Stippvisite von Lins
„Miteinander ins Gespräch kommen“ lautete das Motto auf der Sommer-Abschlusstour von Norbert Lins, MdEP, der für einen Blitz-Besuch auf dem Betrieb von Familie Dorn-Bohner vorbeischaute. Auf dem Programm des Brüsseler Polit-Profis stand eine Betriebsbesichtigung unter der Leitung von Christine und Oskar Dorn-Bohner und Sohn Markus Dorn-Bohner mit anschließender Podiumsdiskussion.
von Matthias Borlinghaus Quelle Matthias Borlinghaus erschienen am 30.09.2025„Man hat es übertrieben. Das wollen wir anhand von einzelnen Punkten deutlich machen“, versprach Lins mit Blick auf seine Arbeit in der EVP-Fraktion. Gemeint sind Auflagen für Landwirte. Auflagen, die ihnen das Leben schwer machen, Geld kosten und die sich oftmals sogar als überflüssig herausgestellt hätten. Stattdessen soll es, wenn es nach Lins geht, für die Betriebe mehr Entlastungen geben. Auch in der EU-Kommission habe man erkannt, dass es mit der Auflagenflut so nicht mehr weitergehen könne. Höchste Zeit sei es zum Beispiel auch gewesen, dass das Biomassepaket vergangene Woche von Brüssel aus freigeschaltet wurde, lobte Lins. Der EU-Abgeordnete Lins (CDU/EVP) ist seit Juli 2024 der stellvertretende Vorsitzende des Agrarausschusses im Europaparlament, zuvor hatte er über fünf Jahre lang den Vorsitz des Ausschusses inne.
Einige fordern Marktregulierung
In der Diskussionsrunde unter Leitung von Moderator Bernhard Bitterwolf berichtete LBV-Vizepräsidentin Roswitha Geyer-Fäßler auf dem Betrieb in Hittisweiler, dass die Anwendung des Paragrafen 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) für Deutschland von Nachteil wäre, weil diese Berechnungen zufolge die Milchproduktion um etwa 1,0 Cent pro kg verteuern würde. Auch die Weidepflicht für Ökobetriebe belaste die Branche schwer. Lins sieht das nach eigenen Angaben genauso und betonte, dass die CDU/CSU mehrheitlich „kein Fan“ einer Regulierung des EU-Marktes im Sinne von Paragraf 148 GMO sei. Aber: „Es sieht nicht gut aus“, so Lins als Antwort auf die Frage, ob sich eine Anwendung des Paragrafen 148 GMO in Deutschland noch verhindern ließe. Der Grund: Viele Mitgliedsländer hielten die Verordnung für wichtig. In Italien zum Beispiel sammele der Milchkonzern Lactalis 70 Prozent der Milch ein. „Da ist keine Genossenschaft mehr unterwegs. Da gibt es keine Diversifizierung mehr“, so Lins. Vielmehr laufe dort und auch in einigen anderen EU-Mitgliedsländern vieles auf eine Marktkonzentration mit Monopolcharakter zu. Von der GMO erhofft man sich, die Rechte der Erzeuger per Gesetz zu stärken. Lins geht deshalb davon aus, dass bei der Abstimmung darüber im Europaparlament Anfang Oktober die deutsche Position keine Mehrheit (einfache Mehrheit) finden wird. Eine gewisse Hoffnung bestünde noch darin, dass man im europäischen Rat eine Sperrminorität einrichten könnte. In puncto Weidepflicht hätte der Kommissar Änderungen angekündigt. Änderungen jedoch dürften insofern schwierig werden, weil Länder wie Österreich die Weidepflicht bereits umgesetzt hätten.
