Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Agrarpolitische Tagung in Stuttgart

GAP zwischen Green Deal und Covid-Krise

Der Trilog zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU und damit deren Ausgestaltung hat begonnen. Diskussionsbedarf gibt es reichlich auf der agrarpolitischen Tagung mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft am 23. November 2020 im Hospitalhof in Stuttgart. Eingeladen hatte Minister Peter Hauk zusammen mit dem Europe Direct Informationszentrum Stuttgart und der Universität Hohenheim. Die agrarpolitische Diskussion konnte live im Internet verfolgt werden.
Veröffentlicht am
/ Artikel kommentieren
Podium auf der agrarpolitischen Tagung mit Minister Peter Hauk, Präsident Joachim Rukwied , MdEP Norbert Lins und vielen anderen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft am 23. November 2020 im Hospitalhof in Stuttgart.
Podium auf der agrarpolitischen Tagung mit Minister Peter Hauk, Präsident Joachim Rukwied , MdEP Norbert Lins und vielen anderen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft am 23. November 2020 im Hospitalhof in Stuttgart.Krehl
Artikel teilen:

Stuttgart, 23. November 2020

Agrarpolitische Tagung in Stuttgart

GAP zwischen Green Deal und Covid-Krise

Der Trilog zur GAP-Reform hat begonnen (BWagrar 47/2020, Seite 11). Im Frühjahr hatte die EU-Kommission ihre „Farm to Fork“- und Biodiversitäts-Strategie im Rahmen des Green Deal veröffentlicht. Ziel ist es, Europa zukunftsfähig zu machen und die europäische Landwirtschaft nachhaltig zu gestalten. Die Corona-Pandemie wirft Fragen nach der Stabilität von Lieferketten und der Bedeutung der Versorgungssicherheit mit regionalen Lebensmitteln auf. Grund genug, über die zukünftige EU-Agrarpolitik zu diskutieren.

Minister Peter Hauk versichert in seiner Begrüßung, den Green Deal der EU-Kommission zu unterstützen. Die Landwirte müssten jedoch einbezogen werden, betont Hauk am Montag dieser Woche im Hospitalhof in Stuttgart. „Wir brauchen eine Landwirtschaft, die Biodiversität und Wirtschaftlichkeit vereint“, betont er. Vehement spricht sich der Minister dafür aus, Betriebe auf Standorten, auf denen keine wettbewerbsfähigen Produkte erzeugt werden könnten, wie in Steilllagen oder im Grünlandsektor, finanzielle Unterstützung außerhalb der eng begrenzten „De-minimis-Regelungen“ zu ermöglichen.

Grüne Architektur fordert heraus

Präsident Joachim Rukwied hält die Verständigung auf ein stabiles Budget für wichtig. Die neue GAP werde grüner. Für die Landwirte sei es eine enorme Herausforderung, „künftig für gleiches Geld mehr Umweltleistungen zu erbringen“. Deshalb komme es besonders darauf an, Umweltmaßnahmen in die landwirtschaftliche Produktion integrieren zu können.

Rukwied spricht sich vehement für gleiche Bedingungen innerhalb der EU aus, um den Wettbewerb nicht zu verzerren. Ganz entscheidend sei es deshalb, die Ziele EU-weit verpflichtend für alle Mitgliedsstaaten festzulegen. Zudem sei die zukünftige GAP im internationalen Kontext der Handelsbeziehungen zu sehen. Damit durch höhere EU-Standards keine Wettbewerbsverzerrungen entstünden, könnten Importsteuern, sogenannte „Food Border Tax“, notwendig werden.

Landwirte brauchen Planungssicherheit

Von Flächenstilllegung hält der Landwirt wenig. Diese sei nicht zielführend. Es sei immer die bessere Variante, Flächen zu nutzen, betont Rukwied. Deshalb sei es besonders wichtig, Umweltmaßnahmen produktionsintegriert zu gestalten. Auf den Strukturwandel angesprochen, erklärt der Bauernpräsident, jeder Betrieb, der aufgebe, sei ein Verlust an Agrikultur. Ganz entscheidend ist für ihn, die von familiengetragene Landwirtschaft auch in der Zukunft zu erhalten. Dazu gehöre unter anderem „ein vergleichbares Einkommen mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft und mit anderen Selbstständigen“.

„Wir Landwirte brauchen dringend Klarheit über die Förderbedingungen. Die mühsam erzielten Ergebnisse im EU-Ministerrat und Europaparlament dürfen nun in den Verhandlungen des Trilogs nicht durch ideologische Fundamentalkritik torpediert werden. Anderenfalls droht eine weitere Verzögerung der GAP-Reform von 2023 auf 2025 oder noch später. Ein solcher Stillstand wäre völlig unverantwortlich“, erklärt Joachim Rukwied.

