Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Milchvermarktung

Schweizer Modell als Ideengeber fürs Land

Angesichts der desaströsen Milchpreise ist die Steuerung der Milchmenge das derzeit beherrschende Thema in der EU. Wie eine effiziente Milchmengenführung in der Schweiz aussieht, erläuterten Roland Werner, Präsident der Thur Milch Ring AG und Geschäftsführer Urs Schwizer vor dem LBV-Milchausschuss. Das Abrechnungsmodell der Schweizer AG lebt von finanziellen Anreizen für die Milchproduzenten.

Veröffentlicht am
/ Artikel kommentieren
Schweizer Gäste beim LBV-Milchausschuss: Tipps und Erfahrungen in der Milchvermarktung hatten Roland Werner (2.v.r.), Präsident   der Schweizer Thur Milch Ring AG, Ermatingen, und Geschäftsführer Urs Schwizer (2.v.l.) im Gepäck. Im Bild LBV-Vizepräsident und   Ausschussvorsitzender Gerhard Glaser (rechts) sowie Geschäftsführer Horst Wenk.
Schweizer Gäste beim LBV-Milchausschuss: Tipps und Erfahrungen in der Milchvermarktung hatten Roland Werner (2.v.r.), Präsident der Schweizer Thur Milch Ring AG, Ermatingen, und Geschäftsführer Urs Schwizer (2.v.l.) im Gepäck. Im Bild LBV-Vizepräsident und Ausschussvorsitzender Gerhard Glaser (rechts) sowie Geschäftsführer Horst Wenk.Borlinghaus
Artikel teilen:

"Die Kunst besteht darin, ein System zur Verfügung zu stellen, in dem sich der Landwirt möglichst marktkonform verhält ohne dabei seine unternehmerischen Ziele auf dem Betrieb aus den Augen zu verlieren:" Mit diesen Worten brachte Roland Werner seine Erfahrungen aus der Milchvermarktung vor dem LBV-Milchausschuss am 23. Juni auf den Punkt. Eingeladen hatte der Landesbauernverband unter Leitung von LBV-Vizepräsident Gerhard Glaser nach Denkendorf, Landkreis Esslingen. Roland Werner ist selbst aktiver Landwirt und Verwaltungsratspräsident der Thur Milch Ring AG mit Sitz in Ermatingen am südlichen Bodensee unweit von Konstanz. Seinen Milchviehbetrieb hat Werner 1995 erweitert, mit Außenbereich und viel Auslauf für die Kühe, die Kosten lagen damals mit 7000 Schweizer Franken (CHF) deutlich unter den sonst üblichen Kosten von bis zu 30.000 CHF pro Platz. Heute melkt Werner pro Jahr rund 400.000 kg Milch, die über die Thur Milch Ring AG vermarktet wird. „Trotz Aktiengesellschaft sind wir eine Selbsthilfeorganisation der Milchproduzenten“, berichtete Werner. In der Schweiz sei diese Rechtsform durchaus verbreitet – möglich bereits ab einem Stammkapital von 100.000 CHF.

Standardvertrag von der Branchenorganisation
Seit Ausstieg der Schweiz aus der Milchmengenkontingentierung im Jahr 2009 wurde im Landwirtschaftsgesetz festgeschrieben, dass in Sachen Milchlieferung zwingend ein Vertrag bestehen muss. Den Standardvertrag hat die Branchenorganisation erarbeitet und wurde vom Bundesrat abgesegnet. Die Minimalvertragsdauer bei dem Standardvertrag läuft über ein Jahr. Kürzere Laufzeiten sind nicht zulässig. Menge, Preis und Zahlungsmodalität sind in dem Vertrag festgehalten.„Das ist eigentlich selbstverständlich.

Rund 20 Cent über EU-Preisniveau
"Leider gibt es immer noch Lieferverträge in der Schweiz, bei denen das nicht sauber geregelt ist“, so Werner. Der Milchpreis in der Schweiz liegt seit Jahren etwa 20 Cent über dem EU-Milchpreisniveau. Eingeführt wurde 2009 mit Wegfall der Quotenregelung ein so genanntes A/B/C-Modell. Eine Kompromisslösung, mit der sich die Branche mittlerweile arrangiert hat. Den Milchpreis allerdings lediglich in A-, B-, C-Teile zu zerlegen, um ihn dann wieder zu einem Schnittpreis zusammenzubauen, wie es einige Molkereien in der Schweiz bis heute praktizieren, macht für Werner und seinen Geschäftsführer Urs Schwizer wenig Sinn. Vielmehr komme es für die beiden darauf an, mit Hilfe der variablen Teile, die Menge aktiv zu steuern.

Milchmarkt ist hoch volatil und es gibt viele Faktoren
Um ein Gespür für den Markt und die Milchpreisverläufe zu entwickeln, müsse man sich laut Werner zum einen im Klaren sein, dass Europa zusammen mit Neuseeland weltweit zum größten Milchproduzenten und damit auch Milchexporteur gehört. „Wir können unsere Hände nicht in Unschuld reiben, wenn der Weltmarkt aus dem Ruder läuft,“ so Werner. Zum anderen dürfe man den Quotenausstieg nicht ständig zum Sündenbock für den schlechten Milchpreis machen. „Das hat mit der Realität wenig zu tun“, so Werner.