Umbruch bei Biogas
Franz Schönberger, Vorsitzender des Bauernverbandes Allgäu Oberschwaben, plädierte dafür, bei Biogas den vorhandenen Wirtschaftsdünger, von dem es im Kreis Ravensburg jede Menge gibt, bestmöglich zu nutzen. „Mit einfacher Technik und überschaubaren Investitionen können wir Strom und Wärme produzieren“, so Schönberger. Lins und dem Landtagsabgeordneten Raimund Haser gab Schönberger mit auf den Weg, dass eine Anpassung des Paragrafen 44 im EEG wichtig wäre, damit Kleinanlagen eine Zukunft bekommen. Hier geht es um die Vergärung von Gülle. Die Bäuerin Larissa Einsiedler berichtete, dass sie eine Gülle-Klein-Biogasanlage genehmigt bekommen und gebaut habe, diese aber unter den neuen Bedingungen aus ihrer Sicht kaum noch wirtschaftlich sei. „Wie kann das sein? Wir hatten eine Genehmigung, sind in den Bau gegangen und das neue Gesetz ist ohne Übergangsfrist verabschiedet worden. Uns fehlt jegliche Sicherheit“, so Einsiedler. Man war sich einig, dass Landwirtschaft verlässliche politische Rahmenbedingungen brauche, um zukunftsfähig investieren zu können.
Einige Erleichterungen
Seit den Bauernprotesten in Deutschland vor fast zwei Jahren habe sich die politische Debatte verändert, erlebt Lins. Ihm zufolge würde in den politischen Kreisen und auch in der Gesellschaft insgesamt wieder vermehrt und deutlich positiver über die Landwirtschaft gesprochen als vor den Protesten. Aber nicht nur das. Entscheidungen würden wieder verstärkt landwirtschaftsfreundlich ausfallen. Unter anderen sei die Pflicht zur Vier-Prozent-Stilllegung abgeschafft worden, es gab Erleichterungen beim Fruchtwechsel und bei der Bodenbedeckung, GLÖZ-Standards wurden entsprechend nachgebessert, ebenso beim Erhalt des Ackerstatus und auf Bundesebene wurde die Steuerentlastung beim Agrardiesel wieder eingeführt.
Pläne für den EU-Haushalt unter Beschuss
Landwirte in Deutschland, die nur noch zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen, fallen demnach nicht mehr durchs Raster, sondern werden gehört, freute sich Moderator Bernhard Bitterwolf. Lins betonte, dass die Landwirtschaft und der Ländliche Raum im EU-Parlament seit jeher gut vertreten waren, was sich aber durch die deutschen Proteste nochmals verbessert habe. Entsprechend ist man im Parlament der Meinung, dass der Finanzrahmen beim Umbau der Agrarförderung (neue GAP) erhalten oder noch aufgestockt werden muss. Leider sei dies so vom EU-Kommissar noch nicht gehört worden. Jetzt drohe das Parlament mit der Einigkeit aller Fraktionen, was es so bislang noch selten gegeben habe, die Pläne für den EU-Haushalt regelrecht zu blockieren. „Da bläst der Kommission der Wind gerade steil entgegen“, so Lins. Hintergrund ist, dass die EU-Kommission im Sommer ihre Vorschläge für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Zeit von 2028 bis 2034 vorgelegt hatte und den EU-Haushalt insgesamt umbauen möchte, mit weniger Geld für die Landwirte. Ab 2028 soll die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nur noch Bestandteil neuer „Partnerschaftsfonds“ mit den EU-Staaten sein. Damit würde sich der Anteil des Agrarhaushalts am EU-Haushalt weiter verkleinern. Befürchtet wird nun eine „Renationalisierung“ der Agrar-Förderpolitik, sodass die einzelnen EU-Staaten wieder mehr kofinanzieren müssten.
Hartes Ringen um den Haushalt
„Dass uns bei dem MFR harte Kämpfe bevorstehen, ist klar“, meinte Lins. Es geht um rund 300 Milliarden Euro für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume. Das Gute am Kommissionsvorschlag sei: Die Mitgliedsstaaten dürften weiterhin Hektarprämien in einem Korridor zwischen 130 Euro und 240 Euro bezahlen. Zuletzt gab es in Deutschland 157 Euro, die bis auf 146 Euro im Jahr 2027 leicht zurückgehen werden. Sicher scheint, dass es die Direktzahlungen (Hektarprämien aus der ersten Säule) weiter geben wird und dass sich deren Höhe grundsätzlich kaum verändern dürfte. Unübersichtlichkeit bestünde bei den Mitteln aus der sogenannten 2. Säule, die es in dieser Form künftig so nicht mehr geben wird. Trotz aller regionaler Unterschiede zwischen den Ländern und den einzelnen Regionen sollten die Rahmenbedingungen laut Lins weiterhin in Brüssel festgelegt werden und dann auch für alle Länder Gültigkeit haben – Stichwort: Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU sichern.
