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Rebhuhnschutz in Baden-Württemberg

Gemeinsam für mehr Lebensraum

Perspektiven für das Rebhuhn - Status quo, Fördermöglichkeiten. Gibt es eine Chance für das Rebhuhn? Auf einer Tagung in Rottenburg-Ergenzingen im Dezember 2019 trafen sich Fachleute aus Naturschutz, Wissenschaft, Jagd, Landwirtschaft, Verwaltung und Politik. Eines ihrer Fazits: Es sind mehr Lebensräume nötig und die Akteure müssen besser vernetzt sein.
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Rebhuhnschutz
RebhuhnschutzAnnette Mayer, AR
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Seit 1980 sind die Rebhuhnbestände europaweit um rund 90 Prozent eingebrochen, erklärte Dr. Eckhard Gottschalk, Universität Göttingen, auch in Deutschland sei der einstige Charaktervogel der offenen Ackerlandschaften enorm zurückgegangen.

Ist das Rebhuhn noch zu retten?

Gottschalk berichtete aus 15 Jahren Forschung und Management für den Rebhuhnschutz. Die Arbeit im Göttinger Rebhuhnschutzprojekt habe einerseits zum Ziel, die Probleme, die das Rebhuhn mit unserer modernen Agrarlandschaft hat, zu analysieren und andererseits, das Management zu erproben, das geeignet ist, den Rebhuhnbestand wieder anzuheben. Dazu seien im Laufe von sieben Jahren über 200 Rebhühner besendert und ihre Lebensläufe – in der Regel bis zu ihrem Tod – verfolgt worden. Die größten Schwierigkeiten hätte das Rebhuhn nicht etwa im Winter oder zur Erntezeit, sondern im Sommer. Sichere Brutplätze seien rar und viele Hennen fielen auf dem Nest einem Räuber zum Opfer, erklärte der Wissenschaftler. Gerade linienförmige Landschaftselemente wie Hecken und Feldraine würden ein hohes Prädationsrisiko bergen.

Um den Rebhühnern Brutplätze (vorzugsweise vorjährige Vegetation) zu bieten und einen geeigneten Lebensraum für die Aufzucht der Küken (insektenreiche Vegetation, die noch nicht zu dicht ist), wurde in Göttingen eine abgewandelte Form der Blühflächen erprobt: Alljährlich wird nur die Hälfte der Fläche neu bestellt, sodass sich ein Nebeneinander von älterer und jüngerer Vegetation ergibt.

Die Telemetrie zeige, dass Rebhühner solche Flächen bei entsprechender Größe in der Brut- und Aufzuchtzeit nicht mehr verlassen müssten, da diese Flächen alle wichtigen Bedürfnisse erfüllen würden. Allerdings werde eine gewisse Dichte an Maßnahmen benötigt, um eine positive Bestandsentwicklung herbeizuführen. Im EU-Interreg-Projekt PARTRIDGE werde zurzeit vorgeführt, was eine hohe Dichte an Maßnahmen bewirken könne. Rebhuhnschutz sei also aufwändig, aber es würden nicht nur die Rebhühner profitieren: Von anderen Brutvögeln bis zu blütenbesuchenden Insekten gebe es zahlreiche Arten, die die neuen Flächen als Lebensraum annehmen würden, so das Fazit von Dr. Gottschalk.

Bestandsentwicklung des Rebhuhns in Baden-Württemberg

Das Rebhuhn war einst in Baden-Württemberg in höheren Dichten weit verbreitet und war eine häufige Jagdart, erklärte Dr. Johanna Maria Arnold von der Wildforschungsstelle (WFS) des Landes Baden-Württemberg am LAZBW. Seine Bestände seien aufgrund der Lebensraumverschlechterung in den letzten Jahrzehnten stark gesunken. Seit dem Jagdjahr 2015/16 dürfe das Rebhuhn nicht mehr bejagt werden, nach dem „Jagd- und Wildtiermanagementgesetz“ sei es dem Schutzmanagement mit ganzjähriger Schonzeit zugeordnet.

