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Milcherzeugung

„Eine Melkanlage, die zu uns passt“

Zügig, effizient und im Sinne der Kühe melken, dass wünschen sich Milchviehhalter, wenn sie an die Wirtschaftlichkeit ihres Betriebszweiges, die Gesundheit und den Komfort für die Tiere denken. Ohne moderne Melktechnik ist das nur schwer zu realisieren. Den Schritt gewagt haben zwei Milchviehhalter in Oberschwaben und auf der Ostalb, die hierfür in einen Gruppenmelkstand und ein Melkkarussell investiert haben.

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  Michael und Kerstin Heinzler investierten auf ihrem Milchviehbetrieb in Hifringen, unweit von Bad Waldsee (Landkreis Ravensburg), in einen Swing Over-Melkstand mit 18 Melkplätzen, einer Abnahmeautomatik, Einzeltierplatzerkennung, Milchmengenmessung, Hubboden und Schnellaustrieb. Zur Absenkung der Energiekosten wurde zusätzlich eine frequenzgesteuerte Vakuumpumpe eingebaut. In dem Gruppenmelkstand des Herstellers Dairymaster kann eine Person allein melken.
Michael und Kerstin Heinzler investierten auf ihrem Milchviehbetrieb in Hifringen, unweit von Bad Waldsee (Landkreis Ravensburg), in einen Swing Over-Melkstand mit 18 Melkplätzen, einer Abnahmeautomatik, Einzeltierplatzerkennung, Milchmengenmessung, Hubboden und Schnellaustrieb. Zur Absenkung der Energiekosten wurde zusätzlich eine frequenzgesteuerte Vakuumpumpe eingebaut. In dem Gruppenmelkstand des Herstellers Dairymaster kann eine Person allein melken.Ast
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Jetzt, kurz vor der Mittagszeit, sind die 100 Braunviehkühe von Michael und Kerstin Heinzler längst gemolken. Frühmorgens um halb sechs geht es für die Herde auf dem ausgesiedelten Betrieb in Hifringen, drei Kilometer von Bad Waldsee (Landkreis Ravensburg) entfernt, seit nunmehr drei Monaten in einen Swing Over-Melkstand mit 18 Plätzen. Gut eine Stunde später haben die Hauswirtschaftsmeisterin und ihr Mann die Kühe gemolken. Das gleiche Prozedere wiederholt sich abends: Für die Kühe geht es in den Gruppenmelkstand, eine Stunde später, inklusive der Reinigung der Anlage, ist der tägliche Milchentzug beendet. Das war auf dem oberschwäbischen Betrieb nicht immer so. Vielmehr entschieden sich der Landwirtschaftsmeister und seine mitarbeitende Ehefrau vor zehn Jahren, in ein automatisches Melksystem zu investieren.

Komplexe Technik

Doch nach der anfänglichen Euphorie über die nun nicht mehr vorhandenen und mit zuvor vier Stunden langen täglichen Melkzeiten in dem damaligen Doppelvierer-Fischgrätenmelkstand kehrte bei der Familie Ernüchterung ein. „Wir stellten nach und nach fest, dass wir offensichtlich zu hohe Erwartungen an den Melkroboter hatten“, erläutert Michael Heinzler an diesem windig-kalten Aprilvormittag beim Gang über den Betrieb.

Das Gefühl, unabhängiger zu sein, die Arbeitszeit freier einteilen zu können und vor allem weniger Zeit mit dem Milchentzug zu verbringen, stellte sich bei ihm und seiner Frau nicht ein. Auch nicht die größere Datenmenge und bereitgestellten Informationen über die Kühe und ihre Leistungsparameter durch den Roboter schöpfte die Familie nicht in dem Maße aus, wie es technisch möglich gewesen wäre.

Vielmehr hätten sie mit der komplexen Technik gehadert, wurden unruhig, wenn auf dem Handy ein Alarm aufpoppte und aller Voraussicht nach nun möglichst schnell ein Servicetechniker den Roboter wieder in Gang setzen musste. Ohnehin hätten diese Notfall-einsätze ihren Preis gehabt, genauso wie der jährlich mit durchschnittlich 60.000 bis 65.000 Kilowattstunde (kWh) vergleichsweise hohe Energiebedarf. „10.000 Euro für den Service und rund 6000 Euro höhere Stromkosten als zuvor in dem Doppelvierer-Fischgrätenmelkstand kamen da Jahr für Jahr zusammen“, sagt der Landwirt.

