
Tierwohl: Darauf sollte man beim Melken achten
Beim Melken geht es um das Wohlbefinden und die Gesundheit der Kühe genauso wie um die Funktionssicherheit und Effizienz. Wie man die Ansprüche der Kühe und die täglichen Arbeitsprozesse am besten zusammenbringt, lesen Sie im folgenden Beitrag.
von Prof. Dr. Barbara Benz, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen Quelle Prof. Dr. Barbara Benz, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen erschienen am 23.04.2025Das Melken einer Kuh sollte nicht länger als 60 Minuten dauern. Damit diese Zeitspanne eingehalten wird, sollte der Zutrieb genügend breit und stufenlos sein und keine rechtwinkeligen Kurven haben. Zudem sollte der Wartebereich groß genug sein (mindestens 1,8 Quadratmeter (m²) pro Kuh), mit einem rutschsicheren Boden ohne klauenschädliche Kanten ausgestattet und in Sachen Klima entsprechend aufgestellt sein. Die technischen Möglichkeiten reichen dabei von Ventilatoren, die gleichzeitig den Insektendruck verringern, bis hin zu Kuhduschen oder Wasserverneblern. Deren Einsatz endet nicht im Warteraum, sondern geht auf den Melkbereich über.
Ein neuer Trend: Unterlastung von AMS
Während vor einigen Jahren überwiegend die Auslastung der automatischen Melksysteme (AMS) maximiert wurde, wird heute immer öfters gezielt eine Unterlastung der Systeme eingerichtet. Solch ein zusätzliches Melksystem erzeugt zwar zunächst hohe Investitionskosten, im Gegenzug sinkt jedoch der Aufwand für das Nachtreiben der Kühe. Auch wenn es inzwischen möglich ist, die Tiere mithilfe von Kuhortungssystemen leichter zu finden, kostet das Holen der Tiere mit überfälligem Melkanrecht viel Zeit. Benjamin Bunz aus Schwendi (Landkreis Biberach) hat sich deshalb dazu entschieden, ohne die Zahl der Kühe auf dem Familienbetrieb zu erhöhen, ein drittes AMS für seine knapp 150 Tiere zählende Milchkuhherde zu kaufen. Das Herdenmanagement ist laut Bunz seither deutlich einfacher, sodass sich die Investition für ihn gelohnt habe.
Die individuellen Einstellungen der Melkanrechte entscheiden mit über die Systemauslastung. Da das Lockfutter im AMS attraktiv für die Kühe ist, kommt es zu vielen erfolglosen Besuchen ohne Melkanrecht, die dem System Kapazität rauben. Die optimale Einstellung berücksichtigt nach Einschätzung der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) Bayern eine Mindestzwischenmelkzeit von sieben Stunden und eine Mindestmilchmenge von acht Kilogramm (kg). Um eine Pansenübersäuerung zu vermeiden, sollten pro Kuh und Melkbesuch maximal 2 kg Kraftfutter ausgegeben werden – eine Menge, die zur Aufenthaltsdauer und Fressgeschwindigkeit der Tiere passt.
Wartebereiche sind Schlüsselbereiche
Wartebereiche werden in AMS-Betrieben häufig mit Spaltenböden ausgeführt, um eine hohe Sauberkeit ohne stationäre Entmistungsanlagen sicherzustellen. Beim Stallkonzept bietet es sich an, hier einen Querkanal zu planen. Wird es im Winter sehr kalt, dann kann es zum Auffrieren von Kot auf den Spalten kommen. Dadurch wird der Untergrund uneben und rutschig, was im Melkwarteraum ungünstig ist. Ein Lösungsansatz wurde im Betrieb von Daniel Stier in der Nähe von Untermünkheim (Landkreis Schwäbisch Hall) erprobt. Dort sind die Spalten mit integrierten Edelstahlrohren ausgeführt, die in zwei Kreisläufen an das Warmwasser aus der Milchvorkühlung angeschlossen wurden. Dadurch gelingt es, den Wartebereich frostsicher zu halten, was bei einem mehrhäusigen Stall eine besondere Herausforderung darstellt.
