Anhörung gestartet
Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) will die Milchlieferbeziehungen regeln. Dazu soll Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation angewendet werden. Die Verbändeanhörung ist nun gestartet.
von Redaktion erschienen am 04.12.2024Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) will die Lieferbeziehungen zwischen Milchlieferzeugern und Molkereien staatlich regeln. Am 3. Dezember hat das Ressort seinen Verordnungsentwurf der nationalen Anwendung von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) in die Länder- und Verbändeanhörung gegeben.
Der Artikel 148 regelt Beziehungen zwischen Milchbauern und Molkereien. Der Artikel bietet für den Bereich „Milch und Milcherzeugnisse“ unter anderem die Möglichkeit, eine Vertragspflicht mit bestimmten Bestandteilen national festzulegen. Danach müssten in einem Vertrag Preise oder auch die Indikatoren zur Preisbildung und Liefermengen geregelt sein. Molkereien sollen daher künftig für ihre Rohmilchlieferungen zu schriftlichen Verträgen verpflichtet werden, die Bestimmungen unter anderem zu Preis und Menge enthalten. Das soll für mehr Fairness auf dem Milchmarkt sorgen, da künftig das Risiko nicht mehr allein bei den erzeugenden Betrieben liegt.
Schwankungen verhindern
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist der Meinung, dass mit der Anwendung des Artikel 148 GMO Bäuerinnen und Bauern endlich die nötige Planungssicherheit für ihre Betriebe erhalten. Er betonte, dass dies auch die Zukunftskommission Landwirtschaft erneut empfohlen habe. „Wer sonst würde denn etwas produzieren, ohne zu wissen, ob er davon überhaupt leben kann? Wir schaffen jetzt die Voraussetzungen dafür, dass Milcherzeuger vorab genauer wissen, was sie damit verdienen“, so Özdemir.
Wiederspruch aus dem Bauernverband
Die Vizepräsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Dr. Holger Hennies, der zugleich Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) war, und Karsten Schmal, DBV-Milchpräsident, halten das Vorgehen von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bei der Einführung des Artikels 148 für äußerst fragwürdig. Den Ausführungen bezüglich der nationalen Anwendung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) muss in aller Deutlichkeit widersprochen werden: „Minister Özdemir begründet die nationale Anwendung des Artikels mit den Empfehlungen der Zukunftskommission. Das ist falsch. Der Minister sollte die Empfehlungen noch einmal genau lesen. Tatsächlich hat die Zukunftskommission Landwirtschaft die nationale Anwendung des Artikels 148 der GMO explizit ausgeschlossen, weshalb er auch nicht in den Empfehlungen steht“, so Dr. Hennies.
Schmal ergänzt: „Dass der Minister die ZKL nun für Wahlkampfzwecke missbraucht, ist ein Skandal. Entgegen der Aussage des BMEL würde eine Anwendung des Artikels 148 die Milcherzeuger nicht stärken, sondern im Gegenteil zu niedrigen Erzeugerpreisen führen. So ein Wahlkampf auf dem Rücken unserer Tierhalter ist eine Kampfansage! Die Bundesländer dürfen dem niemals zustimmen.“ Auch der Landesbauerverband in Baden-Württemberg hat gegenüber dem baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium (MLR) nochmals seine Ablehnung des Verordnungsentwurfes begründet und bekräftigt (s. dazu BWagrar 15/2024, S. 9).
Genossenschaften sehen Erzeuger-Einbußen
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) kritisiert die Ankündigung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), den Artikel 148 der europäischen Gemeinsamen Marktorganisation in Deutschland umsetzen zu wollen, scharf. DRV-Hauptgeschäftsführer Jörg Migende: „Das Narrativ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ist schlichtweg falsch: Der Artikel 148 würde die Milchbauern nicht stärken, sondern schwächen. Dies ist wissenschaftlich belegt und mit Fakten bewiesen.“ Der DRV verweist auf eine im Oktober veröffentlichte, unabhängige Studie des ife Instituts für Ernährung und Ernährungswirtschaft Kiel und der Fachhochschule Kiel, die zum Ergebnis kommt. Darin wurde unmissverständlich herausgearbeitet, dass die nationale Umsetzung des Artikels 148 die gesamte Wertschöpfungskette Milch und insbesondere die Erzeugerinnen und Erzeuger schwächen würde. Migende: „Die Wissenschaftler kommen sogar zu dem Ergebnis, dass die Erzeuger mit erheblichen finanziellen Einbußen rechnen müssten.“
Der DRV macht deutlich, dass die Wirkungen der globalen Marktkräfte nicht einfach ausgeschaltet werden können. Migende: „Die deutsche Milchwirtschaft bewegt sich in offenen Märkten mit gewachsenen Einflüssen globaler Angebots- und Nachfrageentwicklungen. Nationale Vorgaben für die Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien können nicht dazu beitragen, Milchpreise nachhaltig positiv zu beeinflussen. Im Ergebnis werden damit die heimischen Milcherzeuger zum Verlierer, und der Strukturwandel beschleunigt sich.“ Weiter hebt Migende die besondere Rolle der Molkereigenossenschaften hervor. „Die genossenschaftliche Milchwirtschaft zeichnet für rund zwei Drittel der in Deutschland produzierten Milch verantwortlich. Es ist das ureigene Interesse der Genossenschaften, ihre Mitglieder wirtschaftlich zu stärken. Daher arbeiten sie täglich für die bestmöglichen Milchpreise für die in der Genossenschaft organisierten Mitglieder. Die Politik erhofft sich eine Stärkung der Position der Landwirte. Genau das tun Genossenschaften.“
Pläne des Ministeriums
Konkret plant das BMEL, dass Molkereien für ihre Rohmilchlieferungen zu schriftlichen Verträgen mit Bestimmungen unter anderem zu Preis und Menge verpflichtet werden. Genossenschaften sollen von dieser Vertragspflicht ausgenommen sein, sofern ihre Lieferordnungen oder Satzungen Bestimmungen enthalten, die in ihrer Wirkung den Bestimmungen für verpflichtende Verträge ähnlich sind. Darüber hinaus sollen die Molkereien verpflichtet werden, den Erzeugerinnen und Erzeugern ein Angebot für einen Preis-Mengen-Bezug zu unterbreiten. Für alle Erzeuger von Rohmilch werden die Preise so verlässlicher und Schwankungen abgemildert. Eine Verteuerung von Milchprodukten durch die Einführung des 148 GMO für Verbraucherinnen und Verbraucher ist nicht zu erwarten.
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