Beispiel: Wenn wir sagen, so Lins, dass wir vor allem auf Umweltmaßnahmen setzen und die Direktzahlungen möglichst niedrig halten, und Frankreich oder Polen sagen, dass sie voll reingehen in die Direktzahlungen und auf die Umweltmaßnahmen weitestgehend verzichten, dann bekämen unsere Landwirte erhebliche Wettbewerbsnachteile. Das gleiche gilt für die Investitionsförderung: Ohne Stellschrauben aus Brüssel würde jedes Land seine Betriebe unterschiedlich fördern.
Mehr Hunde als Rinder
In Deutschland wurden die Schweinebestände, laut Lins, um 25 Prozent abgebaut innerhalb der vergangenen fünf Jahre. Auch europaweit wurden die Tierbestände abgebaut, beim Rind waren es in den vergangenen elf Jahren minus 15 Prozent EU-weit und minus 17 Prozent deutschlandweit. „Ende 2024 hatten wir in Deutschland erstmals mehr Hunde (10,5 Mio.) als Rinder (10,3 Mio.)“, so Lins. Zum Vergleich: 1980 waren es mit 20,8 Mio. Rindern noch mehr als doppelt so viele. Das zeige den hohen Druck auf die Tierhaltung, auch wenn man heute in einem ganz anderen Leistungsspektrum (Milch/pro Kuh und Jahr) unterwegs sei als vor 40 Jahren. Lins sagte den Rinderhaltern seine Unterstützung zu: „Diese Region hat einen Versorgungsauftrag für ganz Baden-Württemberg“, so Lins. Und: „Ich finde die Tierhaltung hier nicht zu intensiv, sie muss vielmehr gestärkt werden.“ Er spricht sich in diesem Zusammenhang für eine Wiedereinführung der Derogation für die Region aus, soll heißen, dass Ausnahmen vom Düngegesetz und der Nitratrichtlinie möglich gemacht werden müssten, sodass dann 230 kg N pro Hektar erlaubt seien, statt nur das Ausbringen von maximal 170 kg organischen und organisch-mineralischen Düngemitteln.
Biogasbranche im Umbruch
Raimund Haser versprach: „Das Thema Biogas ist uns wichtig.“ Die Kleinanlagen unter 150 kW müssten bei der bevorstehenden Flexibilisierung mit berücksichtigt werden. Haser erinnerte daran, dass das EEG immer verlässlich war. „Gut, dass das Biomassepaket durch ist, auch wenn es nicht die Top-Lösung ist. Aber es war ein wichtiger Schritt.“ Haser plädierte dafür, das Thema Biogas nicht nur von der Energieseite aus zu betrachten, sondern auch von der Landwirtschafts- und der Umweltseite her. Die Winter-Sommerproblematik könne man nicht wegdiskutieren. Und dann sei da die Frage, „wie verwenden wir Biogas allgemein?“ Im Gespräch sei zum Beispiel, die bestehenden Gasleitungen weiterhin nutzen zu können.
„Wir sind dabei, schon wieder eine Infrastruktur totzureden, in dem man das Gasleitungsnetz abschaffen möchte“, warnte Haser. Die Gasinfrastruktur habe 280 Mrd. Euro gekostet. „Wenn wir jetzt sagen, das brauchen wir nur noch zehn Jahre, dann schaffen wir das unmöglich, auf zehn Jahre abzuschreiben. Dann wären sämtliche Stadtwerke pleite“, so Haser. Und: „Wir müssen dafür kämpfen, dass das Gas (CH4) biologisch erzeugt wird.“ Es brauche eine Beimischquote, die über die Jahre ansteigt und am Ende das Erdgas komplett ersetzen kann. „Dann wissen wir, welche Mengen wir brauchen. Wir müssen aus dem Markt heraus Verlässlichkeit schaffen und weniger über politisch versprochene Zuschüsse“, meinte Haser.