Wird im Wartebereich vor den AMS ein Querkanal eingebaut, dann ist dort der ideale Platz für den Mistabwurf der Schieber aus den Laufgängen. Die Abwürfe können nach den Erfahrungen von Eberhard, Florian und Johannes Hammer auf ihrem Milchviehbetrieb, der Hammer GbR, in der Nähe von Egenhausen (Landkreis Calw) problemlos dort eingeplant werden. Voraussetzung ist allerdings eine gleichmäßige Auslastung der Systeme, sodass sich nie zu viele Tiere im Wartebereich befinden.
Kuhgebundene Kälberaufzucht und Melken
Es gibt mittlerweile einige Milchviehbetriebe, die die frühe Trennung von Kalb und Kuh vermeiden möchten. Dabei lassen sich die Milchproduktion und kuhgebundene Kälberaufzucht auf unterschiedliche Art und Weise realisieren. Eine Möglichkeit ist ein zeitweiser Kontakt von Kuh und Kalb nicht vor, sondern nach dem Melken. Alfred und Silvia Rutschmann nutzen auf ihrem Betrieb in Klettgau (Landkreis Waldshut) den Melkwarteraum nach dem Melken als Begegnungsraum für die Kühe und Kälber. Damit es im Fall von Milchejektionsstörungen möglich wäre, die Kälber mit den Kühen in den Melkstand zu lassen, haben sie sich auf dem biologisch-dynamisch geführten Hof Gasswies für einen Tandemmelkstand entschieden, der genügend Platz für ein Kalb bei der Kuh bietet. Bisher war das allerdings noch nicht nötig.
Überwachung der Eutergesundheit
Die frühzeitige, automatisierte Erkennung von Eutergesundheitsstörungen ist besonders in automatisierten Melksystemen wichtig, bei der eine melkende Person zur Vorgemelkskontrolle durch entsprechende Sensortechnik ersetzt wird. Das Zellzahlmonitoring als Schlüsselindikator für die Eutergesundheit erfolgt hier entweder auf Basis des Gesamtgemelkes oder viertelindividuell. Hierfür kommen bei einem direkten Zählverfahren beispielsweise Zellzahlsensoren zum Einsatz, die die Zellzahlen ohne Reagenzien ermitteln oder bei indirekten Verfahren ein automatisierter California-Mastitis-Test (Schalmtest), bei dem eine Testreagenz die Zellwände der Milchzellen auflöst und mit deren Zellkernen reagiert, sodass die Viskosität verglichen werden kann. Weitere Parameter, die sensorgestützt erfasst und bewertet werden können, sind zum Beispiel die elektrische Leitfähigkeit, die Milchfarbe und -temperatur oder die Laktosekonzentration. Durch die Kombination unterschiedlicher Parameter lässt sich der Anteil falsch positiver oder falsch negativer Befunde verringern. Letztlich hängt der Erfolg bei der Mastitisfrüherkennung von den betriebsindividuellen Einstellungen ab.
Zur generellen Überwachung des Tierwohls wurde im Projekt Q-Check ein Indikatorenset erarbeitet, das auf vorhandene Daten, unter anderem aus der Milchkontrolle, zurückgreift und eine Einordnung der betrieblichen Situation ermöglicht (https://infothek.die-milchkontrolle.de/). Das System dient damit gleichzeitig der Erfüllung der seit 2014 im Tierschutzgesetz verankerten betrieblichen Eigenkontrolle und kann zudem zu Zertifizierungszwecken verwendet werden.
Um Neuinfektionen durch kuhassoziierte Erreger zu vermeiden, sollte das Melken mit gesunden und jungen Tieren begonnen und erkrankte Tiere möglichst am Schluss gemolken werden. Ist das nicht umsetzbar, empfiehlt sich eine Zwischendesinfektion der Melkzeuge, die in manchen automatischen Melksystemen bereits integriert ist. In den vergangenen Jahren hat die Bedeutung der umweltassoziierten Keime zugenommen und so wird im Zusammenhang mit der Eutergesundheit vermehrt auf die Hygiene von Laufgängen und Liegeboxen geachtet.
