Wie ist Absichern von Wetterrisiken bezahlbar?
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Raimund Lichtmannegger im Interview mit BWagrar
Wie ist Absichern von Wetterrisiken bezahlbar?
Raimund Lichtmannegger leitet die Direktion Landwirtschaft im Konzern Versicherungskammer. Das Unternehmen ist bundesweit der größte öffentliche Versicherer. Die Frostschäden in diesem Jahr bringen die Versicherung gegen extreme Wetterereignisse wieder auf die Tagesordnung. Wie sich die Landwirtschaft dagegen besser absichern kann, erläutert der Experte im Interview mit BWagrar.
BWagrar: Herr Lichtmannegger, wie sieht die Schadenslage durch Frost in diesem Jahr bisher aus? Wie stark ist Baden-Württemberg betroffen?
Lichtmannegger: Es gab schwere Schäden. Im Zeitraum vom 22. März bis zum 2. April 2020 sanken die Temperaturen in den Nächten fast durchweg in den Minusbereich – teilweise bis zu minus 5 Grad. In der Gesamtbetrachtung war der März aber trotzdem zu mild mit überdurchschnittlich vielen Sonnenscheinstunden. Die Frostnächte schädigten deshalb vor allem die schon weit ausgetriebenen Obstbäume, vor allem früh blühendes Steinobst war betroffen.
Der Konzern Versicherungskammer hat in Baden Württemberg über 3500 ha Obst versichert, wovon 90 Prozent vom Frost betroffen sind. Wir sprechen als Versicherer von einem großen so genannten ‚Kumulereignis‘. Betroffen ist überwiegend die Bodensee-Region, vereinzelt auch der Freiburger Raum und der Rems-Murr-Kreis. Das Schadenbild gestaltet sich durchweg sehr differenziert, von geringen bis ganz hohen Schäden – alles ist dabei.
Jetzt geht es darum, die Schäden zügig zu regulieren. Wir haben mit unseren Sachverständigen die Erstbesichtigung bereits Mitte April abgeschlossen und dabei Schäden in über 250 Betriebe begutachtet.
"Unsere voraussichtliche Leistung an die Obstbauern wird wohl einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag umfassen und die Prämieneinnahmen für dieses Risiko um ein Vielfaches übersteigen."
Nun folgt die endgültige Schadenabschätzung im Juli. Und im Anschluss werden die Schäden unverzüglich an die Betroffenen ausgezahlt. Unsere voraussichtliche Leistung an die Obstbauern wird wohl einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag umfassen und die Prämieneinnahmen für dieses Risiko um ein Vielfaches übersteigen.
BWagrar: Wie stellt sich insgesamt die Bilanz bei Schäden durch extreme Wetterereignisse wie Trockenheit, Hagel und Überschwemmungen in der Landwirtschaft speziell in Süddeutschland in den vergangenen Jahren dar?
Lichtmannegger: Lassen Sie uns kurz zurückschauen. Dass uns Wetterextreme immer häufiger und heftiger treffen ist mittlerweile unbestritten.
- 2016 etwa hatten wir mit schwerem Starkregen zu kämpfen.
- 2017 brachte der Frost viele Obstbauern um den Großteil ihrer Ernte.
- 2018 wiederum war geprägt von außergewöhnlicher Trockenheit.
- 2019 begann mit heftigen Frösten im April und war ebenfalls zu trocken.
- 2019 in Erinnerung ist auch noch der schwere Hagelzug in Süddeutschland an Pfingsten.
- 2020 sehn wir uns nach dem Frost vom März schon wieder mit einem trockenen Frühjahr konfrontiert, das Schlimmes befürchten lässt.
Frost und Trockenheit betreffen immer ganze Regionen und damit viele Bauern gleichzeitig. Und während wir bei der Einschätzung des Hagelrisikos auf lange empirische Zeitreihen zurückblicken können, fehlen uns langfristige Daten noch für diese Wettergefahren.
Generell ist zu sagen: Weitere Elementarschäden in der Fläche abzusichern, ist eine große Herausforderung. Wir stellen uns dieser, da wir uns als großer und traditioneller Landwirtschaftsversicherer in der Verantwortung für die Betriebe wissen.
BWagrar: Wie kann das Risikomanagement der landwirtschaftlichen Betriebe im Allgemeinen und über Versicherungspolicen im Besonderen verbessert werden und welche Förderung gibt es dabei in Baden-Württemberg im Vergleich zu Bayern?
Lichtmannegger: Landwirtschaftliche Betriebe müssen ihr Risikomanagement auf die sich ändernden Klimabedingungen ausrichten. Über den Anbau von Sorten, die besser an Hitze oder Trockenheit angepasst sind bis zum Einsatz von effizienten Bewässerungssystemen.
Ein bewährtes Instrument zur Absicherung von Wetterrisiken sind auch Mehrgefahrenversicherungen.
Baden Württemberg hat hier einen Weg eingeschlagen, den wir unterstützen und über den in Bayern nachgedacht wird. Das Land übernimmt in einem zweijährigen Pilotprojekt 50 Prozent der Prämie für die Gefahr Frost bei den Kulturen Obst und Wein. Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Denn durch die Förderung wird für viele Betriebe die Absicherung gegen Frost erst finanzierbar. Das lässt sich anhand des Frostereignisses Ende März 2020 klar nachvollziehen. Denn durch die staatliche Förderung konnten viele Landwirte dieses Risiko versichern. Dadurch hat sich in Baden Württemberg die Anzahl der Verträge bei der Versicherungskammer verfünffacht und die versicherbare Fläche vervierfacht!
"Das Erfolgsmodell aus Baden-Württemberg sollte auf alle Betriebsarten und Kulturen erweitert werden. Gefordert ist auch der Bund, dieses Pilotprojekt nun bundesweit und für alle landwirtschaftlichen Betriebe mit zu finanzieren."
Alles in allem ist das ein Erfolg für das Risikomanagement der Landwirte, der den Betrieben jetzt die Liquidität sichert. Das Pilotprojekt sollte deshalb aus unserer Sicht nicht nur dauerhaft etabliert werden, sondern auf alle Betriebsarten und Kulturen erweitert werden. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Gefordert ist auch der Bund, das Erfolgsmodell aus Baden-Württemberg nun bundesweit und für alle landwirtschaftlichen Betriebe mit zu finanzieren. Denn gerade bei den Kumulrisiken Frost und Trockenheit kann die Erhöhung der Versicherungsdichte nur mit einer staatlichen Förderung gelingen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle bitte etwas sagen zu der Diskussion zu staatlichen Förderung der Mehrgefahrenversicherung generell, die ja zuletzt mündete in die Senkung der Versicherungssteuer. Der Bund rang sich zu einer Senkung der Steuer beim Risiko Trockenheit durch, und zwar von 19 Prozent des Beitrags auf 0,03 Prozent der Versicherungssumme.
Aus unserer Sicht ist das begrüßenswert, aber nicht ausreichend. Denn die Versicherungsbeiträge auf das Risiko Trockenheit sinken durch diese Steuersenkung nur um zirka 10 bis 15 Prozent. Wenn Sie sich überlegen, dass wir nicht selten von Prämien in fünfstelliger Höhe sprechen, sehen Sie, dass die Entlastung für die Betriebe zu gering ist.
Baden Württemberg ist das beste Beispiel dafür, wie die staatliche Förderung helfen kann. Wir sprechen uns dafür aus, dass sie nicht nur für Sonderkulturen und für einzelne Gefahren gelten sollte, sondern über alle Betriebsarten und für alle Kulturen.
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