Mehr Miteinander beim Schutz der Natur
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Ilsfeld-Auenstein (Landkreis Heilbronn), 31. Januar 2020
Bauerntag des Bauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg
Mehr Miteinander beim Schutz der Natur
Mit dem Eckpunktepapier seien Naturschutz und Landwirtschaft auf gutem Weg, betont der Umweltminister in seiner engagierten Rede.
Keine einzelbetrieblichen Ziele, keine Sanktionen
Die Reduktionsziele im Pflanzenschutz seien keine einzelbetrieblichen, sondern Landesziele, für deren Nichterreichen die Betriebe auch nicht sanktioniert würden. Das ist ihm wichtig. Und das betont er ganz besonders.
Untersteller ruft dazu auf, "alte Grabenkämpfe zu beenden". Der Minister lobt ausdrücklich die einführende Ansprache des Vorsitzenden Eberhard Zucker vom Bauernverband Heilbronn-Ludwigsburg, der auf Dialog setzt.
Wäre nicht der Bauer
„Denn, wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot“. Mit diesem Vers aus der Ballade vom „Riesenspielzeug“ des deutschen Dichters französischer Herkunft Adelbert von Chamisso (1781-1838) setzt der Umweltminister gleich zu Beginn ein klares Signal für die Anerkennung und Wertschätzung der Landwirtschaft. „Genauso ist es! Ohne Sie und Ihre Arbeit gäbe es keine Lebensmittel und keine Naturlandschaften“! Ginge die Biodiversität verloren, würden wir zugleich unsere Lebensgrundlage verlieren, betont Untersteller: „Wir brauchen beides, artenreiche Landschaften und die Landnutzer, genauso wie Sie gesunde Böden und Bestäuber.“
Untersteller kritisiert den Werbespruch von Edeka Minden-Hannover anlässlich ihres 100-jährigen Jubiläums: „Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten.“ Wenn ein Kalb mit acht bis zehn Euro weniger als ein Kanarienvogel koste, „stimmt etwas nicht mehr in unserer Gesellschaft“, meint der Minister. Lebensmittel müssten „ihren Preis wert“, also in diesem Sinne „preiswert“ sein.
Volksbegehren hätte gespalten
Das Volksbegehren Artenschutz „Rettet die Bienen“ hätte „zur Polarisierung, zur Spaltung unserer Gesellschaft“ geführt, erklärt Untersteller. Der dazugehörige Gesetzentwurf hätte Landwirtschaft auf rund 30 Prozent der Landesfläche unmöglich gemacht. Deswegen hätten sich sein Kollege Peter Hauk und er entschieden, zu verhandeln. Er sei dankbar für die Zustimmung der Bauernverbände zum Kompromiss. Denn „wir verpflichten den landwirtschaftlichen Betrieb nicht, Pflanzenschutz zu reduzieren, sondern haben den Mengenansatz gewählt“, stellt Untersteller klar.
Ziele des Landes
Die im Eckpunktepapier genannten Ziele „sind Ziele des Landes Baden-Württemberg.“ Würden diese Ziele nicht erreicht, würden die Einzelbetriebe nicht sanktioniert. Vielmehr sei das Land in der Pflicht, freiwillige Maßnahmen zur Erreichung der Ziele zu fördern, so bei der Reduktion chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel und dem Ausbau der ökologischen Landwirtschaft. „Dass dies alles keine wohlfeilen Absichten sind, sehen Sie im Beschluss vom Dezember 2019, dafür im ersten Schritt im Doppelhaushalt 62 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, die überwiegend der Landwirtschaft zugute kommen“, erklärt der Minister.
Nicht nur Landwirte betroffen
Vom Eckpunktepapier sei nicht nur die Landwirtschaft betroffen, betont Untersteller. So gebe es beispielsweise das Verbot von Pflanzenschutz in Haus- und Privatgärten sowie die Anlage von Schottergärten. Zudem würden Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung ergriffen. „Nicht nur die Landwirtschaft, auch Verbraucher, Wirtschaft und der Lebensmitteleinzelhandel müssen ihren Teil zum Schutz der Biodiversität beitragen“, unterstreicht der Minister.
„Ich möchte sie ermuntern, sich weiter in den politischen Prozess einzubringen. Sie wissen am besten, was in der Praxis möglich ist. Wir brauchen sie dringend als bäuerliche Betriebe zur Erzeugung von Lebensmitteln und Landschaftspflege“, lautet das Fazit von Franz Untersteller.
Gefühl mangelnder Wertschätzung
Innerhalb des Berufsstandes „hat sich leider ein Gefühl entwickelt von mangelnder Wertschätzung, Gängelung durch Vorschriften und Bürokratie sowie dem Eindruck, dass unsere hochwertigen Lebensmittel verramscht werden“, erklärt Eberhard Zucker in seiner Einführung. Als bestes Beispiel nennt der Vorsitzende des Bauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg „Lebensmittel zu Niedrigstpreisen als Lockmittel“.
