Lernen loszulassen
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BWagrar: Mit welchen Problemen hadern die meisten der Teilnehmer bei der bevorstehenden Betriebsabgabe?
Aselmeier: Die Probleme sind so verschieden wie die Seminarteilnehmer und ihre Höfe. Natürlich häufen sich bestimmte Fragen. In jüngster Vergangenheit beobachte ich immer öfter, dass das Übergeberehepaare zu der Aufbaugeneration gehört. Meist sind die Höfe unter ihrer Betriebsführung stark gewachsen, oft hat sich die Fläche oder die Tierzahl mehr als verdoppelt, neue Betriebszweige wurden aufgebaut, Land dazu gekauft. Das konnte nur gelingen durch einen starken Arbeitsantrieb gekoppelt mit Ehrgeiz und Wachstumsanreizen. Persönliche Wünsche wurden hintenan gestellt. Für diese Generation hat das alles so gepasst. Sie haben es damit weit gebracht. Nun stehen sie oft einer Generation gegenüber, für die Arbeit nicht mehr alles ist und die zudem beginnt, am ständigen Wachstum zu zweifeln. Sie haben nicht dieselbe Arbeitsmoral, sie wollen sonntags auch mal ausschlafen, selbst bei schönem Wetter. Viele Übergeber können das nicht nachvollziehen, sie haben Angst, dass der Nachfolger oder die Nachfolgerin nicht genügend „Drive“ hat, um den Betrieb in der bisherigen Weise weiter zu entwickeln. Dass es auch anders gehen könnte, – ruhiger, kleiner – können sie sich kaum vorstellen, zumal neben dem oft so lapidar dahingesagten „Nicht loslassen können“ ja auch ihre finanzielle Existenz im Alter vom Fortbestand des Betriebes abhängt. Auf der anderen Seite gibt es auch wachsende Zweifel an den Zukunftsperspektiven für die Landwirtschaft insgesamt. So manchem Übergeberehepaar drängt sich die Frage auf, ob sie dem Junior die Betriebsübernahme überhaupt zumuten dürfen oder ob sie ihm nicht besser abraten. Vielen ist bewusst, dass Wachsen leichter ist als Erhalten, gerade in diesen Zeiten.
Außerdem beschäftigt die Übergeber oft die Frage nach der Gestaltung ihres Ruhestands. Sie fragen sich, was sie mit ihrer Zeit im Ruhestand anfangen sollen, wer sie noch sind, wenn sie nicht mehr auf dem Traktor sitzen. Wer zeitlebens keine Zeit hatte, sich mit diesen Fragen zu befassen wird zwangsläufig von der Hofübergabe davon überrumpelt.
BWagrar: Wo gibt es Ansatzpunkte zur Lösung?
Aselmeier: Die meisten Probleme ließen sich klären und regeln, wenn man darüber sprechen würde. Doch das bleibt oft aus. Nur wenige landwirtschaftliche Familien setzen sich an den Tisch und nehmen sich Zeit, um über die Hofübergabe, die Wünsche, Erwartungen und Befürchtungen aller Beteiligten zu sprechen. Und selbst wenn dies erfolgt, so ist es gar nicht so leicht, die richtigen Worte zu finden, um seine Wünsche auszudrücken und dabei seinem Gegenüber nicht auf die Füße zu treten. Zuvor sollte man sich zudem ein Bild seiner Wünsche und Vorstellungen gemacht haben.
Hilfreich ist es, sich für den Ablöse- und Trauerprozess, Zeit und Raum zu nehmen. Es ist nachvollziehbar, dass eine Hofabgabe unangenehme Gefühle auslöst. Diese sollten nicht verdrängt werden, diese muss und darf man zulassen. Unter Umständen kann an diesem Punkt eine Beratung weiterhelfen. Noch besser ist es meiner Meinung an, mit anderen gleichermaßen Betroffenen zu sprechen. Das gibt das Gefühl, mit seinen Problemen nicht allein zu sein. Auch anderen geht es so.
Beratung kann auch im Gespräch mit den Übernehmern eine gute Hilfe sein, um die richtigen Worte zu finden, eine wertschätzende Haltung und Atmosphäre im Gespräch zu bewahren und immer wieder zu prüfen, ob die eigenen Wünsche und Erwartungen realistisch sind. Oder ob nicht die Angst dahinter steckt, keine Veränderungen zulassen zu wollen.
BWagrar: Wie wichtig ist es, sich frühzeitig mit der Abgabe des Betriebs zu befassen?
Aselmeier: Veränderungen im Leben sind immer mit „Krisen“ verbunden. Und es gibt im Leben genügend Veränderungen, auf die man sich nicht vorbereiten kann. Dass eine Hofübergabe irgendwann ansteht, ist klar. Wer sich schon lange davor damit befasst, gewöhnt sich an den Gedanken und er verliert seinen Schrecken. Ratsam ist es, frühzeitig Familienmitglieder einzubeziehen, Gespräche zu führen und einen Plan zu machen. Nicht erst dann, wenn man sich zur Frage der Betriebsabgabe gleichzeitig vielleicht auch noch damit befassen muss, dass der Körper altert und die ganze Arbeit nicht mehr schafft. Das ist oftmals fatal., denn genau in einem solchen Moment will man sich vielleicht beweisen, dass man die Arbeit noch schafft, dem Betrieb noch gewachsen ist und ignoriert den Lauf der Zeit.
BWagrar: Welche Bedeutung haben dabei neue Aufgaben oder Hobbys abseits des Hofes?
Aselmeier: Wer seine ganze Lebenszeit dem Betrieb gewidmet hat, für den hört gefühlsmäßig mit der Hofübergabe dieses Leben auf, denn er kennt ja nichts anderes. Wie bereits gesagt, wird Trauer da sein. Umso wichtiger ist es, in dieser Phase des Lebens Dinge zu haben, die bleiben, die tragen, weiter Freude bereiten oder einen mit Stolz erfüllen. Dann fällt es leichter, den Schmerz über das Losgelassene zu überwinden. Da der Nachfolger den Betrieb sicher in dem einen oder anderen Punkt ganz anders führt, als der Übergeber es vielleicht für richtig hält oder auch Fehler unterlaufen – wie man sie übrigens selbst auch in den Anfangszeiten gemacht hat – ist es besser, nicht ständig und nur auf dem Betrieb zu sein, sondern hin und wieder seinen eigenen Interessen nachzugehen. Allerdings muss man die dann auch haben.
Mehr zum Ablauf der SVLFG-Seminare sowie die Sicht von Iris und Hans Bader, die in Bollschweil mit dabei waren, lesen Sie in BWagrar Heft 15/2018.
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