Smart Farming: Wenn der Schweinestall digital wird
Elektronik-Einsatz und Datenvernetzung waren die zentralen Themen auf der jüngsten Bauen-, Technik- und Umwelt-(BTU-) Tagung des Kuratoriums für Technik und Bauen in der Landwirtschaft (KTBL) vorvergangene Woche an der Uni Hohenheim. Das Zauberwort lautet: Landwirtschaft 4.0. Vernetzte Systeme, die bei den Tieren erfasste Daten aufbereiten und in Echtzeit Rückschlüsse zulassen, wie es ihnen geht und wo womöglich schnell eingegriffen werden muss, um Verletzungsrisiken und potenzielle Krankheiten schon im Vorfeld zu stoppen.
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Wie das gehen kann, zeigen Ihnen die drei folgenden Beispiele für Precision Livestock Farming-Systeme in der Schweinehaltung:
Beispiel 1: Online-Verfahren zur Minimierung der Gefahr erdrückter Jungtiere im Abferkelstall
Kann man Sauen davor bewahren, ihre Ferkel zu erdrücken? Dafür interessierten sich Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf, der Uni in Kiel und dem Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomik in Potsdam.
Ob elektronische Messsysteme dieses Erdrückungsrisiko minimieren können, wollte das Forscherteam in einem Versuch mit Richtmikrofonen und angeschlossenem Softwaresystem erkunden.
Hierfür statteten die Wissenschaftler die Kastenstände von 20 Sauen (Edelschwein x Deutsche Landrasse) für die Zeit zwischen Geburt und dem 14. Lebenstag der Ferkel mit Richtmikrofonen aus, die auf die Buchtenmitte ausgerichtet waren.
Die von den Richtmikrofonen erfassten Geräusche der Sauen und Ferkel wurden mit Hilfe des Softwareprogramms "Stremod" erfasst und kategorisiert. Die Körperhaltung der Sauen wurde mit Lichtschranken im Kopf-, Torso- und hinteren Bereich überwacht und in einer Datenbank protokolliert.
"Allerdings", das verhehlte Christian Manteufel vom Leibniz-Institut in Dummerstorf in seinem Vortrag auf der BTU-Tagung in Hohenheim nicht, „fielen die Ergebnisse bis jetzt ernüchternd aus. „Das Softwaresystem ist nach Auswertung der Versuchsdaten derzeit nicht in der Lage, zwischen den Stressgeräuschen eingeklemmter Ferkel und anderer Stressereignisse im Kastenstand zu unterscheiden“, erläuterte der Wissenschaftler vor den zahlreichen Zuhörern.
Helfen könnte künftig der Einsatz eines sogenannten Lagesensors, der nicht nur die Körperhaltung der Sau, sondern auch Geburtsbeginn und Ferkelalter automatisch bestimmen und dadurch die Erdrückungsverhinderung (rüttelnder Boden) im Kastenstand selbsttätig aktivieren könnte. Das würde, so Manteufel, zwar kurzfristig das Wohlbefinden der Sauen beeinträchtigen, tatsächlich gefährdete Ferkel aber effektiv schützen.
Beispiel 2: Echtzeit-Lokalisierung von tragenden Sauen in der Gruppenhaltung
Sogenannte Echtzeit-Lokalisierungssysteme gewinnen in der Nutztierhaltung an Bedeutung. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Mit solchen Systemen kann die Position für eine große Anzahl an Tieren gleichzeitig bestimmt und analysiert werden. Zurzeit werden verschiedene Echtzeit-Lokalisierungssysteme für die landwirtschaftliche Nutzung angeboten. Allerdings bietet nur der Hersteller "Smartbow" die Sendeeinheit als Ohrmarke an. In der Praxis haben sich bei Schweinen Ohrmarken bewährt, da sonstige Gegenstände erfahrungsgemäß ausnahmslos zerstört werden.
Für was interessierte sich nun das Forscherteam der Kieler Uni, des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin und das Institut für Theoretische Biologie, ebenfalls in Berlin? Wie genau können Sauen in Echtzeit in den Gruppen im Wartestall lokalisiert werden? Welche Schlüsse über ihr Verhalten lassen sich daraus ziehen, die womöglich Folgen Management und Stallbau haben?