Den Dialog suchen
Der Bauerntag stehe unter dem Motto „Miteinander nicht Gegeneinander: Landwirtschaft und Naturschutz". Das bedeute in der direkten Umsetzung den Dialog suchen: „Leider habe ich derzeit oft den Eindruck, dass das nicht klappt“, bedauert Zucker. „Es werden Wünsche einzelner Gruppierungen so platziert, dass der Inhalt nicht als Wunsch ausgesprochen wird, sondern als Forderung. „Wenn die Landwirtschaft sich nicht umstellt, werden alle gegen euch Landwirte sein." Bestes Beispiel dafür sei das Eckpunktepapier.
Dünnen Gesprächsfaden nicht zerschlagen
Der Kreisvorsitzende hatte im Dezember 2019 auch in der Vorstandssitzung des Landesbauernverbandes (LBV) dem Eckpunktepapier zugestimmt, wenn auch „sehr skeptisch und widerwillig“, wie er bekennt. „Wir als Landwirte wollten den dünnen Faden der Kommunikationsebene nicht zerschlagen“, meint er. Aber das Entstehen des Eckpunktepapiers war für Zucker „kein Beispiel für eine gelungene Kommunikation.“ Jetzt gelte es aber, in der Ausgestaltung und im Gesetzgebungsverfahren „einen wirklichen Dialog und Kompromiss auszuarbeiten.“
Reale Ausgangsbasis finden
Beim Thema Pflanzenschutzreduktion gehe es entscheidend darum, eine reale Ausgangsbasis über den tatsächlichen Verbrauch z u finden; es dürften nicht nur die Trockenjahre 2018 und 2019 gelten. Vor allem im Sonderkulturbereich seien die Ziele „extrem schwierig zu erreichen.“ Der Klimawandel stelle die Bauern vor ganz neue Herausforderungen. „Von daher gilt, dass das Testbetriebsnetz ein ausgeglichenes Bild der landwirtschaftlichen Realität widerspiegeln muss.“
Jeder einzelne muss etwas tun
Gut findet der Kreisvorsitzende, „dass das Thema Insektenschutz und Biodiversität als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen wird und in das Papier mit aufgenommen wurde.“ Aber auch hier gelte die Frage der Umsetzung: „Es sollte und muss jeder einzelne etwas tun!“
Weniger Flächen verbrauchen
Als Beispiele nennt Zucker Festsetzungen über Bauleitpläne und Bebauungspläne, Umgestaltung von öffentlichem Grün „und ganz entscheidend: deutliche Reduzierung des Flächenverbrauchs.“ Vom Ziel des ehemaligen Ministerpräsidenten Günther H. Oettinger eines Nettonullverbrauchs seien wir meilenweit entfernt. „Aus meiner kommunalpolitischen Erfahrung weiß ich, dies ist schneller gesagt als getan. Würde dies doch ein deutlicher Einschnitt in unser ganzes Wohlfühlsystem bedeuten“, gibt der Kreisvorsitzende zu bedenken.
Schützen durch Nützen
Allein durch die Größenordnung von 40 bis 50 Prozent Einsparung an Pflanzenschutzmitteln werde beim Laien der Eindruck erweckt, es werde zu viel und unnötig gespritzt. Aus Zuckers Sicht „wird immer vergessen, woher die Landschaften kommen, die wir schützen sollen: Eine Flachlandmähwiese sei durch landwirtschaftliche Bewirtschaftung entstanden, ebenso die terrassierten Steillagen, „ja unsere ganze Kulturlandschaft entstand so. Sonst würden wir heute noch im Urwald leben.“ Schützen durch Nützen sei besser wie Schützen durch Verbote.
In der ganzen Diskussion gehe das Thema Versorgungssicherheit für die Bevölkerung völlig unter, bedauert Zucker.
Faktenbasiert entscheiden
In den letzten Monaten seien viele junge, aber auch ältere Landwirte mit ihren Traktoren Richtung Stuttgart, Berlin, Bonn und vielen weiteren Städten gefahren, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. „Auch im Umfeld unseres Bauerntages stehen Traktoren und hängen Plakate. Vielen Dank von meiner Seite für dieses Engagement. Nur gemeinsam können wir etwas erreichen. Aber es wird damit auch die Zukunftsangst innerhalb der Landwirtschaft ausgedrückt. Angst war noch nie ein guter Ratgeber“, betont der Kreisvorsitzende. Jetzt gelte es, Entscheidungen „auf Fakten basierend“ zu treffen, unter Abwägung aller Vor- und Nachteile. „Es müssen Lösungen für alle Bereiche der Landwirtschaft gefunden werden“, fordert Zucker.
