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Professor Dr. Martin Elsäßer im Interview

Grünland fit für die Zukunft machen

Professor Dr. Martin Elsäßer ist seit 34 Jahren am Landwirtschaftlichen Zentrum in Aulendorf (LAZBW) für das Grünland aktiv und hat in dieser Zeit unzählige Versuche begleitet und Vorträge gehalten, um den Futteraufwuchs von Wiesen und Weiden voranzubringen. Zum Jahreswechsel verabschiedet er sich in den Ruhestand. Wir haben ihn zu Entwicklungen im Rückblick und für die Zukunft befragt.

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Professor Dr. Martin Elsäßer ist seit 34 Jahren am LAZBW Aulendorf tätig undleitet dort den Fachbereich Grünlandwirtschaft und Futterbau. Zum Jahreswechsel geht er in den Ruhestand. 
Professor Dr. Martin Elsäßer ist seit 34 Jahren am LAZBW Aulendorf tätig undleitet dort den Fachbereich Grünlandwirtschaft und Futterbau. Zum Jahreswechsel geht er in den Ruhestand.  privat
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BWagrar: Sie haben über Jahrzehnte im Grünland geforscht und Versuche durchgeführt. Welche Erkenntnis hat Sie am meisten überrascht?

Elsäßer: Überrascht hat mich immer wieder, dass die Ergebnisse vieler unserer Versuche recht schnell wieder in Vergessenheit geraten sind. So war zum Beispiel die Thematik Heutrocknung Ende der 1980er Jahre eigentlich erledigt. In den letzten Jahren kam sie erneut auf, doch die Ergebnisse von damals waren nur schlecht oder nicht zu finden, weil sie digital nicht verfügbar sind. Mehr denn je kommt es heute auf eine sehr gute Dokumentation gewonnener Versuchsergebnisse und deren Schlüsse daraus an. „Schreiben“ und „Publizieren“ ist also enorm wichtig. Wir sind das bereits vor Jahren mit der Homepage www.gruenland-online.de angegangen. Und natürlich nehmen landwirtschaftliche Zeitschriften wie BWagrar eine zentrale Rolle ein. Aber wissenschaftliche Erkenntnisse müssen auch in wissenschaftlichen Organen international publiziert werden, um Forschungsgelder zu erhalten und um das Wissen weiterzutragen. Hier hat sich unser Fokus in Aulendorf in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Überrascht werde ich aber immer wieder auch davon, dass aus verschiedenen Gründen frühere und methodisch sauber gewonnene Ergebnisse immer wieder angezweifelt werden. Vor allem von Seiten der Praxis verlangt man stets Wiederholungen und immer wieder neue Versuche zum gleichen Thema, die aber fast immer zum gleichen Ergebnis führen. So zum Beispiel bei der Ausbringungsmethodik von Gülle und den dort zu erwartenden Emissionen. Das kostet enorme Ressourcen an Zeit und Geld, wobei meines Erachtens der fachliche Zugewinn sehr begrenzt ist.

BWagrar: Grünland galt einst als Mutter des Ackerbaus. Hat die Aussage noch Gültigkeit?

Elsäßer: Nein, eigentlich nicht. Der Spruch wurde geprägt zu einer Zeit, als auf dem Acker Getreide angebaut wurde und der Stallmist von Tieren, die mit Wiesengras ernährt wurden, die wichtigste Nährstoffquelle dafür war. Das ist heute nicht mehr so. Grünland steht eigenständig für einerseits sehr hohe Produktivität und andererseits bei angepasster Bewirtschaftungsintensität auch für hohe Biodiversität.

BWagrar: Grünland wird im Vergleich zum Ackerbau heute noch oft eher stiefmütterlich behandelt gemäß dem Motto „Etwas Grünes wird schon wachsen“. Was halten Sie dagegen und wo sehen Sie Fehlentwicklungen?

„Grünland ist eine sehr effiziente und hochproduktive Kulturform“ 


Elsäßer: Die moderne Grünlandwirtschaft kann sich mit diesem Satz natürlich nicht abfinden. Grünland ist eine sehr effiziente und hochproduktive Kulturform, aber nicht auf allen Standorten und nicht für jeden Nutzungszweck. Wer sich dem obigen Motto beugt, wird oft nur Ampfer, Hahnenfuß oder Vogelmiere ernten. Heute geht der Weg zur Ansaat von Mischbeständen vor allem mit Leguminosen, die auch den Klimawandel besser überstehen werden. Klee & Co. kommen nach jetzigem Wissensstand besser mit den Folgen eines sich ändernden Klimas zurecht.