Kürzere Ketten stärken

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hebt darauf ab, wie Covid-19 die Wechselbeziehungen zwischen Nahrungsmittelvorsorge, Ökologie und Ökonomie verdeutlicht. Alle Bürger hätten in der Krise Zugang zu Nahrungsmitteln. Natürlich müsse dennoch die „Gesamtwirksamkeit der Lebensmittel-Kette nochmals gestärkt werden“. Kürzere Lieferketten seien zu stärken. Denn die durchschnittliche Entfernung von „Farm to Fork“ betrage aktuell 172 Kilometer. „Die Zukunft der Lebensmittelproduktion hängt von der Landwirtschaft ab. Deshalb müssen wir investieren, damit die landwirtschaftlichen Betriebe leben können“, erklärt Wojciechowski.

Um den Übergang „zu einer gesünderen und nachhaltigeren Ernährung“ zu schaffen, will der EU-Agrarkommissar alle Akteure an einen Tisch bringen. Wichtig sei dabei die Verbesserung der Verbraucherinformation, beispielsweise durch Kennzeichnungs-Initiativen. Das Tierwohl sieht Wojciechowski eng verbunden mit nachhaltiger Landwirtschaft.

Im begonnenen Trilog für die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) will er sich für die noch gezieltere Unterstützung kleinerer Betriebe einsetzen. Beim Green Deal habe die EU-Kommission, den Anspruch, „treibende Kraft“ zu sein. Die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten will er intensivieren, um die Akzeptanz der Agrarpolitik zu verbessern. Dabei setzt er darauf, mit dem neuen Umsetzungsmodell die Landwirtschaft umwelt-, klima- und tierfreundlicher zu gestalten und den Betrieben ein „faires Einkommen“ zu sichern.

Umweltambition zu erkennen

Prof. Dr. Christine Wieck analysiert, die zusätzlichen Vorschläge in der Konditionalität, dem vormaligen „Greening“ der GAP, sowie der Green Deal hätten Auswirkungen auf die Einkommen der Landwirtschaft. Die Leiterin des Fachgebiets Agrar- und Ernährungspolitik an der Universität Hohenheim erklärt, Corona ziehe den landwirtschaftlichen Sektor in Mitleidenschaft. Die Preisvolatilität habe nochmals zugenommen.

Baden-Württemberg habe bei den Agrarumwelt-Maßnahmen eine „Vorreiter-Rolle“, meint Wieck. Wichtig sei es, inwieweit dieselben mit der zukünftigen GAP und den Vorschlägen in der Biodiversitäts- und Farm-toFork-Strategie des Green Deal verzahnt werde.

Mehr Umwelt- und Klimaambition sei in den Vorschlägen zur zukünftigen GAP erkennbar, jedoch gehe der Fortschritt in diese Richtung langsam voran. Weil viele Politikprozesse parallel liefen, werde die Folgenabschätzung erschwert. Der gemeinsame Binnenmarkt erfordere gemeinsame Anforderungen, betont Wieck.

Die Nahrungsvorsorge sei kurz- und mittelfristig in der EU nicht gefährdet. Allerdings sei es notwendig, die Auswirkungen für bedürftige Gruppen zu adressieren, mahnt die Agrar-Professorin. In der Ökologie hält sie mehr Ambition für notwendig. Hinsichtlich der Ökonomie sieht sie die landwirtschaftliche Einkommen unter Druck. Die Landwirtschaft habe eine schlechte Position in der Wertschöpfungskette. Deshalb seien neue Vermarktungsansätze notwendig. Die Corona-Pandemie decke die Nachteile internationaler Handelsbeziehungen auf, so Wieck. Die Re-Fokussierung auf „rein nationale Ansätze“ sei trotzdem nicht sinnvoll.

Planungssicherheit ermöglichen

Europaabgeordneter Norbert Lins hält es für unrealistisch, die Kommission würde ihre Vorschläge zurückziehen. Er unterstreicht die Bedeutung der Übergangsperiode zur neuen GAP, um den Landwirten Planungssicherheit zu ermöglichen. Das EU-Parlament wolle das „Prinzip der ersten Hektare“ ausbauen.

In der Zweiten Säule 35 Prozent der Mittel von Maßnahmen im Umweltschutz- und Klimaschutz abhängig zu machen, hält er für wünschenswert. Klar sei, auch seine Fraktion wäre de Kompromisse eingehen müssen. Er verstehe nicht den Vorwurf von Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans, die GAP-Vorschläge würden hinter das bisherige Ambitionsniveau im Umwelt- und Klimaschutz zurückfallen.

Live im Internet

Zu Wort äußern sich an diesem Montag im Hospitalhof in Stuttgart weitere Vertreter aus Politik und Wirtschaft, darunter Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg, Mara Walz vom Bund Deutscher Landjugend und Vorsitzender Alexander Kern von „Land Schafft Verbindung“ (LSV) Baden-Württemberg.

Moderator der Veranstaltung ist Markus Grabnitz, Brüssel-Korrespondent der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten.

Eingeladen hatte Minister Peter Hauk zusammen mit dem Europe Direct Informationszentrum Stuttgart und der Universität Hohenheim. Die agrarpolitische Diskussion konnte live im Internet verfolgt werden.

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren
Ort ändern

Geben Sie die Postleitzahl Ihres Orts ein.