Peschto und Software
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Die Hofläden der Republik entwickeln sich zu einem hoch interessanten Marktsegment, dessen Strahlkraft immer mehr über die Grenzen der landwirtschaftlichen Branche hinausragt. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls, wenn man sich unter den Kosmetikherstellern und Softwareexperten umhört, deren Messestände sich zwischen landwirtschaftlich-handwerklichen Lebensmittelerzeugern, Etikettiersystemen und Verpackungsideen eingefügt haben.
Warenwirtschaftssystem gefragt
„Ein Landwirt ist auf uns zugekommen – er suchte nach einem Warenwirtschaftssystem, von dem aus er die Verkaufspreise an seinen Erdbeerständen zentral und auch kurzfristig ändern kann.“ schildert Gaylord Fabian, Chefentwickler des Software-Anbieters Quixoffice, seine erste Begegnung mit einem Direktvermarkter. Für das Unternehmen war der Messeauftritt ein voller Erfolg: Die Branche bietet interessante Herausforderungen und von Seiten der Betriebsleiter ein zunehmendes Interesse, diese professionell anzugehen.
Spezialitäten oder „Regionalitäten“? In Sachen Zukaufsortiment lässt sich ein wechselseitiger Suchprozess beobachten. Da sind die Hofladenbetreiber, die nach neuen Produkten Ausschau halten, um sich von Supermärkten abzuheben – was sich als zunehmend schwierig erweist, da letztere den Werbefaktor Regionalität längst für sich entdeckt haben. Auf Seiten der Aussteller zeigt sich im Gegenzug ein immer breiteres Spektrum verschiedener Produkte. Nicht bei allen sind die Berührungspunkte zum klassischen Hofladen auf den ersten Blick erkennbar. Aber alle sind sich einig: Hofläden sind ein interessantes Pflaster – die Kunden haben einen Sinn für hochwertige Produkte, und beim Einkauf wird die Beratung noch groß geschrieben.
Lars Ritter bietet unter seinem Label „Cremepott“ hausgemachte Seifen an. Dabei kann der Kunde wählen, ob beispielsweise eine Schafmilchseife aus industriellen Zutaten oder mit eigener Schafmilch hergestellt werden soll.
Gastronomie, Großküchen und Direktvermarkter
Das Outfit der Sauce Hollandaise mit dem Schriftzug „Lottis Hofküche“ erweckt den Eindruck, Lotti sei geade dabei, im Nebengebäude des Hofladens die Sauce zu kochen – ohne Zusatzstoffe und „mit viel Liebe“, wie das aparte Etikett im 50er Jahre-Stil auf dem Glas verheißt. Hinter Lottis Hofküche verbirgt sich die Schweizer Hügli Holding – ein Unternehmen mit 1500 Mitarbeitern und Produktionsstätten in mehreren europäischen Ländern, das seine Produkte bislang überwiegend im Direktvertrieb an Gastronomie und Großküchen vermarktet.
Der schwäbische Nudelhersteller Albgold fährt bereits seit geraumer Zeit erfolgreich mit verschiedenen Marktauftritten – Nudeln mit „Albgold“-Etikett finden sich in vielen gut sortierten Supermärkten; das Label „Beste Landqualität“ wurde speziell für Direktvermarkter ins Leben gerufen. Regional oder im Ernährungstrend? Der Hersteller fährt auch hier mehrgleisig: Der verwendete Hartweizen stammt seit diesem Jahr ausschließlich aus deutschem Anbau. Zusätzlich sind auch Nudeln aus Buchweizen, Kichererbsen oder roten Linsen im Sortiment – nicht heimisch, aber glutenfrei.
Die Feinkostmanufaktur „Delikat essen“ wäre vor wenigen Jahren noch ein sehr typischer Aussteller der ExpoDirekt gewesen – heute bildet sie in ihrer konsequenten Bodenständigkeit schon fast eine Ausnahme. Die Zutaten stammen so vollständig als möglich aus der Bodenseeregion; die Produkte heißen beispielsweise „Zucchini-Rucola-Peschto“, Salat- oder Tomatensößle.
Große und kleine Höfe
Der Verband der Süddeutschen Spargel- und Erdbeererzeuger ist bereits seit 2011 Veranstalter der ExpoDirekt im Messeduo mit der ExpoSE. Geschäftsführer Simon Schumacher beobachtet: „Es gibt eine Schere, die immer weiter auseinander driftet. Auf der einen Seite sind die Großbetriebe, die immer weiter wachsen, immer mehr Verkaufsstände eröffnen, immer mehr Fläche mit immer modernerer Technik bewirtschaften – und auf der anderen Seite sind die kleinen Familienbetriebe, die auf Vielfalt, Qualität und den persönlichen Kontakt zum Verbraucher setzen.“
Und es bleibt nicht bei der großen Bandbreite innerhalb der Hofläden und Verkaufsstände – zunehmend verbreiten sich neue Vermarktungswege. Anbieter von Verkaufsautomaten präsentierten sich ähnlich erfolgreich wie die Online-Plattform Lemilo, in der Kunden ihren Hofladeneinkauf online bestellen können. Weitere neue Vermarktungsideen wie solidarische Landwirtschaft oder Marktschwärmer wurden im Vortragsprogramm der Messe vorgestellt.
„Für mich ist wichtig, jeden Betrieb in seiner Entwicklung anzuerkennen und keinen Trend als besser oder schlechter zu bewerten“, betont Simon Schumacher. Entsprechend entwickelt sich die ExpoDirekt mehr und mehr zu einem Branchentreffpunkt, der die ganze Bandbreite der Direktvermarkter anspricht. Vom einzelnen Betriebsleiter ist eine zunehmende Entscheidungskompetenz gefordert: Was entspricht meiner persönlichen Betriebsphilosophie – und was nicht.
Innovationspreis und Hofladen des Jahres mit einem aus dem Land
In diesem Jahr vergab die Jury der ExpoDirekt einen Innovationspreis. Dieser ging an die Firma Sofrupak aus Polen für ihre Verpackung SoFruMiniPak Premium 2, das sich beispielsweise für Beeren, Trauben und Cocktailtomaten eignet. Die Schalen sind aus Pappe – ein Deckel aus durchsichtigem Kunststoff lässt sich per Hand oder maschinell aufsetzen.
Erstmalig rief die Fachzeitschrift Hof Direkt in diesem Jahr den Wettbewerb um den Hofladen des Jahres aus. Von 67 Bewerbungen aus Deutschland und Österreich wurden drei Betriebe ausgezeichnet. Der 1. Preis ging an den Hof Holste in Marte in Niedersachsen, den 2. Preis erzielte Strudels Scheunenlädele aus Zarten im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und den 3. Platz erreichte der Hofladen Frisch im bayerischen Königsbrunn im Landkreis Augsburg.
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