„Wirtschaftliche Faktoren sind treibende Kraft hinter Tiertransporten“
Der Europäische Rechnungshof kritisiert in seiner jüngsten Analyse 03/2023 die uneinheitlichen Regeln für Tiertransporte in der Europäischen Union (EU). Die Prüfer sehen das Risiko, dass Transportunternehmen in den verschiedenen nationalen Sanktionssystemen bestehende Schlupflöcher ausnutzen, wie der Rechnungshof jetzt mitteilt. Sie weisen darauf hin, dass wirtschaftliche Faktoren die wichtigste treibende Kraft hinter Tiertransporten seien und die Rechtsvorschriften der EU über Tiertransporte in den EU-Ländern nicht einheitlich durchgesetzt würden.
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Jedes Jahr werden Milliarden von Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen, Geflügeltieren und Pferden zwecks Aufzucht, Mast oder Schlachtung sowohl innerhalb der EU als auch in oder aus Drittländern transportiert, da Landwirte und Fleischerzeuger regionale Kostenunterschiede nutzen möchten, um Gewinne zu erzielen. Über ein Drittel dieser Transporte dauert mehr als acht Stunden, und die Tierschutzstandards werden dabei nicht immer eingehalten, weshalb sich die Frage stellt, ob diese Standards angemessen sind. Dies geht aus einer jetzt veröffentlichten Analyse des Europäischen Rechnungshofs hervor.
Weniger Betriebe, größere Schlachthöfe
Darin zeigen die Prüfer Entwicklungen bei Tiertransporten auf und erläutern, mit welchen Herausforderungen die politischen Entscheidungsträger der EU konfrontiert sind und welche Chancen sich ihnen im Vorfeld der Überarbeitung der EU-Rechtsvorschriften bieten. Die Nutztierhaltung sei nicht in allen Ländern und Regionen der EU gleich stark ausgeprägt, und die Betriebe würden sich zunehmend auf eine Tierart oder einen Produktionsschritt spezialisieren. Außerdem sei ein Trend hin zu weniger und größeren Betrieben und Schlachthöfen zu beobachten.
Vor diesem Hintergrund versuchten Landwirte und Fleischerzeuger, die Kosten für Produktion und Schlachtung zu senken, die Einnahmen zu maximieren und größenbedingte Kostenvorteile optimal auszuschöpfen, indem sie die Kostenunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten nutzten. Diese Faktoren stellten einen Anreiz für Tiertransporte dar, insbesondere wenn die Transportkosten nur einen kleinen Teil des Einzelhandelspreises für Fleisch ausmachten.
Vorschriften werden nicht einheitlich durchgesetzt
"Der Transport von lebenden Tieren über lange Strecken kann sich negativ auf das Wohlergehen der Tiere auswirken", so Eva Lindström, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Die EU-Rechts-vorschriften über Tiertransporte werden von den Mitgliedstaaten nicht einheitlich durchgesetzt, und es besteht das Risiko, dass Transportunternehmen die in den verschiedenen nationalen Sanktionssystemen bestehenden Schlupflöcher ausnutzen."
Transportunternehmen könnten längere Strecken wählen, um Mitgliedstaaten mit einer strikteren Umsetzung der EU-Vorschriften oder härteren Strafen zu meiden. der EU-Vorschriften oder härteren Strafen zu meiden. Für Fleischerzeuger könne aber auch der Verstoß gegen Vorschriften finanziell von Vorteil sein, etwa wenn nicht transportfähige Tiere transportiert würden, da die EU-Länder in der Regel keine abschreckenden Strafen verhängten.
Verbraucher üben Kritik an Transporten
Die Prüfer betonen, dass die negativen Auswirkungen von Transporten auf das Tierwohl abgemildert werden könnten, indem die Anzahl an Transporten und deren Dauer verringert sowie die Transportbedingungen der Tiere verbessert würden. Sie weisen jedoch auch auf Alternativen zu Lebendtiertransporten hin. So könne in einigen Fällen die Lösung darin bestehen, die Tiere näher an der Produktionsstätte zu schlachten, denn die Nutzung lokaler Schlachthöfe und mobiler Schlachtanlagen würde manche Tiertransporte überflüssig machen und sei außerdem umweltfreundlicher.
