DBV-Milchforum: 2030 - Wohin geht der Weg?
Welchen Herausforderungen werden sich Milchviehhalter in den kommenden 10 Jahren gegenüber sehen? Und gelingt es der Milchbranche, mit Blick auf diese Herausforderungen, gemeinsame Aktivitäten zu entfalten? In zwei Diskussionsrunden wurden beim DBV-Fachforum Milch mit den Themen „Tierwohl in der Milchviehhaltung“ und „Umsetzung der Strategie 2030“ zwei Hotspots der Milchbranche aufgegriffen.
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Die wichtigste Frage zur Zukunft der Milch liegt in der Nachfrage. Davon hängt die Zukunft des gesamten Sektors ab, stellt der Präsident im Deutschen Bauernverband, Joachim Rukwied, im Grußwort fest. Die Corona-Krise habe dafür gesorgt, dass eben diese Nachfrage im vergangenen Jahr gestiegen sei. Dennoch, stehen weitere Herausforderungen an: Tierschutz, Tierwohl, Planungssicherheit. Rukwied rät: Die Herausforderungen müssen positiv angegangen werden und Lösungen müssen gemeinsam gefunden werden, sagt er in Richtung Handel und Politik. Er weist in diesem Zuge nochmals auf die erfolgreiche Verabschiedung der “Branchenkommunikation Milch” hin, mit denen erste positive Akzente für die Milch gesetzt werden konnten.
“2030 ist der Bezugspunkt unser Sektorstrategie und für die Milchviehhalter ein Fixpunkt”, stellt Bernhard Krüsken, Generalsekretär im Deutschen Bauernverband. Bei der Milch stehe vor allem das Tierwohl im Mittelpunkt der aktuellen Diskussionen.
Prof. Ute Knierim, Uni Kassel, ist der Meinung, dass im Milchviehstall in den vergangenen Jahren viele arbeitswirtschaftliche Vorteile auch zum Wohl des Tieres waren, z.B. Laufställe. Dennoch gehe der Anteil der Weidewirtschaft zurück, die Euter- und Klauengesundheit lasse oft zu wünschen übrig und die Nutzungsdauer der Milchkuh sei gering. Sie spricht sich für die Vorschläge der Borchert-Kommission aus, die Planungssicherheit und finanzielle Sicherheit bietet. Dabei sollen drei Tierwohl-Stufen abbilden, wie gut es der Kuh geht. Bis 2030 sollte dann Stufe 1 allgemeiner Standard werden und die Stufen 2 bis 3 in der Minderheit sind. Wie die Ausgestaltung der einzelnen Stufen sind, wird derzeit erarbeitet. “Die Stufen 2 und 3 sind aktuell sicherlich für die meisten Betriebe kein Problem”, ist sie sich sicher. Kritisch könnte die Stufe 1 werden. Vor allem was die Anbindeställe betrifft. Dafür muss es in zehn Jahren Alternativen geben, beispielsweise gesicherter Weidegang zu Vegetationszeit und zweimal pro Woche Weidegang im Winter.
Peter Manderfeld, Milchviehhalter und Vorstand der Hochwald Milch eG, berichtet von einer angespannten Situation. Die Bauern gehen vor allem wegen fehlender Wertschöpfung aber auch Wertschätzung auf die Straße. Er selber stellt fest, dass 30 Cent im Milchviehstall nicht ausreichen um kostendeckend zu wirtschaften. Bis 2030 erwartet Manderfeld, dass die wachsende Weltbevölkerung versorgt werden muss. Dabei liefern Milchprodukte hochwertige Inhaltsstoffe, die in vielen Regionen wirksam zur Hungerbekämpfung eingesetzt werden können. Der Export wird also eine wichtige Rolle spielen, zumal sich in westlichen Ländern hingegen ändern sich die Ernährungsweisen. Der Absatz von Milchprodukten sinkt, Alternativprodukte aus Pflanzen sind gefragt wie nie. Damit geraten die Preise national unter Druck, zumal die Verbraucher nur geringe Bereitsschaft zeigen mehr Geld für Lebensmitteln einzugehen. Wenn es der Gesellschaft wirklich ernst ist mit mehr Tierschutz und Tierwohl, dann muss sie auch bereit sein, mehr zu bezahlen. Aber in der Schwierigkeit liegt auch die Möglichkeit. Bernhard Krüsken stellt die Frage, wie die Leistungen der Milchwirtschaft honoriert werden können, außerhalb einer Exportstrategie. Manderfeld berichtet dabei von einem Konzept, das erarbeitet wurde und festlegt, wie auskömmliche Preise für Milchbauern erreicht werden können. Dabei steht am Ende die Frage an den Lebensmitteleinzelhandel, ob er dieses Konzept über alle Molkereiprodukte mitgeht. Es reiche nicht, nur die Frischmilch mit Tierwohl-Labels auszustatten.
