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Interview mit Norbert Lins

„Wir sind Hansen sehr dankbar“

Norbert Lins, stellvertretender Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, spricht über die Reformvorschläge der Europäischen Kommission zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) sowie zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und die Ideen zu Kappung der Direktbeihilfen. Er sitzt seit 2014 für die CDU im Europaparlament.

von age erschienen am 25.08.2025
Norbert Lins, Norbert Lins, stellvertretender Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament. Er sitzt seit 2014 für die CDU im Europaparlament. © Privat/Samsel Fotografie
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Herr Lins, wie stehen Sie zu den MFR-Vorschlägen der EU-Kommission? Lins: Ich bin über den Vorschlag zum MFR beziehungsweise zum kommenden siebenjährigen Agrarfinanzrahmen geschockt, entsetzt und enttäuscht. Wir werden das als Parlament in keiner Weise akzeptieren. Und wir werden jetzt innerhalb unserer Fraktion, der EVP, und im Parlament das weitere Vorgehen besprechen. Ist Agrarkommissar Hansen nach den Vorschlägen zur GAP und zum MFR in seiner Rolle geschwächt? Lins: Ich finde, der Agrarkommissar hat in den Wochen, bevor der Vorschlag zur GAP und zum MFR präsentiert wurde, hart für die europäische Landwirtschaft gekämpft. Ihm ist es immerhin zu verdanken, dass die Gemeinsame Agrarpolitik in einer eigenen Verordnung fortbesteht. Das soll zwischendurch auf Messers Schneide gestanden haben. Es gab einige in der Kommission, die wollten, dass die GAP komplett im neuen nationalen und regionalen Partnerschaftsfonds (NRP) aufgeht. Nun ist immerhin klar, dass auf Ratsseite weiterhin die Agrarminister im Fahrersitz sitzen und im Europäischen Parlament der Landwirtschaftsausschuss. Wir werden jetzt über die Inhalte für die einzelnen Artikel beraten. Es wird ein übliches Gesetzgebungsverfahren geben. Hierfür sind wir Hansen sehr dankbar. Das ist ein Riesenunterschied zur Regionalpolitik, die komplett in den Fonds integriert ist und damit eben kein eigenes Gesetzgebungsverfahren durchlaufen wird. Hat die Position des Agrarkommissars unabhängig von der Person Hansen gelitten? Lins: Nein. Aus meiner Sicht liegt es nun an Rat und Parlament, einige inakzeptable Teile der Vorschläge wieder zurechtzurücken. Der Agrarkommissar ist aus meiner Sicht einer der stärkeren Posten in der EU-Kommission. Jetzt liegt es auch am Rat und an den Mitgliedstaaten, diese nicht akzeptablen Verschiebungen wieder ins richtige Lot zu bringen und den Kommissar in seiner Rolle innerhalb der Kommission zu stärken.
Zur Person
Norbert Lins
stellvertretender Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament.
Selten, wenn überhaupt, war ein GAP-Vorschlag der Kommission zur Kappung, aber insbesondere auch zur Degression der Direktbeihilfen dermaßen ambitioniert. Es soll bereits ab 20.000 Euro Direktzahlungen im Jahr degressiv gekürzt werden. Was halten Sie von den Plänen? Lins: Die Europäische Kommission hat die letzten Jahrzehnte in ihren GAP-Vorschlägen immer die Kappung gefordert. Sie haben recht, dass die Degression bereits bei 20.000 Euro Direktbeihilfen je Betrieb ansetzen soll, das hatten wir so bisher nicht. Ich bin überzeugt, dass im Europaparlament eine Mehrheit die kleineren Landwirte bei den Hektarzahlungen stärker unterstützen will. Nach meinem Eindruck würde eine Kappung den meisten meiner Kollegen aber dann doch zu weit gehen. Als CDU/CSU sprechen wir uns eher für eine Kappung von 500.000 Euro pro Jahr bei den Direktzahlungen je natürlicher Person aus. Das ist nach meiner Lesart ein besserer Ansatz. Da wir dann drohenden Betriebsteilungen entgegenwirken würden. Es gibt viele Investoren, die an unterschiedlichen Agrarunternehmen beteiligt sind. Wer also die Orbáns, die Babiš’ sowie ihre Freunde stoppen will, muss bei den natürlichen Personen ansetzen. Ein simpler Kappungs- oder Degressionsansatz wird diesen Leuten nicht wehtun. Man könnte einfach Betriebsteilungen machen. Kommissar Hansen will trotz der drohenden Einschnitte dadurch Gelder für Klein- und Junglandwirte freimachen. Sein Ziel ist es, Kernempfehlungen des Strategischen Dialogs umzusetzen. Es gibt bereits jetzt Zweifel, dass die Gelder reichen. Eine Kappung ab 500.000 Euro im Jahr würde wohl kaum genügen, um Kürzungen auszubalancieren, oder? Lins: Ich bin auch gespannt. Ich würde mir gerne die Berechnungen der Kommission ansehen. Dass solche Kappungen reichen, um die Kürzungen auszugleichen, sehe ich skeptisch. Wie gesagt: Zumal sich im Zweifel die Betriebe teilen könnten und dann eine Kappung für die Katz’ wäre. Ohnehin befürworte ich die stärkere Förderung der Ersten Hektare. Das hat sich in Deutschland bewährt.