Aufteilung in fixen und variablen Teil
Bei der Thur Milch Ring AG hat jeder Produzent eine Vertragsmenge, die jährlich neu festgelegt wird. Heruntergebrochen auf den Monat, hat jeder Betrieb seine Monatsmenge. Diese Menge wird nun aufteilt in einen fixen Teil und einen variablen Teil. Beim fixen Teil ist die Menge fest und der Preis über eine längere Zeit stabil – mindestens für drei Monate, in der Praxis meist länger. Und: Der fixe Teil wird immer zuerst abgerechnet. Der variable Preis ist nah am Spotmarktpreis. Der variable Teil bedient den saisonalen Verlauf der Milch. Im Frühjahr gibt es immer mehr Milch, danach kommt das Sommerloch, da sind viele Tiere auf der Alp, die Milch wird knapp. Hier steigt der variable Preise meist deutlich über den Fixpreis, was für die Lieferanten ein Produktionsanreiz bedeutet.

Wer zu viel melkt, bestraft sich selbst
Es gab auch schon Jahre, in denen die Milch fast das ganze Jahr über stark nachgefragt wurde, sodass man über den variablen Preis hier Anreize schaffen konnte. In einem gesättigten Markt, wie derzeit liegt der variable Preis unter dem Fixpreis. Wer jetzt mehr melkt, bestraft sich selber, weil er immer mehr in den variablen Teil reinläuft und sich so seinen Durchschnittsmilchpreis weiter senkt. Die Thur Milch Ring AG schließt ihre Milchpreisverträge mit den Molkereien über ein sehr enges Mengenkorsett ab. Werden diese Mengen unter- oder überschritten, kostet dies der Firma Geld. Den besten Milchpreis gibt es, wenn man innerhalb dieses Korsetts bleibt. „Das ist uns dieses Frühjahr gelungen,“ berichten Werner und Schwizer nicht ohne Stolz. Hätte man zu viel Milch gehabt, hätte man diese für 20 Cent verkaufen müssen.


Fazit: Das System, wenn es einmal läuft und vom Produzenten begriffen wird, sei extrem einfach. Der Produzent ist relativ frei und ihm wird nicht von außen vorgeschrieben, wie viel er produzieren darf. Er trägt die Konsequenzen selbst, über den Preis.


Beispiel: Am 1. Januar 2015 hat Landwirt A eine Vertragsmenge von 400.000 kg Milch, davon sind 90 Prozent = 360.000 kg A-Menge und zehn Prozent = 40.000 kg B-Menge. Pro Monat sind das 30.000 kg feste Menge. Landwirt A hat nun seinen Stall erweitert und einige Kühe dazu bekommen. Am 1. Januar 2016 liefert er 520.000 kg Milch. Dann erhöht sich seine A-Menge (90 Prozent) von 360.000 kg auf 468.000 kg Milch pro Jahr beziehungsweise von 30.000 auf 39.000 kg pro Monat. Die B-Menge (zehn Prozent von 520.000 kg) erhöht sich auf 52.000 kg.

Einzelne Lieferanten kann Schwizer in der Regel immer aufnehmen, sagt er. Sollten jedoch neue Lieferanten im großen Stil ab 1,5 Mio. kg dazukommen, muss Schwizer mit den Vertragspartnern zuerst klären, ob diese bereit sind, die Vertragsmengen aufzustocken. Ist dies nicht der Fall, müssen sich die neuen Lieferanten mit dem B-Preis begnügen. Sie landen dann komplett in dem variablen Teil. Die Stammlieferanten haben Priorität, sagt Schwizer. Falls die Erzeuger deutlich zu viel Milch liefern, kann es auch vorkommen, dass man eine dritte Staffelung einführt, also neben der A- und B-Milch, eine zusätzliche B1-Milch, bei der der Preis noch niedriger liegt. Ist die Milch hingehen gesucht, kann es auch sein, dass der B1-Milchpreis höher liegt als der A- und B- Milchpreis.

Thur Milch Ring AG
Die Thur Milch Ring AG, Ermatingen, wurde im Jahr 2000 gegründet. Verkauft werden 40 Mio. kg Milch von 155 Milchproduzenten. Zu den Abnehmern gehören die Hochdorf-Holding, Hochdorf; die Züger Frischkäse AG, Oberbüren; die Elsa-Mifroma Gruppe, Estavayar-le-Lac (Kanton Freiburg); die Strähl Käse AG, Siegershausen sowie einige kleinere regionale Käsereien. Mit den Abnehmern werden die Preise für drei Monate festgelegt bzw. quartalsweise überprüft. Mit den Erzeuger laufen die Verträge auf ein Jahr mit drei monatiger Kündigungsfrist auf den 31. Dezember. In den Gründungsverträgen der Thur Ring AG ist sichergestellt, dass die Aktienmehrheit immer in der Hand der aktiven Milchproduzenten ist. Im Verwaltungsrat haben die Bauern die Mehrheit. Außerdem sitzen dort ein Jurist sowie Vertreter der Molkereien, mit denen man am meisten zusammenarbeitet. Neben dem eigenen Milchverkauf übernimmt die AG als Dienstleister für einige Molkereien die Abrechnung des Milcheinkaufs. Diese Abrechnungs-Milch beläuft sich auf 20 Mio. kg. Im Kanton Thurgau hält die AG nach eigenen Angaben 15 bis 20 Prozent Marktanteil an der gesamten Milchmenge des Kantons.

Mehr unter: http://www.thurmilch.ch

 

Downloads:
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren
Ort ändern

Geben Sie die Postleitzahl Ihres Orts ein.