Weniger Pflanzenschutz- und Düngemittel abgesetzt
Der Abwärtstrend hielt für die deutsche agrochemische Industrie vor dem Hintergrund anhaltender Trockenheit und reduzierter Ernteerträge auch 2019 weiter an.
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Der Inlandsumsatz mit Pflanzenschutzmitteln der im Industrieverband Agrar e. V. (IVA) organisierten Unternehmen sank im vergangenen Jahr abermals um 6,9 Prozent auf 1,193 Milliarden Euro (2018: 1,282 Mrd. Euro). Gegenüber dem Höchststand im Jahr 2014 sind die Umsätze um ein Viertel eingebrochen und der Markt damit noch unter das Niveau des Jahres 2007 geschrumpft.
In einem ähnlichen Abwärtstrend bewegte sich seit 2014 im Düngemittelmarkt auch der Absatz des Hauptnährstoffs Stickstoff, der in der vergangenen Düngesaison um weitere 10 Prozent auf 1,342 Millionen Tonnen zurückgegangen ist (Höchststand 2014/15: 1,823 Mio. Tonnen). Der Absatz phosphathaltiger Düngemittel sank 2018/19 um 4 Prozent auf 201 159 Tonnen, Kalk-Dünger sanken um 2 Prozent auf 2,87 Millionen Tonnen; lediglich der Absatz an Kalidüngern stieg im Vorjahr um 4,5 Prozent auf 409 542 Tonnen. Diese Zahlen gab der Wirtschaftsverband heute im Rahmen seiner Jahrespressekonferenz in Frankfurt bekannt, die wegen der Corona-Pandemie als Videokonferenz stattfand.
Nettoinlandsumsatz im freien Fall
Der Nettoinlandsumsatz (NIU) mit Pflanzenschutzmitteln in Deutschland betrug im Geschäftsjahr 2019 1,193 Milliarden Euro. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr (1,282 Mrd. Euro) ein Minus von 6,9 Prozent im Direktgeschäft zwischen der im IVA organisierten Industrie und dem Pflanzenschutz-Großhandel. Damit fiel das Niveau des Markts unter das des Jahres 2007 (1,233 Mrd. Euro).
Die Ackerbaukulturen haben den Winter von 2018 auf 2019 ohne nennenswerte Auswinterungsschäden überstanden und entwickelten sich im Frühjahr gut. Die Pflanzenschutzsaison begann im Vergleich zu den Vorjahren relativ früh und war im März und April positiv. Ab Mai setzte wie im Vorjahr eine ungewöhnliche Trockenheit ein, die sich bis in den Spätsommer hinzog. Insbesondere in Ost- und Norddeutschland litten Getreide und Mais unter Wassermangel. Die späten Fungizid-Maßnahmen im Getreide und zahlreichen Anwendungen im Bereich der Spezialkulturen Wein und Obst wurden reduziert oder entfielen ganz. Erneut sanken die Getreide- und Rapserträge in einigen Regionen deutlich unter den langjährigen Mittelwert.
Der Herbizidumsatz fiel um 4 Prozent auf 545 Millionen Euro. Der Einsatz von Getreideherbiziden auf leicht gestiegener Wintergetreidefläche zog wegen der Witterungsbedingungen im Herbst 2018 um über 20 Prozent an, im Frühjahr 2019 sank er hingegen ein wenig. Der Markt für Rübenherbizide war gut, der Einsatz jedoch eher verhalten. Gründe dafür waren die gute Wirkung der ersten Spritzung und höhere Bestände beim Handel. Trotz des leichten Anstiegs der Maisanbaufläche sank der Maisherbizidmarkt um 2 Prozent. Häufig kamen günstigere Produkte als im Vorjahr zum Einsatz. Die Raps-Anbaufläche war im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich reduziert, was sich in einem Rückgang des Marktwerts um circa 30 Prozent bemerkbar machte.
Der Fungizidumsatz ging im Vergleich zum Vorjahr um 12,8 Prozent zurück und beträgt 435 Millionen Euro. Dabei hat sich der Marktwert der Getreidefungizide positiv entwickelt und stieg um 7 Prozent. Der Krankheitsdruck entwickelte sich bis Mitte Mai 2019 auf normalem Niveau und sorgte für einen Anstieg der Blattbehandlungen in Gerste und Weizen (T2-Applikation). Besonders im Norden und Osten wurden nach Einsetzen der Trockenheit spätere Fungizid-Anwendungen reduziert oder entfielen völlig. Der Fungizideinsatz im Raps sank um 25 Prozent. Damit hat sich der Marktwert der Rapsfungizide innerhalb von zwei Jahren halbiert. Der Markt für Kartoffelfungizide wuchs hingegen um über 15 Prozent, wobei der unterschiedliche Pilzdruck für regionale Unterschiede sorgte. Da in Regionen, die unter Trockenheit litten, die Kartoffeln zu großen Teilen beregnet wurden, waren hier intensive Fungizid-Maßnahmen erforderlich.