Seit dem Jahr 2006 führt die WFS kontinuierlich flächendeckende Umfragen zum (Brut-)Vorkommen des Rebhuhns in den Jagdrevieren durch. Die Analyse der Daten würden einen deutlichen Rückgang sowohl des Verbreitungsgebietes (einschließlich die Erlöschung von lokalen Restvorkommen) als auch der Rebhuhndichten seit Beginn der Erfassung zeigen, stellte Arnold dar.

Neben den flächendeckenden Befragungen führt die WFS in Kooperation mit dem Landesjagdverband seit dem Jahr 2018 ein Rebhuhnmonitoring in ausgewählten Referenzgebieten durch, stellte Arnold dar. Mithilfe vieler Ehrenamtlicher aus Jägerschaft, Landschaftserhaltung, Natur- und Artenschutz würden Rebhühner im Rahmen der Frühjahrszählung mittels Klangattrappe erfasst. Weiterhin sei die Monitoringmethode für den Frühherbst weiterentwickelt worden, bei welcher durch Experten Rebhuhnketten mittels Wärmebildkamera beobachtet würden.

Zukünftig werde das Rebhuhnmonitoringprogramm weiter ausgebaut und ferner ergänzt durch eine Flächennutzungskartierung sowie Habitatstrukturanalyse. Die Ergebnisse des Monitorings der Rebhühner und ihrer Lebensräume würden dazu dienen, konkrete Wildtiermanagementmaßnahmen (etwa im Rahmen des Projektes Allianz für Niederwild) zur Steuerung der Bestände und ihrer Lebensräume zu setzen und diese hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen, so Dr. Arnold.

Aktuelle Verbreitung des Rebhuhns in Baden-Württemberg

Das Rebhuhn war einst ein verbreiteter Brutvogel in Baden-Württemberg und mit Ausnahme der Hochlagen des Schwarzwaldes in allen Landesteilen anzutreffen, betonte Mathias Kramer, Diplom-Biologe aus Tübingen. Bereits ab den 1950er Jahren und verstärkt ab den 1970er Jahren seien die Bestände in Baden-Württemberg sehr stark zurückgegangen. Für die Jahrtausendwende würde der Bestand der einst sehr häufigen Feldvogelart auf nur noch 2500 Paare geschätzt und liege nach Einschätzung der Landesornithologen bei nur noch fünf Prozent des Bestands der Nachkriegszeit.

Der Rückgang hätte sich bis heute weiter fortgesetzt, erklärte der Biologe. Nach aktuellen Schätzungen würden in Baden-Württemberg bei anhaltend negativem Trend nur noch etwa 500 bis 800 Paare brüten. In vielen ehemals besiedelten Regionen Baden-Württembergs wie etwa am Bodensee sei das Rebhuhn als Brutvogel verschwunden oder erreiche nur noch sehr geringe Bestandsgrößen. Die aktuellen Verbreitungsschwerpunkte würden sich vom Albvorland über das Neckarbecken bis ins Tauberland und an den nördlichen Oberrhein erstrecken, während aus den südlichen Landesteilen kaum noch Vorkommen gemeldet würden, stellte Matthias Kramer dar.

„Rebhuhnschutz im Landkreis Tübingen“ - Erste Erfahrungen aus dem Plenum-Projekt

Das Rebhuhn sei heute landesweit vom Aussterben bedroht, betonte auch Dr. Sabine Geißler-Strobel. Die freie Landschaftsökologin betreut im Rebhuhnschutzprojekt im Landkreis Tübingen die Ackermaßnahmen. Im Landkreis Tübingen gab es in den 1980er Jahren noch etwa 250 Reviere, stellte sie dar. 2015 seien es nur noch 30 gewesen, eine Trendumkehr sei damals nicht in Sicht, das Erlöschen der letzten Vorkommen absehbar gewesen.

Gewissermaßen „in letzter Minute“ sei 2017 das Rebhuhn-Schutzprojekt vom NABU-Vogelschutzzentrum in Mössingen initiiert und über PLENUM gefördert worden. Kooperationspartner seien der Verein VIELFALT e. V. und die Initiative Artenvielfalt Neckartal. Weitere Unterstützer seien das Landratsamt, Kommunen, die Eberhard-Karls-Universität Tübingen, ehrenamtliche Ornithologen, Naturschützer und Jäger.

