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Interwiew mit Professor Achim Spiller

Transparenz allein reicht nicht

Die Vorstellung morgens in den Stall zu kommen und zu spüren, dass nächtliche Besucher da waren ist erschreckend – auch wenn alles in Ordnung ist. Aktuelle Gerichtsurteile erwecken zudem den Eindruck, dass es rechtlich legitimiert ist, in fremdes Eigentum einzudringen. Wir haben bei Prof. Dr. Achim Spiller von der Universität Göttingen nachgefragt, warum die Bevölkerung dies zu tolerieren scheint.
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Bwagrar: Stalleinbrüche scheinen - trotz dass sie ein Eindringen ins private Eigentum sind - zunehmend von der Bevölkerung legitimiert. Woher kommt das?

Prof. Spiller: Wir haben bei einer Stichprobe mit Verbrauchern herausgefunden, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung Undercover-Aufnahmen aus Ställen als sinnvolles Instrument zur Aufdeckung von Tierschutzproblemen wertet. Viele sehen sie gar als wichtig an, um Transparenz über die heutige Tierhaltung zu gewinnen.

Bwagrar: Das heißt, die Verbraucher haben das Gefühl, sie werden so über Sachen informiert, die sonst unter dem Deckmantel der Geheimhaltung in Ställen stattfinden?

Prof.  Spiller: Genau. Wir wissen aus Studien, dass nur jeder zehnte deutsche Verbraucher bereits einmal in einem Stall gewesen ist. Vor allem die Schweine- und Geflügelhaltung findet ja fast ausschließlich in geschlossenen Ställen statt.  Neun von zehn Menschen kennen Tierhaltung daher nur noch aus Medienbildern. Entsprechend ist die Vorstellung, dass die Haltung in vielen Fällen nicht tierfreundlich ist und es um den Tierschutz sehr schlecht steht. Bilder aus Undercover-Recherchen bestätigen den Verbraucher dann in seiner Vorstellung.

BWagrar: Welche Art Haltung ist für den Verbraucher denn annehmbar?

Prof. Spiller: Wir haben in unserer Studie verschiedene Bilder von Tieren vorgestellt. Eines mit schwer verletzten Schweinen, auf denen gegen bestehenden Tierschutz verstoßen wurde. Eines bei dem die Schweine nicht gut und eher kränklcih aussahen und eines mit Schweinen in einer üblichen Haltung – konventionell und auf Vollspalten. Keines der Bilder entsprach dem, was sich Verbraucher vorstellen. Die Unterschiede in der Wahrnehmung der verletzten Tiere zu den Tieren in der konventionellen Haltung auf Vollspalten waren gering.   

In den meisten Fällen werden die heute üblichen Stallhaltungssysteme in geschlossenen Ställen mit Vollspaltenböden von der Bevölkerung als problematisch angesehen. Bilder von Tieren im Freiland und bei der Weidehaltung werden hingegen unterstützt. Auch schon ein kleiner Auslauf wird als positiv gewertet.

Transparenzmaßnahmen alleine reichen da nicht aus. Wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion, wie sich die Tierhaltung weiter entwickeln soll.

Wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion, wie sich die Tierhaltung weiter entwickeln soll
Prof. Achim Spiller, Universität Göttingen

BWagrar: Die Macht der Bilder wissen sich Tierrechtsaktivisten zu Nutze zu machen. Könnten Landwirte diesen Weg ebenfalls nutzen?

Prof. Spiller: Ja, mit Transparenz. Das kann in unterschiedlicher Form geschehen, zum Beispiel mit einem Stallfenster oder über eine Webcam. Beides gibt dem Verbraucher die Möglichkeit in den Stall zu schauen.  Dies kann auch ein gutes Instrument sein, wenn man von Opfer von Tierrechtsaktivisten wird.  Auch ein Tag der offenen Tür trägt dazu bei, dass Verbraucher auch andere Bilder im Kopf haben.

BWagrar: Die Bunderegierung hat sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, härter gegen Stalleinbrüche vorzugehen. Tut sie den Landwirten damit einen gefallen?

Prof. Spiller: Wohl nicht. Eine kanadische Arbeitsgruppe hat herausgefunden, dass die Gesellschaft denkt: Wer Sondergesetze braucht, hat etwas zu verbergen.  Im Grunde geht es doch darum, die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass Landwirte bereit sind etwas in Sachen Tierschutz zu tun und selber aktiv werden wollen. Da passt diese Forderung nach einer Sonderbehandlung nicht.

BWagrar: Sie sagen, dass Landwirte selber etwas voranbringen wollen. Ist das auch eine Forderung der Gesellschaft?

Prof. Spiller: Man muss unterscheiden zwischen dem Image einzelner Landwirte und dem Image der Landwirtschaft. Der Landwirt hat ein gutes Ansehen in der Bevölkerung. Er wird als hartarbeitend und fleißig wahrgenommen. Zudem ist vielen Verbrauchern bewusst, dass er unter wirtschaftlichem Druck steht. Dennoch hat das System Massentierhaltung  ein sehr schlechtes Image. Dies zu verbessern wird die große Herausforderung der Zukunft.

BWagrar: Was versteht der Verbraucher denn unter Massentierhaltung?

Prof. Spiller: Wir haben dies in einer früheren Studie abgefragt. Die Verbraucher haben immer ein paar hundert Tiere im Kopf wenn es um die Frage nach einer annehmbaren Betriebsgröße geht. Bei Kühen passt dies ungefähr. Bei Schweinehaltungs- oder Geflügelbetrieben sind wir von dieser Vorstellung weit entfernt. In neugebauten Ställen sind es selten unter tausend Schweinen oder einige zehntausend Masthähnchen.

 

Herr Professor Spiller, wir danken für das Interview.

Professor Dr. Achim Spiller ist Inhaber der Professur für „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung an der Universität Göttingen und hat in einer Studie Verbraucher zum Thema Stalleinbrüche befragt.

Mehr zu diesem Thema lesen Sie in Ihrer BWagrar, Ausgabe 22/2018
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