Es steht außer Frage, dass nicht jedes Detail in Brüssel oder Straßburg geregelt wird. Das „G“ in der GAP ist trotzdem wichtig. Norbert Lins
Lassen Sie uns zum Thema gekoppelte Beihilfen kommen. Die Kommission möchte den maximalen Anteil auf 20 Prozent anheben. In Deutschland ist man, von wenigen Ausnahmen in der Tierhaltung abgesehen, im Vergleich zu vielen anderen Ländern der EU skeptisch. Befürchten Sie Wettbewerbsnachteile für die deutschen Bauern? Lins: In Deutschland haben wir traditionell das Ansinnen, Kopplungsbeihilfen zu senken, und dafür würde ich mich starkmachen. Ich würde unterscheiden zwischen Kopplungsbeihilfen bei Marktfrüchten, die ich eher ablehne, und beispielsweise Kopplungshilfen in der extensiven Weidetierhaltung. Letztere können richtig gestaltet durchaus Sinn ergeben. Ich denke nicht, dass es durch Mutterkuh-, Schaf- oder Ziegenhaltung zu messbaren Marktverzerrungen kommen wird. Ökologisch hätten diese Haltungsformen aber einige Vorteile. Nun sollen die Mitgliedstaaten ihre Agrarpolitiken sehr viel eigenständiger gestalten können. Der Anstieg der möglichen Kopplungsbeihilfen ist dafür ein Beispiel. Befürchten Sie eine weitere Renationalisierung und damit drohende Wettbewerbsverzerrungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik? Lins: Die Gefahr besteht. Daher ist es ganz wichtig, dass in der glücklicherweise eigenständigen GAP-Verordnung das Gemeinsame durch den Rat und das Parlament stärker herausgearbeitet wird. Wir als Parlament werden auf die unterschiedlichen Aspekte wie die weitgehende Wahrung gemeinsamer Standards oder einheitlichere Agrarumweltpolitiken pochen. Trotzdem steht es außer Frage, dass nicht jedes Detail in Brüssel oder Straßburg geregelt wird. Das „G“ in der GAP ist trotzdem wichtig. Befürchten Sie, als EU-Abgeordneter an Einfluss zu verlieren, wenn künftig die Mitgliedstaaten viele Aspekte individuell selbst entscheiden? Lins: Die Gefahr nehme ich sehr erst. Zumal wir die einzige direktgewählte EU-Institution sind. Es gibt aber entscheidende Möglichkeiten, das Gemeinsame und damit den Einfluss des Parlaments wieder zu stärken. Es ist bereits in der jetzigen GAP mit den nationalen Strategieplänen so, dass manches an Kompetenzen zu den Mitgliedstaaten und zur Kommission gegangen ist und wir an Einfluss verloren haben. Sehen Sie Chancen für eine stärkere anreizorientierte Politik? Lins: Es wird wohl etwas kompliziert, das in der gesamten EU durchzusetzen. Aber ich bin als Baden-Württemberger sehr dafür, dass wir in der Agrarumweltpolitik den Bauern die besagten Anreize geben können. Mein Heimatbundesland sowie Bayern und Österreich gehören nach meiner Einschätzung EU-weit zu den Vorbildern. Laut dem MFR-Vorschlag soll die rechtsstaatliche Vergabe von EU-Geldern besser durchgesetzt werden. Haben Sie die Hoffnung, dass sich Betrügereien, die in manchen Mitgliedstaaten wie der Slowakei bis in höchste politische Kreise reicht, eindämmen lässt? Lins: Hier muss sicher noch einiges passieren. Es ist eine komplexe Angelegenheit, aber eine Aufgabe für die europäischen Institutionen, und zwar unabhängig von einer potenziell steigenden Renationalisierung. Die GAP ist und bleibt eine europäische Politik. Schließlich wird Geld der europäischen Steuerzahler zur Verfügung gestellt. Damit ist es auch Aufgabe von uns und anderen Institutionen wie der Kommission, die Vergabe zu kontrollieren und sicherzustellen, dass rechtmäßig ausgezahlt wird. Ich persönlich bin meinen Kollegen Monika Hohlmeier und Tomáš Zdechovský aus dem Haushaltskontrollausschuss sehr dankbar für ihre engagierte Aufklärungsarbeit zu diesen Vorgängen. Zdechovský kennt sich als Tscheche auch in der Slowakei gut aus und hat viel aufgedeckt. Jetzt steht er deswegen sogar unter Polizeischutz. Er lässt sich aber nicht aufhalten.
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