Betriebe brauchen auskömmliches Einkommen
Bei allem Wunsch nach mehr Naturschutz, Insektenschutz und Biodiversität gelte: „Die Betriebe brauchen ein auskömmliches Einkommen.“ Wenn das Thema Naturschutz als weiteres Fruchtfolgeglied etabliert werden solle, so müsse dieses dauerhaft mit öffentlichen Geldern finanziert sein, anders werde es nicht funktionieren: „Aus Sicht der Wirtschaftlichkeit der Betriebe steht der Naturschutz natürlich in Konkurrenz zur normalen Fruchtfolge.“
Höhere Wertschöpfung
Achtung und Wertschätzung zu gewinnen, sei das Eine. Eine höhere Wertschöpfung zu generieren, aber das Andere. „Wir brauchen eine Stärkung in der Vermarktung unserer landwirtschaftlichen Produkte gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel. Im Grunde sind wir den Einkäufern der vier großen ausgeliefert“, meint Zucker. „Hier muss politisch ermöglicht werden, durch Zusammenschlüsse einen gewissen Gegenpol schaffen zu können.“ Ihm sei sehr wohl bewusst, dass dies auch innerhalb der landwirtschaftlichen Erzeugungs- und Vermarktungsorganisationsformen sehr schwierig umzusetzen ist: „Es ist doch jeder der Beste. Aber daran müssen wir dringend arbeiten“, ergänzt der Kreisvorsitzende nachdenklich.
Pauschale Einschränkungen unfair
Zucker kommt auch noch kurz auf das Thema Düngeverordnung zu sprechen. „Dass in Bereichen, wo etwas nicht in Ordnung ist, Handlungsbedarf besteht, ist klar. Es sollte aber auch überprüft werden, wer der Verursacher ist“, meint der Kreisvorsitzende. „Pauschale Einschränkungen, wie in den sogenannten roten Gebieten vorgesehen, halte ich nicht für fair denen gegenüber, die ordnungsgemäß arbeiten!“
Wie wirken wir?
Zu denken gibt Zucker, was ihm kürzlich ein guter Freund, ein Nicht-Landwirt, gesagt hatte: „Eberhard, ihr müsst aufhören, immer nur das Schlechte an Veränderungen zu sehen.“ Vielleicht würde manchmal eine Selbstreflexion „auch gut tun“, sinniert der Kreisvorsitzende. „Wie wirken wir mit unseren Äußerungen und Vorstellungen auf Menschen, die von Landwirtschaft gar keine Ahnung haben?“, fragt er. „Wie treten wir auf. Große Maschinen, riesige Fässer und Anhänger. Was für ein Bild gibt das. Welche Themen besetzen wir? Sind wir überhaupt in der Lage, gewisse Themenfelder als unser Gebiet zu besetzen oder haben wir schon alles abgegeben?“, fragt er.
„Im Grunde hecheln wir doch immer wieder steigenden Ansprüchen hinter her“, gibt Zucker selbst die Antwort. „Hier sehe ich eine große Herausforderung, aber auch riesige Chance! Wir müssen endlich Themenfelder aktiv besetzen und uns nicht von anderen treiben lassen.“
Themenfelder benennen
Die Zukunftskommission Landwirtschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel sei extrem wichtig. Hier gelte es, „die Themenfelder zu benennen, die für unsere Zukunft wichtig sind und die wir ausfüllen können und müssen. Wir können und müssen zeigen, was wir im Bereich Naturschutz schon machen, zum Beispiel Ackerrandstreifen, Blühbrachen, Allianz für Niederwild usw.“, zählt Zucker auf.
Auch sagen, was noch nicht passt
Gleichzeitig müssten die Landwirte aber auch sagen, was in einzelnen Bereichen noch nicht passe, sei es im Anbau oder im finanziellen Bereich: „Was kann aus unserer Sicht beim Thema Grundwasserschutz verbessert werden. Wie können wir Tierhaltungsformen ändern, zum Wohle der Tiere und der Betriebsleiter. Wie kann die Landwirtschaft in der ganzen Klimadiskussion ihre entscheidende Rolle bei der C02-Bindung auch nach außen besser verkaufen“, nennt der Kreisvorsitzende einige Beispiele.
Die Zukunft aktiv mitgestalten und mitreden
„Wir dürfen einfach nicht warten, bis die nächste Anforderung von außen kommt. Nein, wir als Landwirte müssen unsere Zukunft aktiv mitgestalten und mitreden. Das heißt im Umkehrschluss einen offenen und ehrlichen Dialog suchen, damit die Landwirtschaft wieder die Rolle bekommt, die ihr zusteht.“
Gemeinsam Lösungen suchen
lda Hartmann, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des Landesbauernverbandes (LBV) erläutert anschaulich die Ursachen für den Widerspruch „zwischen Wahrnehmung und Realität“ der Landwirtschaft. Zudem zeigt sie Möglichkeiten auf, wie die Bauernfamilien ihre Arbeit in der Öffentlichkeit so darstellen können, wie sie tatsächlich ist.
Mehr Verständnis für Landwirte
Die Lage der Bauern sei oft schwierig. Viele sähen keine Zukunft mehr, geben auf. „Landwirte brauchen mehr Verständnis“, meint Heilbronns Landrat Detlef Piepenburg in seinem Grußwort. Die Bauernproteste würden sich nur dann auf das Verhalten der Verbraucher auswirken, wenn die Landwirtschaft zu Veränderungen bereit sei. Würden mehr Lebensmittel aus der Region konsumiert, würde das den Betrieben ermöglichen, Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Artenschutz sei ein wichtiges Thema. Aber ebenso unstrittig sei es, dass Landwirte gute Rahmenbedingungen benötigten, um ihre Betriebe zukunftsfähig auszurichten, betont Piepenburg.
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