Den Rückgang im Landkreis Tübingen zu stoppen und eine Trendumkehr zu erreichen, sei das erklärte Ziel des Projekts. Hauptakteure seien Landwirte, die mehrjährige Blühbrachen auf geeigneten Flächen anlegen und dafür über die Landschaftspflegerichtlinie einen finanziellen Ausgleich erhalten, berichtete Geißler-Strobel. Neben diesen flächenhaften Maßnahmen gelte das Augenmerk der Reduzierung hoher Gehölzkulissen, die den Lebensraum des Rebhuhns und auch anderer Feldvogelarten stark einengen würden.

Erste Ergebnisse des ehrenamtlichen Monitorings seien ermutigend: Die Bestände seien wieder angestiegen, in Teilgebieten mit Maßnahmen habe sich die Zahl der Reviere nahezu verdoppelt, einzelne „verwaiste“ Teilgebiete seien wieder besiedelt worden. In Bereichen ohne Maßnahmen seien die Bestände dagegen zum Teil weiter zurückgegangen.

Um das Rebhuhn und andere bedrohte Feldvogelarten in Baden-Württemberg zu retten, würden einzelne „Pilotprojekte“ aber nicht ausreichen, betonte die Agrarbiologin. Mehrjährige Blühbrachen seien die wichtigste biodiversitätsfördernde Maßnahme im Ackerbau – dies würden zahlreiche Studien belegen. In Baden-Württemberg würden stattdessen über das flächenwirksame Agrarumweltprogramm „FAKT“ bislang überwiegend einjährige Brachen gefördert. Diese seien als Lebensraum für das Rebhuhn ungeeignet und könnten für Insektenarten sogar erhebliche Falleneffekte bewirken. Zu empfehlen oder noch zu erproben seien lichte Getreideäcker und Getreide-Leguminosen-Bestände, Kleegrasflächen, die nicht zu häufig gemäht würden, und Stoppeläcker und Mähdruschsaaten von Gründünger. Wichtiger Bestandteil der Bemühungen sei eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit. Ein gutes Beispiel dafür seien die Infotafeln an Hecken und Blühbrachen.

Neben geänderten agrarpolitischen Weichenstellungen bedürfe es aber auch im Naturschutz eines Umdenkens. Es würden wirksame Strukturen und Maßnahmen für die heute am stärksten bedrohten Offenlandarten fehlen, zu denen auch das Rebhuhn zähle. Weitere Gehölzentwicklungen und Gehölzneupflanzungen, wie sie oft favorisiert und umgesetzt würden, seien für den Schutz dieser Arten kontraproduktiv.

Finanzierung von Feldvogel-Maßnahmen

Feldvogelschutz ist oft mit Kosten und Ertragseinbußen verbunden. Um diese zu kompensieren, stünden in Baden-Württemberg staatliche Förderprogramme zur Verfügung, unter denen vor allem die Landschaftspflegerichtlinie (LPR) der Umsetzung spezifischer Ziele des Naturschutzes diene, berichtete Thorsten Teichert, Vielfalt e. V., Landschaftserhaltungsverbände (LEV) und PLENUM im Landkreis Tübingen, von Erfahrungen aus dem Projekt „Rebhuhnschutz im Landkreis Tübingen“. Die LPR sei das wichtigste Finanzierungsinstrument der Landschaftserhaltungsverbände (LEV) und der Landesverwaltung bei der Verwirklichung eines kooperativen Naturschutzes mit der Landwirtschaft.

Auch im Landkreis Tübingen erfolge die Umsetzung der im Rebhuhnschutzprojekt erarbeiteten Maßnahmen vorrangig und erfolgreich über die LPR. Aktuell befänden sich unter anderem etwa 40 Hektar mehrjährige Blühbrachen auf Äckern in LPR-Verträgen und in den letzten Jahren seien über drei Kilometer Hecken gepflegt worden. Die LPR-Mittel für solche Feldvogelmaßnahmen würden sich im Landkreis 2019 auf rund 70.000 Euro belaufen.

