Kompromisse sind erfolgreicher als Konfrontation
Die Vorschläge aus dem Bundesumweltministerium zum Aktionsprogramm Insektenschutz empfindet der Deutsche Bauernverband als Affront. Schließlich werden schon heute auf vielen Betrieben freiwillige Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt umgesetzt. Das DBV-Fachforum “Insektenschutz in der Agrarlandschaft – erfolgreich mit den Bauern” diskutierte am Beispiel des Niedersächsischen Weges, wie Insekten- und Artenschutz im Dialog und in Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz gelingen kann.
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"Wir Landwirte sind hochmotiviert. Es stellt sich für uns nicht die Frage, ob wir Insekten schützen wollen, sondern wie wir es tun”, erklärt Eberhard Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland Pfalz Süd und DBV-Umweltbeauftragter, zum Einstieg in die Diskussion. Den Berufskollegen und ihm sei bewusst, dass sie eine “riesen Verantwortung” tragen, denn zum einen ist die Landwirtschaft Mitverursacher des Artenrückgangs, zum anderen aber auch ein Teil der Lösung, weil sie Lebensräume erhält und neu schafft. Darüber hinaus spürten die Landwirte den Verlust am eigenen Leib, wenn Bestäuberinsekten oder das wichtige Bodenleben fehlten.
Mit den ordnungsrechtlichen Auflagen und Verboten von Bundesumweltministerin Svenja Schulte konfrontiert, befürchtet Hartelt allerdings, dass die Motivation der Landwirte sinkt, sich für den Insektenschutz einzusetzen. Verschiedene Projekte wie das Franz-Projekt zeigten, dass die Erfahrungen der Landwirte in Maßnahmen einbezogen werden müssen, um zu praxistauglichen Methoden zu kommen. Zudem dürften Schutzmaßnahmen das Einkommen der Landwirte nicht gefährden, sondern vielmehr zum Betriebseinkommen beitragen. Naturschutz als Betriebszweig sozusagen.
Olaf Lies, der Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz des Landes Niedersachsen, bekräftigt Hartelts Aussagen. “Wir müssen in der Gesellschaft lernen, dass Kompromisse erfolgreicher sind als Konfrontation”, sagt er. Der Erfolg des “Niedersächsische Weg für Natur-, Arten- und Gewässerschutz”, der im November 2020 im Landtag einstimmig als Gesetz verabschiedet wurde, beruhe auf diesem Ansatz. Lies berichtet von über 40 intensiven Sitzungen, in denen Landwirtschaft, Umweltverbände und die Behörden gemeinsam jede Maßnahme im Detail besprochen und erarbeitet haben. Er verhehlt nicht, dass die Gespräche oft mühsam und zäh gewesen sei. Am Ende zähle aber das Ergebnis. Als ein weiteres Kriterium für die breite Akzeptanz des Niedersächsischen Weg hebt der Minister den Verzicht auf Pauschalierungen hervor. Stattdessen habe man für jeden Landschaftsraum und jede Kulisse unter Beteiligung der Landwirtschaft und des Naturschutzes spezifische Maßnahmen erarbeitet.
“Wir sollten aufhören, mit dem Finger aufeinander zu zeigen”, betont Lies. Landwirtschaft, Naturschutz und Gesellschaft müsse den Weg gemeinsam gehen, nur dann könne es gelingen, jetzt die entscheidenden Weichen im Klima- und Artenschutz zu stellen. Er fordert Umweltministerin Svenja Schulte und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf, das Ressortdenken zu überwinden. Zu Beginn seiner Amtszeit haben sich auch in Niedersachsen Umweltbehörden nur mit Umweltverbänden und das Landwirtschaftsministerium nur mit Landwirtschaftsorganisation getroffen. Die ersten Treffen über Kreuz legten dann den Grundstein für das gemeinsame Aktionsprogramm.
Gitta Connemann, Abgeordnete im Bundestag und stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hat Olaf Lies’ Aussagen mit zustimmenden Nicken zugehört. Sie bedauert, dass der Gesetzentwurf aus dem Umweltministerium das Gegenteil des Niedersächsischen Weges darstellt. Der Entwurf arbeite ausschließlich mit Verboten und Eingriffen, die Landwirtschaft brauche jedoch Anreize und finanziellen Ausgleich, kritisiert sie. Für den Frust der Landwirte hat die CDU-Abgeordnete Verständnis. Man müsse alle Ursachen des Artenschwunds ins Auge fassen. Auf den Schadstoffeintrag aus der Landwirtschaft gehe etwa ein Viertel des Artenverlustes zurück, drei Viertel habe seine Ursachen in Lebensraumveränderungen durch Industrie, Städtebau, in Luft- oder Lichtverschmutzung.
Prof. Dr. Josef Settele, Leiter der Abteilung Naturschutzforschung am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle ??, bestätigt diese Zahlen. Die Intensivierung in der Landwirtschaft und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sei nur ein Faktor neben anderen, die dann in der Kombination zum Artensterben führten. Die Faktoren könnten nicht gegeneinander ausgespielt werden, sagt er. Seiner Meinung nach sollte in der Diskussion außerdem beachtet werden, dass es in Mitteleuropa keine Urlandschaft oder einen Urwald gibt. “Wir leben in einer Kulturlandschaft, die durch agrarische Nutzung entstanden und vom menschlichen Handeln geprägt ist.” Landwirte dürften deshalb auch nicht als Feinde des Arten- und Naturschutz, sondern als Teil der Lösung gesehen werden.
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