zu hohen Feuchtigkeitsgehalten in Kauf genommen.
Positive Ausnahme
Die Ernte der Wintergerste ist beendet. Die Anbaufläche war um drei Prozent auf 1,23 Millionen Hektar eingeschränkt worden. Die Erträge übertreffen mit 7,2 Tonnen pro Hektar das Vorjahresergebnis von 7,1 Tonnen pro Hektar nur leicht, so dass insgesamt eine Wintergerstenernte von 8,8 Millionen Tonnen herangewachsen ist. Die letztjährige Erntemenge wird nur um knapp zwei Prozent verfehlt, der fünfjährige Durchschnitt in Höhe von 8,7 Millionen Tonnen dagegen leicht übertroffen.
Sommergerste wurde in diesem Jahr auf 341.000 Hektar angebaut, das sind im fünfjährigen Durchschnitt (400.000 Hektar) fast 15 Prozent weniger. Wichtige Anbauregionen sind Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Im Bundesdurchschnitt wurden bei der Sommergerste Erträge von 5,4 Tonnen pro Hektar erzielt, so dass sich die Erntemenge auf insgesamt 1,85 Millionen Tonnen beläuft. Dies entspricht gegenüber dem Vorjahr (1,77 Millionen Tonnen) einer Steigerung der Erntemenge um fünf Prozent, gegenüber dem langjährigen Durchschnitt (2,22 Millionen Tonnen) jedoch einem Rückgang um mehr als 16 Prozent. Örtlich hat sich ein zu hoher Proteingehalt als problematisch erwiesen.
Die diesjährige Roggenernte beträgt nur 2,8 Millionen Tonnen. Gegenüber der letztjährigen Ernte in Höhe von 3,2 Millionen Tonnen ist die Erntemenge um gut zehn Prozent, gegenüber dem fünfjährigen Durchschnitt um rund 26 Prozent zurückgegangen. Zurückzuführen ist dies in erster Linie auf die diesjährige Anbaufläche von 538.000 Hektar (minus 6 Prozent gegenüber Vorjahr, minus 19 Prozent gegenüber dem Mittelwert 2012 bis 2016). Im Bundesdurchschnitt liegt der Roggenertrag bei 5,3 Tonnen pro Hektar (minus 5 Prozent gegenüber 2016), was unter anderem auf massive Ertragseinbußen im wichtigsten Roggenanbauland Brandenburg zurückzuführen ist.
Witterungsverlauf mindert Erträge
Die Anbaufläche von Winterraps zur Ernte 2017 betrug 1,31 Millionen Hektar. Der Witterungsverlauf hat die Erträge deutlich gemindert. Trockenheit nach der Aussaat hat die Bestände schlecht auflaufen lassen, was vielfach zu Lücken führte. Zudem trafen die Frostnächte im April den Raps in der Blüte. Ein erhöhter Krankheits- und Schädlingsdruck sowie die Hitzewelle im Juni verringerten das Ertragspotenzial weiter. Abschließend verhinderten die regenbedingten Ernteunterbrechungen ein fristgerechtes Einbringen der Rapsernte, so dass es selbst beim Raps zu Auswuchs kam.
Aufgrund dieser widrigen Umstände liegen die Rapserträge im Bundesdurchschnitt nur bei 3,3 Tonnen pro Hektar (2012 bis 2016: 3,9 Tonnen) und die Erntemenge insgesamt bei 4,3 Millionen Tonnen. Die Rapsernte liegt damit knapp 6 Prozent unter der Vorjahresernte in Höhe von 4,6 Millionen Tonnen und rund 18 Prozent unterhalb des fünfjährigen Durchschnitts (5,3 Millionen Tonnen). Neben den nicht zufriedenstellenden Erträgen enttäuschten vielfach auch die Ölgehalte. Diese liegen verbreitet um 40 Prozent.
Mais und Zuckerrüben profitieren bisher von dem Wechsel aus Regen und warmen, sonnenscheinreichen Tagen und konnten sich zuletzt positiv entwickeln, auch wenn feuchte und zugleich warme Witterung gerade bei Zuckerrüben die Gefahr von Blattkrankheiten birgt. Weiterhin warme Temperaturen und ausreichend Sonneneinstrahlung können sich noch positiv auf die Entwicklung des Kornertrages von Mais bzw. des Zuckergehaltes der Zuckerrüben auswirken.
Derzeitige Preissituation
Der nur zögerliche Erntefortschritt hat den üblicherweise mit dem steigenden Angebot während der Ernte einhergehenden Preisdruck abgemildert. Dennoch stellt sich die preisliche Situation für die deutschen Ackerbaubetriebe derzeit nur etwas besser als im Vorjahr dar. Für Brotweizen erzielt der Landwirt im Bundesdurchschnitt 153 (August 2016: 143) Euro pro Tonne, für Futtergerste 135 (August 2016: 121) Euro pro Tonne.
Da die deutschen Ackerbaubetriebe im freien Wettbewerb zu anderen Getreideerzeugungsregionen der Welt stehen, blicken die deutschen Landwirte mit Interesse auf die in Europa und weltweit erzeugten Getreidemengen. Die europäische Getreideproduktion erreicht mit 296 Millionen Tonnen in etwa das Vorjahresniveau, wobei die Weizenproduktion innerhalb der EU wieder auf gut 147 Millionen Tonnen gesteigert werden konnte (2016: 143). Weltweit werden nach den jüngsten Schätzungen des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums voraussichtlich 743 (2016: 755) Millionen Tonnen Weizen produziert. Bei einem Verbrauch von 737 Millionen Tonnen wird es somit zu einem weiteren Aufbau der ohnehin äußerst komfortablen Lagerbestände auf 265 (Vorjahr: 259) Millionen Tonnen kommen.





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