Hinzu kam, dass die Kühe mit dem automatischen Milchentzug zum Teil haderten, in die Anlage hineingetrieben werden mussten, oder im Sommer, wenn sich Fliegen auf den Beinen der Tiere breit machten, den Roboter vor der vorgesehenen Beendigung des Milchentzugs wieder verließen. „Diese Kühe haben wir irgendwann wieder mit unserem alten Fischgrätenmelkstand gemolken, genauso wie die im Schnitt sechs bis acht Kühe in der Abkalbebucht.

Die drei über den Betrieb verteilten Melkstandorte, und dann im Herbst vergangenen Jahres die Erkrankung des Betriebsleiters, der wegen seines Rückenleidens monatelang nicht mit anpacken konnte, beschleunigten schließlich die Entscheidung, sich nach einem neuen Melkverfahren umzusehen und den Roboter alsbald auszubauen. Ab diesem Zeitpunkt sei klar gewesen, dass es so nicht weitergehen konnte „und wir in Zukunft eine Situation schaffen mussten, in der im Zweifelsfall eine Person allein alle Kühe auf einem Standort melken kann“, beschreibt Kerstin Heinzler die damalige Situation.

Feste versus flexible Melkzeiten

Wo andere Landwirte den automatischen Milchentzug ihrer Kühe nicht mehr missen möchten, seien sie als Familienbetrieb an ihre Grenzen gekommen und wünschten sich fortan ein Melksystem, das einfach zu bedienen ist, nur wenig kleinteilige Technik verbaut hat und den Milchentzug in einer freien und luftigen Atmosphäre möglich macht. „Wir wollten darüber hinaus Energie sparen und die Keimzahlen in der Milch mit dem neuen Melkverfahren wieder stärker nach unten drücken“, macht Michael Heinzler deutlich, der wie seine Frau davon überzeugt ist, dass was für die eine Betriebsleiterfamilie beim Melken prima funktioniert, für die anderen ein Problem werden könne.

Umso wichtiger sei für sie die Erkenntnis gewesen, ein System zu finden, „dass zu uns und unserer betrieblichen Organisation passt“, sind der Landwirtschaftsmeister und seine Frau überzeugt. Zumal der jetzt eingebaute Gruppenmelkstand ebenfalls seinen Preis hatte und die Familie nun wieder auf feste Melkzeiten treffen lässt. „Das schreckt uns nicht ab. Uns ist es wichtig, zweimal am Tag nach einer einstündigen Melkzeit fertig zu sein und uns danach auf andere Arbeiten konzentrieren zu können. Hinzu kommt, dass wir die Kühe zweimal täglich zu Gesicht bekommen und zügig reagieren können, wenn sich beispielsweise eine Euterentzündung bei einer der Kühe anbahnt“, beschreiben die beiden die Vorzüge des Gruppenmelkstandes.

Eine Einschätzung, die Volker Clement, Geschäftsführer der Melktechnik Süd GmbH in Amstetten (Alb-Donau-Kreis) und Vertriebspartner der Melktechnikhersteller Dairymaster und Boumatic, sowie Desiree Koldehoff, Market Development-Managerin bei Dairymaster, teilen und bei ihren Gesprächen mit Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter immer wieder vermittelt bekommen. Dabei gehe es nicht darum das eine System gegen das andere auszuspielen, vielmehr komme es darauf an, Argumente abzuwägen und für den jeweiligen Betrieb ein Melksystem zu finden, dass am besten zu den Anforderungen und Bedürfnissen der Familie passt.

Der Wunsch nach mehr Lebensqualität, beispielsweise durch den Wegfall von festen Melkzeiten, das Vorhandensein von weiteren, kostendeckenden Betriebszweigen, die aktuelle und langfristig gewünschte Zahl an melkenden Kühen und, ganz wichtig, die Technikaffinität der Betriebsleiterfamilie, müssten miteinander abgewogen werden. Hinzu komme, erläutert Koldehoff, dass inzwischen vielfach Umbaulösungen angestrebt würden, bei denen es den Betriebsleitern nicht mehr zuvorderst um die maximale Automatisierung der Arbeitsprozesse im Stall und beim Melken ginge. „Die Melktechnik soll einfach und verlässlich funktionieren, so dass man ohne größere Einlernphase auch Mitarbeiter melken lassen kann, wenn man selbst einmal nicht da ist.“