Der Insektizidumsatz einschließlich Akariziden und Synergisten liegt mit 134 Millionen Euro um 1,5 Prozent über dem Wert des Vorjahres. Der Markt für Rapsinsektizide ist im Frühjahr 2019 deutlich um 33 Prozent gesunken. Dagegen stieg der Markt für Getreideinsektizide im Frühjahr 2019 um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Treiber für diese Entwicklung waren die gewachsene Wintergetreidefläche und das verstärkte Auftreten von Blattläusen. Der Umsatz der „sonstigen“ Pflanzenschutzmittel wie beispielsweise Wachstumsregulatoren, Rodentizide (Mittel zur Bekämpfung von Nagetieren) und Molluskizide (Schneckenmittel) ging um 4,8 Prozent auf 79 Millionen Euro zurück. Der Markt für Wachstumsregulatoren schrumpfte im Vergleich zum Vorjahr um rund 5 Prozent. Die Behandlungsintensität bewegte sich auf Vorjahresniveau. Es wurden allerdings verstärkt günstige Produkte eingesetzt. Der Molluskizid- umsatz war weiterhin rückläufig. Dazu trugen die Witterung und der in vielen Regionen ausbleibende Schneckenbefall maßgeblich bei.
Der Umsatz für Pflanzenschutzmittel für Haus und Garten lag im Jahr 2019 bei insgesamt 52,9 Millionen Euro, was gegenüber dem Niveau des Vorjahres (60,9 Mio. Euro) einen Rückgang von etwa 13 Prozent bedeutet. Berechnungsbasis sind die Bruttopreise der Hersteller an den Handel.
Schwierige Rahmenbedingungen fürs Düngemittelgeschäft
Die Saison 2018/19 war für die Landwirtschaft in Deutschland erneut keine einfache. Erschwerte rechtliche Rahmenbedingungen und schwierige, regional sehr unterschiedliche Witterungsbedingungen haben eine bedeutende Rolle gespielt. Dies hat auch den Düngemittelmarkt nicht unbeeinflusst gelassen: So waren erneut deutliche Absatzrückgänge von stickstoff- und phosphathaltigen Düngemitteln in Deutschland zu verzeichnen. Großen Einfluss auf den Rückgang hatten unter anderem auch die anhaltenden Auswirkungen der Dürre 2018, denn durch die geringe Bodenfeuchte sind die Frühjahrsgaben regional deutlich geringer ausgefallen.
Bei den Stickstoffdüngern erreichte der Absatz 2018/19 ein Volumen von insgesamt 1,342 Millionen Tonnen, was einem Rückgang von gut 10 Prozent entspricht. Neben den schwierigen Witterungsverhältnissen haben auch die großen Lagerbestände den Absatz beeinträchtigt. Zudem verstärken die strengen Vorgaben der Düngeverordnung weiterhin die zurückhaltenden Düngemaßnahmen. Der Marktanteil von Kalkammonsalpeter lag bei knapp 37 Prozent. Damit war er traditionsgemäß wieder der bedeutendste mineralische Stickstoffdünger. Aufgrund des weiteren Absatzrückgangs auf 236 142 Tonnen kommt Harnstoff nur noch auf einen Marktanteil von gut 17 Prozent. Bei den „anderen Einnährstoffdüngern“, zu denen auch die schwefelhaltigen Düngemittel wie Ammonsulfatsalpeter zählen, gab es einen Rückgang um 7,14 Prozent. Absolut nahm der Absatz von AS und ASS um etwa 37 500 Tonnen und damit um 22 Prozent ab.
Bei Phosphatdüngern ist erneut ein Rückgang zu verzeichnen. Der Verkauf ist um 4 Prozent gesunken und lag bei 201 159 Tonnen. Besonders deutlich war der Absatzrückgang bei den NP-Düngemitteln, mit einem Minus von 21 Prozent. Der Absatz von Superphosphaten konnte sich dagegen leicht erholen und lag bei 30 172 Tonnen. Gegenüber dem Vorjahr war dies ein Anstieg um 35 Prozent. Bei den PK-Mehrnährstoffdüngern hat sich der Absatz auf 20 573 Tonnen fast verdoppelt, allerdings liegt dem ein statistischer Fehler im vorherigen Düngejahr zugrunde. Damals wurden Destatis zu geringe Absätze gemeldet, sodass der Absatz real wahrscheinlich einigermaßen konstant blieb.
