Veterinäre üben Kritik an Qualzucht bei Haus- und Nutztieren
Seit Tiere nicht mehr (nur) für Arbeitszwecke, sondern als Liebhabertiere gezüchtet werden, orientiere sich die Zucht auch erheblich am äußeren Erscheinungsbild. Die mittlerweile durch jahrhundertelange Züchtung von bis ins Extreme reichende Rassestandards hervorgerufenen Qualzuchten gehörten dabei immer häufiger zum Standard, kritisiert aktuell die Landestierärztekammer Baden-Württemberg.
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Da sei beispielsweise der Mops, den man schon schnorcheln höre, bevor man ihn sieht. Es ist der Schäferhund mit seinem schlacksigen Gang, kritisieren die dort organisierten Tierärzte. Der Grund: Die Oberschenkelknochen sitzen nicht mehr fest im Hüftgelenk. Es ist die Nacktkatze, die aufgrund fehlender Tasthaare die Fähigkeit verloren hat, ihre Umgebung richtig wahrzunehmen, schließlich die Perserkatze, die ständige Augenentzündungen bis hin zum Verlust der Augen hat.
Aber auch in der Nutztierhaltung sei das Thema Qualzucht sichtbar durch immer höhere Leistungssteigerungen, die der Mensch „seinen“ Tieren, für die er verantwortlich ist, abverlange. Milchkühe, die wegen ihrer enormen Milchleistung an Fruchtbarkeit verloren hätten sowie Mastgeflügel, das sich aufgrund seiner Körpermasse kaum mehr auf den Beinen halten könne.
Verstoß gegen das Tierschutzgesetz
Solche offensichtlichen Qualzuchten verstießen eindeutig gegen die aktuelle Rechtslage (Tierschutzgesetz Paragraf 11b). Tierleid sei jedoch juristisch schwer festzulegen und häufig fehlten konkrete Ausführungsbestimmungen, um eine Strafverfolgung einzuleiten.
Fachkundige und gewissenhafte Tierhalter seien sich derweil einig: Wenn Hunde kaum noch mehr Luft bekommen, um ein paar Meter ohne Qual zu laufen, ein fehlendes Haarkleid zu ständigen Sonnenbränden führt oder eine bestimmte Fellfarbe mit einem hohen Risiko an Taubheit oder Blindheit einhergeht, sollte ein solches Tier nicht noch dafür auf Zuchtschauen prämiert und als leuchtendes Beispiel seiner Rasse präsentiert werden. Diese Tiere gehörten weder auf die Showbühne, noch in die Zucht.
Unstrittig sollten diese Qualzuchten nicht auch noch für Werbezwecke der Öffentlichkeit präsentiert werden. „So mögen runde Schädel mit extrem kurzen Nasen und großen Glubschaugen auf viele Menschen drollig wirken. Es handelt sich dabei aber um eine züchterische Deformation des Schädels, die mit Atemnot, Störungen in der Thermoregulation und Vorfall des Augapfels einhergehen kann“, kritisiert Dr. Friedrich Röcken, Leiter der Arbeitsgruppe „Qualzuchten (Kleintier)“ der Bundestierärztekammer.
Die Tierärzteschaft fordert deshalb ein Umdenken – in den eigenen Reihen, bei Züchtern, Ausstellern und Tierhaltern.
„Immer mehr Menschen wollten ein bestimmtes Tier nur aufgrund seines Aussehens besitzen. Das war der Anfang einer dramatischen Entwicklung, die bis heute anhält. Es ist ein Skandal, was wir vielen Haustieren antun“, moniert Prof. Dr. Achim Gruber vom Institut für Tierpathologie der Freien Universität Berlin.
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