Für die Prophylaxe von Eutergesundheitsstörungen lautet die Empfehlung, die Zitzenkondition nach dem Melken regelmäßig zu beurteilen. Dabei wird auf Symptome wie Verfärbungen, Blutungen, Ödeme und Ringbildungen geachtet, denn diese weisen darauf hin, dass das Gewebe um den Zitzenkanal oder die Strichkanalöffnung zu stark beansprucht wird.
Nach dem Melken wird routinemäßig eine Zitzendesinfektion durchgeführt, da die Strichkanäle dann noch geöffnet sind und die Erreger leichter in die Zitze eindringen können. Es gibt zwei Verfahren, um die euterpathogenen Keime von der Zitzenhautoberfläche und dem Zitzenkanal zu entfernen: Das Dippen und das Sprühen. Dippbecher mit Rücklaufschutz haben den Vorteil, dass das Desinfektionsmittel gezielt und sparsam aufgebracht und die Zitze mindestens zu zwei Drittel benetzt wird. Beim Sprühen ist darauf zu achten, dass auch die abgewandte Zitzenseite erreicht wird. Im Melkkarussell übernehmen automatische Sprüharme die Zitzendesinfektion, da zur Melkzeugabnahme keine Arbeitskraft vorhanden ist, die diese Tätigkeit mit übernehmen könnte. Inzwischen gibt es bereits von mehreren Herstellern Melkzeuge, die im Zitzenbecher eine automatisierte Desinfektion integrieren.
In AMS-Betrieben Euterkontrolle mit einplanen
Die Erreichbarkeit des Euters für Kontrollen und Behandlungen ist in Betrieben mit AMS manchmal problematisch. Am besten wird bereits beim Stallbau daran gedacht, dann kann beim AMS oder im Selektionsbereich eine „Melkgrube“ eingerichtet werden.
Bodenausführungen klauenfreundlich gestalten
Steile Fischgrätenmelkstände oder Side by Side-Melkstände ermöglichen einen schnellen Austrieb der Tiere. Was günstig für die Dauer der Gruppenwechsel ist, kann Nachteile für die Klauenbelastung mit sich bringen, da die Tiere häufig mehrere 90-Grad-Drehungen auf dem Boden durchführen müssen. Da die Böden gleichzeitig rutschsicher und reinigungsfreundlich sein sollen, werden häufig Epoxidharzböden eingebaut. In Kombination mit den durch die Baukonstruktion bedingten Wendungen kann dies zu einem übermäßigen Klauenabrieb führen, wie eine Studie zeigte. Die Klauenform von Fleckviehkühen in einem Praxisbetrieb wurde vor und nach der Installation von elastischen Melkstandgummimatten in einem steilen Fischgrätenmelkstand untersucht.
Bei den Klauenparametern Trachtenhöhe und Dorsalwandwinkel gab es in der Ausgangssituation mit einem Epoxidharzbelag deutliche Abweichungen zu den Referenzwerten aus der Literatur. Die Trachtenhöhe war bei 87 Prozent (%) der untersuchten Kühe zu niedrig. Vier Monate nach dem Einbau der Matten lag die Trachtenhöhe bei 77 % der Kühe im Zielbereich. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Bodenausführung im Melkstand sich signifikant auf die Klauenform auswirkt. Eine physiologische Klauenform ist wichtig für korrekte Belastungsverhältnisse. Besonders für die Vorbeugung infektiöser Klauenerkrankungen wird eine möglichst große Trachtenhöhe angestrebt, um den gefährdeten Ballenbereich genügend vor der verschmutzten Lauffläche zu schützen.
Gummibeläge in Melkständen werden in der Praxis kontrovers diskutiert, wobei es vor allem um die Hygiene geht. Grundsätzlich sollten Melkstände nach der Benutzung gründlich gereinigt werden. Zusätzlich sollten regelmäßig alkalische und saure Reinigungsmittel auf den Böden eingesetzt werden, die beispielsweise mit einer Schaumlanze am Hochdruckreiniger aufgebracht werden können. Bei der Installation der Gummimatten ist es hilfreich, diese nur einseitig zu verschrauben, sodass sie für Reinigungsarbeiten hochgeklappt werden können.