Den Weg, den die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche eingeschlagen habe, sich zu fragen, wo der Zubau überhaupt Sinn macht, sei berechtigt. In Süddeutschland allerdings seien die Netze nicht voll ausgelastet. Das gelte auch für Biogas. Beim Biogas müsse man zudem für die Systemrelevanz nochmals werben. Eine gute Nachricht sei, dass im Jahr 2027 Strom aus dem Norden erstmals physikalisch in unserem Netz im Süden tatsächlich ankommen werde, kündigte Haser an. Im Raum Karlsruhe würden dann an dem einen Standort 2,5 GW zur Verfügung stehen – mehr als das, was das Kernkraftwerk Philippsburg vorher erzeugt habe.
Zu viele Windräder geplant?
Christian Fitz, Sprecher der Bürgerrunde Haistergau, ist in Sorge, dass rund um Bad Waldsee zu viele Windräder errichtet werden. „Wir von der Initiative bieten uns an zum Austausch. In der Region gibt es immer mehr Bürgerinitiativen“, so Fitz. Allein im Umkreis von Bad Waldsee (10 km Umkreis) seien 50 Windräder geplant und größtenteils schon genehmigt. Damit liege man in der Gemeinde Bad Waldsee mit vier Prozent Flächenanteil deutlich über dem ausgegebenen Landesziel von 1,8 Prozent. Die Forderung lautet: „Nicht zu nahe und nicht zu viele Windräder.“ Laut Haser gibt es in Deutschland rund 29.000 Windräder. Davon stünden lediglich 748 in Baden-Württemberg. „Es wird Zeit, dass auch wir unseren Energiebeitrag leisten“, findet Haser, räumte aber ein, dass die Region Bad Waldsee mehr belastet sei als die meisten Nachbargemeinden.
Bürokratieabbau sieht anders aus
Wegen zu viel Bürokratie und einer schlechten Kommunikation wendete sich Julia Stehle vom Rinderberatungsdienst an die beiden Politiker. Als Beispiel nannte sie die ihrer Erfahrung nach schlechte Einführung der App „profil bw“ für Nachmeldungen und Korrekturen beim Gemeinsamen Antrag über die FIONA-Plattform. „Eine App, die bis heute nicht richtig funktioniert, und wenn man fragt, wer dafür verantwortlich ist, bekommt man keine Antwort. Wie kann das sein?“, so Julia Stehle.
Blick auf ein viel diskutiertes Biosphärengebiet
Thomas Lötsch, Dezernent für Kreisentwicklung, Wirtschaft und ländlichen Raum beim Landratsamt Ravensburg, findet es schade, dass in der Diskussion um ein mögliches Biosphärengebiet für Oberschwaben die Fronten zu sehr verhärtet seien, weil seiner Ansicht nach zu wenig Fakten auf den Tisch kämen und zu viel polarisiert würde. „Das ist gefährlich, weil es die Fähigkeit zum Dialog erschwert“, so Lötsch. Die Angst vor Einschränkungen für die Landwirtschaft ist für Lötsch unbegründet. Beispielsweise soll es eine bedingungslose Ausstiegsklausel geben, damit man jederzeit wieder aus dem Biosphärengebiet aussteigen könne, falls erforderlich. Die Landwirtschaft solle mit der Ausweisung nicht geschwächt werden, vielmehr sei das Gegenteil der Fall, versicherte Lötsch. Gleichwohl sieht sich Jungbauer Julius Bühler in seinen Investitionsentscheidungen durch ein mögliches Biosphärengebiet verunsichert. Dabei gelte Oberschwaben doch als agrarischer Gunststandort, wie Lins berichtete, von dem aus die Bevölkerung von Baden-Württemberg versorgt werden solle. Deswegen müsse man mit dem Ausweisen von Flächen für ein Biosphärengebiet vorsichtig sein, hieß es in der Diskussion.




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