BWagrar: Sie haben schon sehr früh für eine abgestufte Nutzungsintensität im Grünland plädiert. Wie bewerten Sie die derzeitige Entwicklung?

Elsäßer: Die abgestufte Nutzungsintensität ist nach wie vor der richtige Weg. Dort intensiv produzieren, wo genügend Wasser vorhanden ist, ausreichend Dünger und die Flächen gut befahrbar sind. Im Gegenzug an schlecht befahrbaren oder trockenen Standorten die Intensität zurückfahren und dort mehr für die Biodiversität tun. Dabei geht es bei der Steigerung der Biodiversität nicht darum, dass alle Flächen eines Betriebes artenreich sind. Es geht darum, dass produktive Flächen optimal genutzt werden und auf einem Betrieb, einer Region oder einem ganzen Gebiet dafür geeignete Flächen extensiv genutzt werden und damit der Artenvielfalt dienen. Beides gleichzeitig auf einer einzigen Fläche zu realisieren geht nicht. Also beides nebeneinander machen und das entsprechend der Güte und Qualität der Standorte. Eben abgestuft nutzen!

BWagrar: Lässt sich damit der Forderung nach mehr Biodiversität nachkommen oder welche Maßnahmen sind zusätzlich nötig?

Elsäßer: Ja, das ist möglich. Aber wir brauchen dafür Nutzungs- und vor allem Verwertungskonzepte für extensive Flächen. Nur wenig düngen und weniger oft mähen, löst das Nutzungsproblem nicht. Tierhaltung in irgendeiner Form ist essenziell für die Nutzung von Grünland und wir brauchen Verbraucher, die bereit sind, die Produkte von hier zu kaufen und zu konsumieren. Dazu muss das erzeugte Produkt beste Qualität haben, die Vermarktung muss optimiert und der Handel einbezogen werden. Und sorry, der Trend zur veganen Ernährung hilft in der Erhaltung unserer Lebensumwelt nicht wirklich weiter. Auch die Diskussion um die Reduktion des Methanausstoßes von Wiederkäuern greift etwas kurz, denn die Funktionen von Grünland wie Humuserhalt, Kohlenstoffspeicherung oder Erhalt der Biodiversität lassen sich am besten bei genutztem Grünland erhalten.

BWagrar: Verbraucher wünschen sich Kühe auf der Weide, doch die Realität sieht anders aus. Woran hapert es?

Elsäßer: Die Viehbestände je Betrieb sind in den letzten Jahren stetig gestiegen und wenn die Grünlandflächen nicht direkt um den Hof herum liegen, wird es schwierig mit der Weide. Weidegang ist aufwändig und eine gute Weideführung ist die Königsdisziplin des Futterbaus. Auch mag Weidegang vielleicht nicht so chic sein, wie die Bedienung eines großen Schleppers, weswegen viele Bauern auf Stallhaltung und Verfütterung von Futterkonserven setzen. Darüber hinaus wird die Milchleistung bei den Kühen bei Weidegang zurückgehen und wenn Höchstleistung ein wichtiges Ziel ist, dann schneiden die Weidebetriebe schlecht ab. Wenn es aber um den ökonomischen Erfolg geht, stehen Weidebetriebe gut da. Es gibt hier im Übrigen auch gewaltige Unterschiede zwischen einzelnen Regionen. In Bayern und der Schweiz ist Weidegang wieder stark verbreitet. Baden-Württemberg hängt je nach Region ein wenig hinterher. Vor allem in Oberschwaben und im Allgäu ist die Stallhaltung immer noch die bevorzugte Haltungsform. Wir schaffen aber in Aulendorf mit einer WeideApp gerade digitale Möglichkeiten, um den Weidegang und die dafür erforderlichen Aufzeichnungen zu erleichtern.

"Eine gute Weideführung ist die Königsdisziplin des Futterbaus"

 

BWagrar: Wo ist anzusetzen, um Grünland auch in Ungunstlagen in Nutzung zu halten?