Kalidünger stellte in der Saison 2018/19 die Ausnahme der mineralischen Dünger dar und konnte eine Zunahme von 8 Prozent verzeichnen. Der Verkauf lag bei 409 542 Tonnen. Dies liegt im Wesentlichen am vermeintlichen Anstieg des Absatzes von PK-Düngern, allerdings liegt auch hier die verzerrte Darstellung aufgrund der Fehlmeldung aus 2017/18 zugrunde. Der Absatz der übrigen kalihaltigen Düngemittel blieb einigermaßen konstant. Wichtigster Kalidünger bleibt Kaliumchlorid mit einem Anteil von 68 Prozent, allerdings mit einem absoluten Rückgang um 8200 Tonnen. Kalk (CaO) Nachdem Kalkdünger in den vorangegangenen zwei Düngejahren deutlich zulegen konnten, gab es in der letzten Saison einen Rückgang zu verzeichnen. Der Absatz lag mit einem Minus von 2 Prozent bei 2,87 Millionen Tonnen. Rund 79 Prozent des Absatzes oder 2,244 Millionen Tonnen entfallen auf den „kohlensauren Kalk“. Hier kam es zu einem Rückgang von knapp 3 Prozent, trotzdem bleibt er der wichtigste Kalkdünger. Einen Rückgang um 7,5 Prozent gab es auch bei den Misch-, Carbo- und Rückstandskalken. Zulegen konnte einzig der Absatz von Konverterkalk, bei einem Anstieg um 15 Prozent auf 190 004 Tonnen.
Zweites Dürrejahr in Folge
„Die deutsche Landwirtschaft erlebte 2019 das zweite Dürrejahr in Folge. Das blieb nicht ohne Folgen auch für die Nachfrage nach Pflanzenschutzmitteln, viele Anwendungen wurden reduziert oder blieben ganz aus. Der rückläufige Markt hat vielfältige Ursachen; in den Zahlen spiegelt sich aber auch, dass Landwirte eben nur dann zu Pflanzenschutzmitteln greifen, wenn ihre Kulturen bedroht sind. Das spricht dafür, dass das Prinzip des integrierten Pflanzenschutzes funktioniert“, kommentierte IVA-Präsident Dr. Manfred Hudetz den Pflanzenschutzmarkt 2019.
„Die anhaltende Trockenheit im vergangenen Jahr und die regional niedrigen Erträge haben Düngemaßnahmen stark eingeschränkt. Neben den schwierigen Witterungsbedingungen hatten auch die großen Lagerbestände im Handel den Absatz beeinträchtigt. Und nicht zuletzt wirken die strengen Vorgaben der Düngeverordnung, insbesondere bei Stickstoff und Phosphat, weiterhin dämpfend auf den Mineraldüngerabsatz“, sagte Hans-Jürgen Müller, Vorsitzender des IVA-Fachbereichs Pflanzenernährung.
Hudetz mahnte mit Blick auf die Ackerbaustrategie der Bundesregierung noch einmal Augenmaß in der Pflanzenschutz-Zulassung an. Die in den nächsten Jahren zu erwartenden Verluste von genehmigten Wirkstoffen lassen die Bekämpfungsoptionen weiter schrumpfen. „Auf dem Papier haben die Landwirte vielleicht noch viele Mittel zur Auswahl, die Zahl der Wirkmechanismen schrumpft aber immer weiter“, so Hudetz. Wichtige große Kulturen wie Raps, Kartoffeln oder Zuckerrüben würden so immer schwieriger anzubauen und ökonomisch weniger attraktiv. Allein die Rapsanbaufläche sei von 1,4 Millionen Hektar 2014 im Vorjahr auf etwa 900 000 Hektar geschrumpft.
„Wir dürfen aber nicht nur auf die einzelne Kultur schauen. Wer sich möglichst weite Fruchtfolgen wünscht, also den lebendigen Wechsel von Blatt- und Halmfrüchten, muss den Anbau einer Vielfalt an Kulturen fördern. De facto aber wird die gegenwärtige Pflanzenschutz-Politik zur Folge haben, dass die Anbaufläche von Weizen und Mais weiter zunehmen wird, wenn in kleineren Kulturen sinnvolle Pflanzenschutz-Maßnahmen massiv erschwert werden“, so Hudetz.
Mit Blick auf die Ende März 2020 im Bundesrat verabschiedete Düngeverordnung kommentierte Hans-Jürgen Müller: „Wir unterstützen das grundlegende Ziel der Düngeverordnung, die Nährstoffeffizienz im Pflanzenbau weiter zu steigern und negative Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden. Deshalb hatten wir vorgeschlagen, die Pflicht zum Einsatz von Inhibitoren bei harnstoffhaltigen Düngemitteln auszuweiten, um diese Zielsetzung zu unterstützen.“ Die Vorzüge hocheffizienter Mineraldünger in der politischen Diskussion zu beachten sei notwendig, erläuterte Müller: „Mit innovativen Lösungen der Industrie, mit modernen, digitalen Technologien und wissenschaftlich abgeleiteten Anwendungsempfehlungen zur Optimierung der Düngung tragen wir zu einer besseren Nährstoffeffizienz und zum Umweltschutz bei. Daher sind bei der Bewertung verschiedener Nährstoffträger alle wesentlichen Umweltwirkungen zu berücksichtigen, um ungewollte Nebeneffekte zu minimieren.“
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