Christine Singer, Kreisbäuerin im Bayerischen Bauernverband Garmisch-Patenkirchen und Mitglied in der Borchert-Komission, sieht die Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter in 2030 als gestandene Bäuerinnen und Bauern, die eine entsprechende Entlohnung fordern. Werden sie diese nicht bekommen, dann suchen sie sich Alternativen – vermutlich auch außerhalb der Landwirtschaft. Singer erwartet, dass die Milcherzeugung in Deutschland zurückgeht. Nebenerwerbslandwirte werden ihre Produktion einstellen und auch kleinere Betriebe. Daher müssen vor allem die Betriebe in Bayern und Baden-Württemberg mitgenommen werden und Planungssicherheit bekommen. Vermutlich werden aber vor allem die kleineren Betriebe Nischen finden müssen und sich diversifizieren. Speziell von wenigen Verbrauchern geforderte Ansprüche, können hier neue Chancen zur Vermarktung bieten. Damit sich die Betriebe weiterentwickeln können, ist auch der Handel mit angemessenen Preisen gefragt. Die Politik muss bis 2030 zudem eine verbindliche Herkunftskennzeichnung einführen, damit der Verbraucher and er Theke entscheiden kann. Betriebsleitern empfiehlt sie bei einer Neuinvestition vor allem in Tierwohl zu denken. „Das ist die Zukunft“. Dabei gehe es weniger um Maße sondern mehr um Indikatoren.
Umsetzung der Strategie 2030
In einem zweiter Runde ging es um die Strategie 2030, die im vergangenen Jahr in der Milchwirtschaft verabschiedet wurde. Dabei wurden erste Umsetzungen besprochen.
Katharina Leyschulte, Milchviehhalterin im Tecklenburger Land in Nordrhein-Westfalen, findet die Milchstrategie sehr komplex. Sie setzt dabei ein Stück weit auf die gewählten Vertreter im Bauernverband, die diese Strategie in die Umsetzung bringen müssen. "Es müssen noch einige dicke Bretter gebohrt werden”, stellt sie fest. Für sie als Milchviehhalterin entscheidet dabei, ob am Ende Geld verdient werden kann. Wichtig sei es, bei der Strategie standhaft zu bleiben, damit die Standards, die für Landwirte Investitionen bedeuten, künftig nicht verwässern und der Mehrwert nicht bezahlt wird. Wichtig sei: Der Zeitplan muss feststehen – nicht schwammig sondern mit konkreten Daten.
Karsten Schmal, Vizepräsident im Deutschen Bauernverband, ist heute noch erstaunt, wie viele Branchenvertreter in der Sektorstrategie an einen Tisch gekommen sind. Und sie ist in der Umsetzung. 80 Prozent der deutschen Milchmenge sind nun gebündelt. Bis 2022 soll dies als Gesellschaft stehen.
Schmal ist zuversichtlich, dass dies im Zeitplan gelingt. 2020 wurde zudem QM Milch auf den Weg gebracht und demnächst wird dazu auch in den Molkereien geprüft. Nun konzentrieren wir uns darauf, dass wir die Standards kompatibel mit anderen Labels bekommen. Verbesserungen gab es auch schon in den Lieferbeziehungen. Viele Molkereien installieren Festpreismodelle oder planen die Verfügbarkeit von Milch. Nun gilt es auch noch, die Leistungen in Tierwohl zu bepreisen. Die größte Aufgabe wird nun sein, die Gespräche mit dem Handel zu führen und ihn mit ins Boot zu holen.
Christian Schramm, Leiter Milcheinkauf, Zott SE und Co. KG, sieht die Sektorstrategie Milch als dynamisches Dokument, die weiterentwickelt werden kann. Dabei dürfe nicht vergessen werden, dass der Sektor Milch einem starken Wettbewerb unterliegt. Nicht nur beim Lebensmitteleinzelhandel sondern auch bei den Molkereien und letztlich bei den Landwirten. "Der Wettbewerb wird weiter bestehen”, sagt er. Das macht sich auf allen Ebenen bemerkbar – unabhängig jeder Strategie. Schramm geht davon aus, dass sich die werthaltigen Segmente und die billigen Segmente entwickeln werden. Der Mittelbau dagegen wird es auch im Milchregal künftig schwer haben.
In den Verhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel sei das "standhaft bleiben” nicht immer einfach. Im Zweifel geht der Auftrag an den Nächsten und dabei geht es nicht um geringe Kontingente, gibt Schramm zu bedenken. Die gewünschten Preise in diesem Sektor zu erreichen könnte künftig zunehmend schwierig werden. Schramm denkt zudem, dass die Installation der Branchenkommunikation dringend notwendig ist. Niemand kann die Milch oder die Herstellung der Milch besser erklären als die Branche.
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