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Berliner Dialogforum

Wie sollen Nutztiere in Deutschland leben?

Ist preisgünstige, umweltfreundliche und zugleich artgerechte Tierhaltung machbar? Wie können Verbraucherinteressen gewahrt werden? Wie die der Landwirtschaft? Sind Weichenstellungen nötig und wenn ja, welche? Diese Fragen diskutierten jetzt rund 150 Teilnehmer unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen beim "Fachforum Landwirtschaft" des Berliner Tagesspiegels in Berlin. Die Veranstaltung wurde durch verschiedene landwirtschaftliche Organisationen unterstützt – darunter die Interessengemeinschaft Deutscher Schweinehalter (ISN).

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"Das Leben vor dem Braten gibt es nur, weil es ein Leben für den Braten gibt", beschrieb Peter Kunzmann, Ethik-Professor an der Tierärztlichen Hochschule Hannover die Ausgangssituation und führte aus, das Tierschutzgesetz schreibe vor, Tiere nicht unnötig leiden zu lassen.

Zu dem Ziel, dass Deutschland bei den Haltungsbedingungen für die Tiere weltweit führend werde, dazu bekannte sich auch das ISN-Vorstandsmitglied Philipp Schulze Esking. Dieses Ziel sei jedoch nur im Konsens mit Wissenschaft, Politik und der Mehrheit der Gesellschaft erreichbar, führte der Schweinehalter weiter aus.

Zugleich warnte er, dass die Vorschläge und Vorstellungen der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen wirtschaftlich umsetzbar sein müssen. "Wenn Landwirte aufgeben und Fleisch aus Ländern mit geringeren Standards importiert wird, haben wir für das Tierwohl wenig erreicht", so Schulze Esking. Die Verantwortung der hiesigen Landwirte und ihr Einfluss auf die Haltung von Nutztieren gingen dann verloren, "wie wir dies bei der Flüssigeiproduktion bereits erleben".

Dass es sich bei den mitten in Berlin diskutierten Herausforderungen nicht nur um theoretische Überlegungen handelte – wie eine Zuhörerin mutmaßte, wurde anhand der Darstellungen eines weiteren Schweinehalters, nämlich Christoph Selhorst, ebenfalls Mitglied im ISN-Vorstand, deutlich. Dieser stellte die Entwicklung des in NRW gelegenen Familienbetriebes dar.

Besonders wurden hierbei neben den ökonomischen Zwängen auch die Zielkonflikte und bürokratischen Hürden deutlich, wenn es um die Umsetzung von mehr Tierwohl geht. Es sei schwierig, wenn die Rechtssicherheit und Planbarkeit fehle, so Selhorst. Beispielsweise sei es nicht so einfach einen Auslauf an den Schweinemaststall anbauen.

Dies sei genehmigungsrechtlich eine enorme Herausforderung, wenn nicht sogar fast unmöglich. Bestätigt wurde Selhorst in der Diskussion durch das weitere ISN-Vorstandsmitglied, Jürgen Dierauff. Dieser musste sein Vorhaben, seinen in Bayern gelegenen neuen Stall mit einem Auslauf auszustatten, ebenfalls aufgrund der Zielkonflikte aufgeben. 

Martin Hofstätter von Greenpeace urteilte, dass sich die Zielkonflikte zwischen Tierschutz und Umweltschutz auflösen lassen. Während er sich optimistisch zeigte, dass die Menschen die Produkte auch weiter kaufen würden, wenn sie teurer würden, empfahl der Präsident des Thünen-Instituts (TI), Prof. Folkhard Isermeyer  mehr Realismus in der Debatte um einen Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland. "Der Markt wird das Problem nicht lösen", sagte der Agrarökonom. Eine Entwicklung, die allein dem Markt überlassen bleibe, werde nicht zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung führen.

Einen wirklichen Kurswechsel in der nationalen Tierhaltung könne allein die Politik herbeiführen, verdeutlichte Isermeyer. Notwendig sei eine neue Finanzarchitektur mit einer Abgabe auf Milch- und Fleischprodukte. Mit diesem Geld könnten Landwirte bezahlt werden, um die betrieblichen Mehrkosten zu decken, so der der Ökonom.

Brancheninitiative Tierwohl derzeit einziger Ansatz mit Breitenwirkung

 

Jetzt sei es wichtig, die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen "bei denen noch keine Milliardensummen bewegt werden müssen", erklärte Isermeyer,. Der Thünen-Präsident schlägt zum einen vor, staatliche Aktivitäten wie das Tierwohllabel mit der Brancheninitiative Tierwohl als derzeit einzigem Ansatz mit echter Breitenwirkung zu kombinieren. Zum anderen rät Isermeyer dazu, "Zielbilder" für eine zukunftsfähige Tierhaltung zu entwickeln und praktisch zu erproben. Bis Ende 2018 sollte es seiner Darstellung zufolge gelingen können, Ställe der Zukunft als Modellvorhaben in unterschiedlichen Teilen des Bundesgebiets zu errichten.

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