Am besten ist es, wenn die Verschmutzung im Melkbereich so gering wie möglich ist. Dazu trägt ein stressfreies Melken bei. Wegen der Physiologie des Rinderauges sollte darauf geachtet werden, dass große Lichtunterschiede beim Zutrieb beziehungsweise Eingang vermieden werden. Der Grund: Die Hell-Dunkel-Anpassung ist beim Rind langsamer als beim Menschen. Demzufolge sollten der Zutrieb, Warte- und Melkbereich sowie Austrieb gleichmäßig hell ausgeleuchtet sein. Als Richtwert werden 200 Lux empfohlen. Ein rutschsicherer Boden trägt ebenfalls zu einem ruhigen Melkablauf bei. Beim Verlassen des Melkkarussells ist dies besonders wichtig, weil die Kühe rückwärtsgehen müssen, während sich das Karussell weiterdreht.
Die Positionierung der Kühe beim Melken ist nicht einfach, da die Tiere im Normalfall verschieden groß sind. Der Grund liegt in der Altersstruktur der Herden, denn frühe Erstkalbealter sind genauso gewünscht wie lange Nutzungsdauern. Im Melkkarussell kann ein Bügel die Reichweite der Kuh nach vorne begrenzen, der individuell von der melkenden Person angepasst werden und gleichzeitig den Austrieb unterstützen kann.
Tobias und Konrad Hermann haben auf ihrem Betrieb in Gütenbach (Schwarzwald-Baar-Kreis) den Melkstand zur Hälfte ausgebaut und ein AMS installiert. Da die Milchviehherde nur knapp 40 Tiere umfasst, ist das System nicht ausgelastet. Die Vorteile sind ein geringerer Platzbedarf im Wartebereich, was den Umbau erleichterte. Außerdem gehen die Tiere des ökologisch wirtschaftenden Betriebes auf die Weide und auch hierfür ist eine Unterlastung des Systems günstig.
Integrierte Klauenwaschanlagen lösen Klauenbäder ab
Der Melkbereich eines AMS ist ideal zur Reinigung und Desinfektion der Klauen, da die Tiere dort ausreichend lange verweilen, damit ein Biozid einwirken kann. Allerdings sollte der Vorgang angenehm für die Tiere sein, damit der Melkprozess nicht beeinträchtigt wird. Dafür ist es wichtig, dass die Reinigung mit geringem Wasserdruck erfolgt. Erst anschließend macht die Applikation eines zugelassenen Biozids zur Prophylaxe von infektiösen Klauenerkrankungen Sinn. Klauenwaschanlagen sind in verschiedenen Systemen nachrüstbar oder werden direkt bei der Installation mit vorgesehen. Die Stärke des Systems liegt in der regelmäßigen Anwendung, sodass – auch wenn die Klauenposition nicht jedes Mal optimal ist – von einer hohen Effektivität ausgegangen werden kann.
Was zeichnet gutes Melken aus?
Der Melkablauf ist wichtig für die Eutergesundheit und Produktivität gleichermaßen. Daher muss der Melkprozess regelmäßig überprüft werden. Zusätzlich zu den Milchinhaltstoffen und Zitzenkonditionen kann man am Tierverhalten ablesen, ob der Melkprozess in Ordnung ist oder nachgebessert werden muss. Eine hohe Wiederkauaktivität, geringe Abwehrbewegungen und geringes Abkoten sollten im Blick behalten werden, um Mängel im Melkprozess zu erkennen. Weitere Auffälligkeiten sind Tiere mit eingekniffenen Schwänzen oder solche, die den Melkbereich hektisch verlassen. Während des Melkprozesses sollte auf einige Indikatoren geachtet werden, die einen guten Melkprozess charakterisieren (nach Friedrich et al. 2011, Wie beurteile ich den Melkprozess?, die-milchkontrolle.de).
1
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.