Elsäßer: Zunächst müssen die Verbraucher die Zusammenhänge zwischen Landschaft und Produkt erkennen. Die Qualität der Erzeugnisse muss sehr gut sein und die Verbindung zwischen Nutzung und dem Aussehen und dem Erhalt der Landschaft muss für alle erkennbar sein. Also im Klartext: Wenn im Schwarzwald die Hänge offen gehalten werden sollen, damit der Tourismus davon profitiert, dann muss jedem klar sein, dass das Fleisch der Tiere die dort gehalten werden, auch dort verzehrt werden muss und nicht argentinisches Rindfleisch in der örtlichen Gastronomie als Premiumprodukt angeboten wird. Das geht dann nicht zusammen.

BWagrar: Die vergangenen drei Hitze- und Dürrejahre haben gezeigt, dass bei der Bewirtschaftung zwingend auf den Klimawandel reagiert werden muss. Wo finden sich Ansätze?

Elsäßer: Die zunehmende Trockenheit und die Zunahme extremer Wetterereignisse stellen die Landwirte vor sehr große Herausforderungen. Auf diese sich stark ändernden Bedingungen richtig zu reagieren, ist nicht leicht und es wird dafür kein Patentrezept geben. Wir haben daher im DLG-Ausschuss Grünland sämtliche Bedingungen und Erkenntnisse für die Anpassung von Grünland im Klimawandel zusammengetragen und als Buch veröffentlicht. Es wird demnächst für kleines Geld im Handel erhältlich sein. Künftig wird es andere Nutzungskonzepte geben müssen. Intensivieren, wenn es die Bedingungen erlauben; Extensivieren in Phasen, in denen sowieso nichts oder wenig wächst. Wahrscheinlich ist der Weg der Höchstleistungen im Ertrag wie auch bei der Milchleistung ein falscher und wir müssen in Zukunft stärker auf den Bezug zum Standort und zum Boden achten und auch die Auswirkungen der einzelnen Produktionsformen auf das Klima bedenken und berechnen. Grünland ist wichtig, weil es extrem viele Funktionen in einer guten Agrarlandschaft übernimmt. Aber Grünland muss in Nutzung gehalten werden, weil es sonst verschwindet. Intelligente Systeme, wie wir es zusammen mit Edeka, der Uni Hohenheim und der Uni Göttingen im gerade abgeschlossenen Bioweiderinderprojekt in Bernau gezeigt haben, das wird der Weg der Zukunft sein. Das Land Baden-Württemberg hat im Übrigen hier reagiert und an den landwirtschaftlichen Landesanstalten, so auch in Aulendorf, Personalstellen geschaffen, die sich mit dem Klimawandel und möglichen und notwendigen Anpassungsstrategien beschäftigen.

BWagrar: Zum Jahreswechsel verabschieden Sie sich in den Ruhestand. Widmen Sie sich als leidenschaftlicher Golfer dann nur noch den Greens?

Elsäßer: Nein, ganz sicher nicht. Das wäre letztlich auch zu langweilig. Ich werde weiterhin dem Grünland treu bleiben und gerne immer wieder auf Nachfragen von ratsuchenden Landwirten oder Beratern reagieren. Auch in Hohenheim und Nürtingen werde ich noch einige Zeit Vorlesungen abhalten. Auf der anderen Seite sind Golfplätze heutigen Zuschnitts ja nicht nur Spielplätze, sondern auch absolute Hotspots der Biodiversität. Etwa die Hälfte eines Platzes besteht aus extensiv genutzten Roughflächen und dort wachsen wunderbare artenreiche Pflanzenbestände. Ich betreue mit zwei Golfplatzspezialisten derzeit das Projekt: „Lebensraum Golfplatz – wir fördern Artenvielfalt“, das ein Gemeinschaftsprojekt des Golfverbandes mit dem Umweltministerium ist. Hier wird es Führungen, Beratungen und Tagungen geben. Also ebenfalls ein sehr interessantes Terrain, auf das ich mich besonders freue. Aber klar, auch mein Golfhandicap soll verbessert werden, weil vermutlich dafür jetzt in der Tat mehr Zeit zur Verfügung steht. Zudem freue ich mich sehr, dass es in Aulendorf kompetent weitergehen wird, weil geeignete Nachfolger gefunden wurden.

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