Maßnahmen im breit wirkenden Förderprogramm FAKT oder die von landwirtschaftlichen Betrieben zu erbringenden „ökologischen Vorrangflächen“ (ÖVF) könnten zum Teil auch Naturschutzziele unterstützen. Sie würden jedoch unspezifisch wirken und entzögen sich einer gezielten Umsetzung in Schutzprojekten. Insgesamt zeige sich, dass eine wirksame Förderung des Artenschutzes auf drei Säulen fußen sollte:

  1. sinnvolle Grundanforderungen an die Landbewirtschaftung,
  2. wirksame und auskömmliche Agrarumweltförderungen für die breite Anwendung (hier FAKT) und
  3. Spezialprogramme mit einer hohen Honorierung für die gezielte Anwendung in Schutzprojekten (hier LPR).

Die Bausteine sollten mit einem Minimum an Bürokratie und rechtlichen Hürden umsetzbar und kombinierbar sein, forderte Teichert. Diesen Anforderungen würden die heutigen Programme nur zum Teil gerecht, es würden für die kommende Agrarförderperiode deutliche Optimierungspotenziale bestehen.

Allianz für Niederwild: Zwischenbilanz und Empfehlungen

Es gebe bereits jetzt Möglichkeiten, die Agrarlandschaft temporär aufzuwerten (ÖVF, FAKT), erklärte Anne Scholl, Wildforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg am LAZBW. Die kritischste Zeit im Rebhuhn-Jahr seien die Monate März bis August. Hier bestehe ein Mangel an wichtigen mehrjährigen Kernlebensräumen in der Agrarlandschaft, die als Reproduktionsraum genutzt werden könnten.

Dieser Mangel würde sich insbesondere auch in der schlechten Förder- und Konkurrenzfähigkeit derzeitiger Agrarumweltmaßnahmen begründen. Bürokratische Hürden („Mindestpflege“) sowie ein erhöhtes Sanktionsrisiko bei freiwilliger Teilnahme von Landwirten an niederwildfreundlichen Maßnahmen (etwa Ackerstatus, Doppelförderung) würden sich derzeit als wesentliches Hemmnis für die Umsetzung von mehrjährigen Maßnahmen auf Ackerflächen erweisen. Lebensräume schaffen, erhalten und verbessern ginge nur ohne dauerhaften Entzug der Bewirtschaftungsflächen und nur mit der Akzeptanz der Akteure, betonte Scholl.

In verschiedenen Modellregionen und Lokalprojekten im Rahmen des Projekts Allianz für Niederwild würden derzeit bislang nicht förderfähige Maßnahmen umgesetzt und hinsichtlich ihrer Wirkung auf Niederwildarten, aber auch hinsichtlich der landwirtschaftlichen Praxistauglichkeit erprobt. Durch einen intensiven Austausch mit den ausführenden Akteuren vor Ort würden sowohl wichtige Erkenntnisse für die fachlichen Anforderungen von Agrarumweltmaßnahmen für Offenlandarten gewonnen als auch die bürokratischen Anforderungen und der aktuelle organisatorische Aufwand solcher Maßnahmen aufgezeigt, wies Scholl hin.

Dabei würde deutlich, was landesweit zum Erhalt des Rebhuhns und anderer gefährdeter Offenlandarten benötigt werde, führte Rene Greiner, Landesjagdverband Baden-Württemberg, aus:

  • über- und mehrjährige, hochwertige Agrarumweltmaßnahmen (Brache/Rotationsbrache) mit attraktiver Dotierung („Anreizkomponente“),
  • zielgerichtete landwirtschaftliche Betriebsberatung für Biodiversität im Offenland,
  • in den „Rebhuhn-Hotspot-Regionen“ eine Betreuung vor Ort, wenn es um die Maßnahmenumsetzung/-koordinierung sowie Lösung von lokalen Problemen ginge („Lokalprojekte/Ganzheitlicher Ansatz“)

Damit der Erhalt des Rebhuhns in der Kulturlandschaft Baden-Württembergs gelingen könne, sei es unerlässlich, Agrarumweltmaßnahmen mit hohem Biodiversitätseffekt besser zu dotieren und die Programme durch weitere geeignete Maßnahmen zu ergänzen. Durch den Aufbau eines agierenden landesweiten Beratungsnetzwerks könnten die Potenziale der Agrar- und Naturschutzförderprogramme zielgerichtet zum Einsatz gebracht werden. Was das Rebhuhn brauche, sei eine moderne Landwirtschaft mit integrierten Rückzugsräumen, fasste Greiner zusammen.
 

 

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