Auch die Verbraucher könnten eine wichtige Rolle dabei spielen, Veränderungen voranzubringen: Einer Umfrage zufolge ist ein Teil der Verbraucher bereit, einen höheren Preis zu zahlen, wenn sie wissen, dass das Fleisch unter guten Tierschutzbedingungen erzeugt wurde. Die Prüfer weisen darauf hin, dass die Verbraucher besser informiert werden sollten, um ihnen dabei zu helfen, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen. Dies könne durch ein EU-weites System für die Tierwohlkennzeichnung umgesetzt werden, dass für mehr Transparenz und Harmonisierung bei der Kennzeichnung von Fleisch innerhalb der EU sorgen würde.
Schließlich könne auch die Überarbeitung der EU-Vorschriften eine Gelegenheit für strukturelle Veränderungen hin zu einer nachhaltigeren Lebensmittelversorgung bieten. Dazu müssten Anreize geschaffen werden, um Hersteller und Verbraucher zu nachhaltigem Verhalten zu bewegen. Die politischen Entscheidungsträger der EU könnten in Erwägung ziehen, das Tierleiden in die Transportkosten einzupreisen und bei den Fleischpreisen zu berücksichtigen.
Die Datenlage zu Lebendtiertransporten in der EU sei fragmentiert, und die Europäische Kommission habe keinen vollen und zentralen Überblick. Nach Ansicht der Prüfer könnte das Potenzial von IT und technologischen Verbesserungen in diesem Bereich stärker genutzt werden. So könnte ein IT-System auf EU-Ebene zur Nachverfolgung sämtlicher Lebendtiertransporte bei der Zentralisierung der Daten helfen, und mit Kameras und Sensoren könnten Tiertransporte überwacht und das Tierwohl gemessen werden.
Hintergrundinformationen
Tiere sind bei der Verladung in Fahrzeuge Stress ausgesetzt. Während des Transports können sie unter Hunger, Durst, Hitze und Platzmangel leiden und haben keine Gelegenheit sich auszuruhen. Im Laufe seines Lebens kann ein einzelnes Tier mehrmals transportiert werden. So sind in Deutschland gemästete und geschlachtete Schweine häufig in Dänemark oder den Niederlanden geboren; in Spanien oder Italien gemästete und geschlachtete Rinder sind häufig in Frankreich, Irland oder Litauen geboren. Der Transport von lebenden Tieren zwischen Mitgliedstaaten findet vorwiegend auf der Straße statt. Gemäß den verfügbaren Daten waren die meisten Tiertransporte innerhalb der EU im Zeitraum 2017 bis 2021 kurze Transporte von bis zu acht Stunden (63 Prozent (%)), gefolgt von langen Transporten (33 %) und sehr langen Transporten von über 24 Stunden (4 %).
In den letzten Jahren ist das Thema Tierschutz verstärkt in den Fokus der Bürger der EU gerückt. Nichtregierungsorganisationen haben auf die schlechten Bedingungen hingewiesen, unter denen die Tiere zum Teil transportiert werden, und das Europäische Parlament hat einen Untersuchungsausschuss zum Schutz von Tieren beim Transport eingesetzt. Der Schwerpunkt der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU liegt bisher nicht auf dem Schutz der Tiere beim Transport. Die Europäische Kommission beabsichtigt, bis Ende dieses Jahres eine Überarbeitung der Tierschutzvorschriften vorzulegen.
Die Analyse 03/2023 "Lebendtiertransporte in der EU: Herausforderungen und Chancen" ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofs (eca.europa.eu) abrufbar. Im Rahmen der Analyse wird ein interaktives Online-Dashboard bereitgestellt.
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