Um das herauszufinden, wurden die Positionsdaten von 200 Sauen über drei Monate im Wartestall des Lehr- und Versuchszentrums Futterkamp in Schleswig-Holstein erfasst. Die Sauen werden dort in dynamischen Großgruppen mit wöchentlicher Umstallung gehalten. Für den Testlauf wurden die weiblichen Tiere mit Ohrmarken des Lokalisierungssystems "Smartbow" gekennzeichnet. Die Ohrmarken senden ihre Position dabei sekündlich an zwölf Empfänger im Stall.
Die Ergebnisse des einwöchigen Versuchs klingen derweil vielversprechend: Das verwendete Lokalisierungssystem bestimme zuverlässig, so Maike K. Will von der Uni Kiel, die jeweilige Position der Sauen in der Gruppenhaltung. Entsprechend könnten die Daten genutzt werden, um individuelle Bewegungsprofile und Kontaktnetzwerke der Sauen, zu erstellen, erläuterte die Wissenschaftlerin in ihrem Vortrag auf der Tagung.
Fazit des Teams um Maike K. Will: Die Netzwerkanalyse biete neue Einblicke in die Kontaktstruktur von Gruppensauen. Diese neuen Einsichten tragen dazu bei, das Verhalten der Tiere besser zu verstehen und die Ausbreitung möglicher Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu untersuchen.
Beispiel 3: Aktivitäts- und Verhaltensmuster von Mastschweinen mit einem UHF-RFID-System erkennen
Systeme, mit denen die Aktivität und das Verhalten von Nutztieren automatisch erfasst werden, können Landwirte bei der gesundheitlichen Überwachung ihrer Tiere unterstützen. Allerdings sei dies nicht ganz einfach, wie das Wissenschaftler-Team um Prof. Dr. Thomas Jungbluth vom Institut für Agrartechnik an der Uni Hohenheim, erfahren musste.
Der Grund: Die Tiere, in diesem Fall Mastschweine, verhalten sich äußerst unterschiedlich, je nach Situation, und sind dazuhin verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, die die Aussagekraft solch automatischer Systeme erschweren können.
Die Wissenschaftler an der Uni Hohenheim erfassten für ihren Testlauf das Fress-, Trink- und Spielverhalten von 100 Mastschweinen über die Dauer eines Mastdurchganges mit Hilfe eines Ultrahochfrequenz- (UHF) und Radiofrequenz-Identifikations- (RFID) Systems. Die so ermittelten Daten wurden mit den Daten einer herkömmlichen Gesundheitskontrolle verglichen. Jedes Mastschwein bekam für den Versuch eine elektronische UHF-RFID-Ohrmarke.
Jede Bucht wurde am Trog, den drei Tränken und dem Beschäftigungsgerät (Porky Play) mit IHF-RFID-Antennen ausgestattet, so dass die Aufenthaltsdauer von allen Schweinen an diesen Hotspots rund um die Uhr erfasst werden konnte.
Die Ergebnisse, das betonte Prof. Dr. Eva Gallmann von der Uni Hohenheim in ihrem Referat vergangene Woche, bieten indes Potenzial: Grundsätzlich, das stellte die Agrartechnikerin aus dem Team um Prof. Dr. Thomas Jungbluth, heraus, könne der Gesundheitszustand der Mastschweine über die aufgezeichneten Veränderungen im täglichen Verhalten kontrolliert werden.
So zeigten beispielsweise lahme Schweine im Vergleich zu gesunden Schweinen eine verminderte Laufaktivität. Eine Verhaltensabweichung, die laut Gallmann, über eine Berechnung der virtuellen Wegstrecken anhand der UHF-RFID-Daten abgebildet werden konnte.
Wie sich Tierwohl und Wirtschaftlichkeit auf den Betrieben künftig besser vereinbaren lassen, war, neben den fachlichen Schwerpunkten zur Verringerung von Emissionen und der fortschreitenden Digitalisierung der Ställe, dem sogenannten Precision Livestock Farming, einer der zentralen Diskussionspunkte auf der dreitägigen Expertentagung vergangene Woche an der Uni Hohenheim. Wir berichten in Ausgabe 39/2017 ausführlich über den Spagat zwischen Tierwohl, Tier-, Natur-, Umweltschutz und der Wirtschaftlichkeit der Nutztierbetriebe, und den Möglichkeiten, diesen zu lösen.
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