Lange Melkzeiten

„Uns war wichtig, dass wir die Kühe zweimal am Tag sehen, ihren Zustand kontrollieren können und immer einen abgeschlossenen Melkprozess hinter uns zu haben“, macht David Mayer deutlich, der mit seinen Eltern Klaus und Petra Mayer den Lindenhof, unweit von Ellwangen an der Jagst (Ostalbkreis) bewirtschaftet. Und, das ergänzt der junge Landwirt, der 2016 in den Betrieb mit eingestiegen ist, „das tägliche Melken künftig schneller geht“, was in diesem Fall wörtlich gemeint ist. Denn zuletzt waren David und seine Eltern wegen des im Verlauf der Jahre auf 130 Fleckviehkühe gewachsenen Bestandes bis zu sieben Stunden täglich mit dem Melken der Kühe in dem Doppel-Fünfer-Fischgrätenmelkstand beschäftigt.

Eindeutig zu lange, wie der 26-jährige Landwirtschaftsmeister beim Vorort-Gespräch auf dem Aussiedlerbetrieb darlegt. Umso mehr stand die Investition in eine neue Melkanlage, nicht zuletzt in einen neuen, größeren Boxenlaufstall im Raum, der den inzwischen massigeren Kühen mehr Platz bietet. Gleichzeitig sollte die Herde aufgestockt werden, um die Wirtschaftlichkeit des Betriebszweiges zu sichern.

Wie der neue Boxenlaufstall aussehen sollte, darüber herrschte in der Familie schnell Einigkeit. Planbefestige Laufflächen, Tiefboxen, erhöhte Fressstände mit Gummimatten und ein Laufhof sollten es sein, um den Tieren künftig mehr Komfort zu bieten und den Anforderungen der AFP-Förderung gerecht werden. Schwieriger, so erzählt es David Mayer im Gespräch mit BWagrar, sei die Entscheidung für die künftige Melktechnik gewesen. „Ich wollte zunächst einen Gruppenmelkstand mit Schnellaustrieb. Ein Melkkarussell konnte ich mir anfangs nicht vorstellen.“ Das änderte sich, als sich die Familie Melkstände verschiedener Hersteller im Praxisbetrieb ansah und zwei Betriebe besuchte, die in ein Melkkarussell investiert hatten.

Zügiger Milchentzug

Den Ausschlag für ein Karussell gaben schließlich das erwartbar größere Tierwohl, weil die Tiere weniger zum Melken getrieben werden müssen, die kurzen Wege zu den Kühen, die einfache Tierkontrolle und direkte Kommunikation unter den Melkpersonen, die nur wenige Meter voneinander entfernt stehen. Die in Aussicht gestellte Verkürzung der Melkzeiten auf inzwischen eine Stunde und zwanzig Minuten pro Melkzeit für die 180 Kühe überzeugten David Mayer und seine Eltern am Ende. „Darüber hatten wir uns zuvor lange mit den Anbietern von Karussellen ausgetauscht“, erzählt der Landwirt. Letztlich entschieden sie sich für ein Karussell des Herstellers Boumatic, dessen Einbau Volker Clement und sein Team später vornahmen.

Komfortabel melken

Das Argument, den Melkprozess so insgesamt beschleunigen und zweimal am Tag abschließen zu können, überzeugte am Ende mehr als die Möglichkeit, die Kühe von einem Roboter ohne feste Melkzeiten melken lassen zu können. „Die hierfür nötige Technik und PC-Affinität ließ uns von einem automatischen Melksystem abkommen“, sagt David Mayer, der einräumt, dass der jetzt eingebaute Innenmelker allerdings höhere Kosten verursachte, weil dafür ein eigener Raum und ein Wartebereich geschaffen werden mussten. Dagegen laufe die Technik weitgehend störungsfrei, die Arbeit lasse sich einfach organisieren, beispielsweise könne der Boxenlaufstall gesäubert werden, wenn die Kühe in den Warteraum getrieben worden sind. Zudem könnten die Kühe beim Austrieb aus dem Karussell genau selektiert werden.

„Wir profitieren von dem Komfort und melken in einer geräuscharmen, luftigen und hellen Atmosphäre“, macht David Mayer deutlich, der sich mit seinen Eltern wieder für ein Karussell entscheiden würde und ins gleiche Horn stößt wie einen Tag zuvor seine oberschwäbischen Kollegen in Hifringen: Die Melktechnik muss zu den Menschen und Kühen passen, die täglich damit umgehen. „Das ist das Argument schlechthin. Ein richtig oder falsch gibt es hier nicht.“

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