Biotreff in Nürnberg
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Auf die Öko-Verbände rollt spätestens seit Herbst 2015 eine regelrechte Umstellungswelle zu. „2016 hatten wir so viele Anfragen wie nie zuvor“, sagt Martin Weiler, Leiter der Biolandberatung aus Baden-Württemberg. Am Biolandstand in Halle 7 ist der Andrang groß. Aktuell sind bei Bioland, dem größten Ökoverband im Land, 1454 Betriebe Mitglied. Das sind 10,5 Prozent mehr als 2015, bei einem Flächenzuwachs von 16,8 Prozent, erläutert Christian Eichert, Geschäftsführer Bioland Baden-Württemberg. Jeden Tag stellt ein Betrieb im Land auf ökologischen Anbau um, bundesweit sind es fünf. Nach vorläufigen Zahlen wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2016, laut Mitteilung des MLR, rund 20.000 ha Landwirtschaftsfläche auf Bio umgestellt. Auch bei der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall in Halle 6 sind nach eigenen Angaben bereits ein Drittel der 1450 Mitgliedsbetriebe Biobauern.
Ernährung der Zukunft
In den Fachforen wurde unter anderen diskutiert, wie die Ernährung der Zukunft aussehen könnte, warum die Bodenfruchtbarkeit so wichtig ist und wie Unternehmen einen Nachfolger finden können.
„Beim Essen wird viel über Inhaltsstoffe nachgedacht“, sagte Prof. Dr. Carola Strassner vom Fachbereich Oecotrophologie an der FH Münster im Podium der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller e.V. (AÖL).Bei der Lebensmittelherstellung nimmt der Grad der Verarbeitung zu – auch und vor allem bei Bio. Das entfernt die Menschen weiter von der Natur. Für Strassner ist es eigentlich ein Menschenrecht, dass man sich um seine Grundbedürfnisse selber kümmern kann, wenn man das möchte. Sie persönlich kaufe bei einem Demeterbetrieb in ihrer Nähe ein. Die Frage, welche Nahrung künftig gefragt sein wird, beschäftigt auch die Industrie. Nestle zum Beispiel hat in einer Studie die Trends für 2030 untersucht http://www.nestle.de/zukunftsstudie/uebersicht). Darin heißt es: „Insgesamt wird unsere Ernährung im Einklang mit unseren Werten stehen.... Was vorher dem Autofan der PS-starke Sportwagen oder dem Bildungsbürger die Bücherwand war, wird morgen die detaillierte Kenntnis der Vita des Rindersteaks sein.“
Lebensmittel sind nicht gefährlich
Manuel Pick, Geschäftsführer Bohlsener Mühle, legt größten Wert auf das einfache Korn aus dem letztlich alle Produkte der Mühle hergestellt werden. Zu viele technische Finessen lehnt Pick ab: „Aus unserer Sicht ist jedes Mehr an Lebensmittelsicherheit ein Weniger an Qualität.“ Von der weit verbreiteten Haltung, dass Lebensmittel gefährlich seien und alle möglichen Risiken in sich tragen, müsse man sich verabschieden, riet Dr. Jasmin Peschke, Leiterin der internationalen Koordinationsstelle für Ernährung am Goetheanum in der Schweiz. Ihr Tipp: „Je mehr ich einem Lebensmittel aktiv begegne, desto mehr Kraft kann ich daraus ziehen.“ Ernährungssouveränität bedeutet für sie eigene Urteilsfähigkeit.
Ernährungssouveränität zurückgewinnen
Christian Hiß, Vorstandsvorsitzender der Regionalwert AG, will diese so genannte Ernährungssouveränität in der Region Freiburg zurückgewinnen. Im Forum „Kooperationsmöglichkeiten: Landwirtschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft " ging es um die Einrichtung eine Bodenfruchtbarkeitsfonds (http://www.bodenfruchtbarkeit.bio). Bei einem Kohlrabi, so Hiß, der auf dem Freiburger Münsterplatz verkauft wird, kommen die Samen aus China, der Dünger aus der Ukraine, der Setzling aus Holland und die Erntehelfer aus Osteuropa. Lediglich vier bis sechs Wochen wächst der Kohlrabi in der Rheinebene bevor er verkauft wird. „Ich möchte, dass auch die Produktionsmittel aus der Region kommen“, so Hiß. Dazu gehört ein fruchtbarer Boden. Für Hiss geht es darum, diese Kreislaufwirtschaft wiederzubeleben, nicht als Autarkie, sondern in Form von Arbeitsteilung organisiert über Netzwerke. „Die Menschen vor Ort brauchen Zugang zu Saatgut, Boden und Dünger“, forderte Hiß.
Bodenfruchtbarkeitsfonds soll Bauern unterstützen
„Bauern brauchen für den Erhalt der Fruchtbarkeit Unterstützung von Unternehmen und Konsumenten“, sagte Mathias Forster Geschäftsführer des Bodenfruchtbarkeitsfonds von der Schweizer Stiftung Trigon. An der Hochschule St. Gallen ermittelten Studenten derzeit, wie man Unternehmen am besten erreichen und überzeugen kann, mitzumachen. Die Stiftung erstatte Bauern die Kosten für die Durchführung von Maßnahmen zur Steigerung der Bodenfruchtbarkeit zu fünfzig Prozent. Die Maßnahmen müssen dokumentiert werden. Als Kennwert wird der Humusaufbau herangezogen.
Externe Kosten ausweisen 
Unterstützung für den Fonds gab es von Bioland-Präsident Jan Plagge: „Wir schaffen einen Markt für den Boden,“ zeigte er sich optimistisch, dass es mit dieser Initiative gelingen könnte, die Leistungen der Bauern für den Boden extra, also nicht über den Produktpreis, zu entlohnen. Tobias Bandel, Soil & More International, berichtete, dass weltweit jedes Jahr viel wertvoller Mutterboden verloren geht. „Das sind Kosten, die wir heute schon bezahlen müssen“, meinte Bandel, der in diesem Zusammenhang von „True-cost accounting“ sprach. „Wer die Fruchtbarkeit verbessert, schafft einen Mehrwert, den man sich in die Bilanz eintragen lassen kann. Externe Kosten sind oft gar nicht so extern wie man das gemeinhin annimmt“, sagte Bandel. Dem Vorwurf der Ineffizienz, dass Biobauern geringere Erträge bei gleichzeitig höherem Flächenverbrauch erwirtschafteten, widersprach Bandel. Rechnet man die externen Kosten ein, sei die Biolandwirtschaft unterm Strich sogar günstiger.
Maschinen für den Ökoanbau
Um den Boden zu schonen, erhofft sich die Öko-Branche von den Landtechnikherstellern leichtere Maschinen. So gäbe es bereits Forschungsprojekte für autonom fahrende Maschinen mit geringeren Achslasten speziell auch für kleinere Schläge.
Große Nachwuchssorgen und zu wenige Flächen
Uwe Greff von der BioBodengenossenschaft hilft Bauern, die Land kaufen wollen. Frei werdende Höfe und Flächen kauft die 2015 gegründete Genossenschaft mit ihren heute 2800 Mitgliedern mit Hilfe der GLS Bank auf und stellt sie für die ökologische Landwirtschaft bereit. So sollen junge Bio-Landwirte an Flächen und Höfe kommen. Die Flächenknappheit sei ein großes Problem. „In den kommenden Jahren werden allein in Niedersachsen über 9000 Landwirte das Alter von 65 erreichen und in Rente gehen. Ein Blick in die Berufsschulen zeigt, dass längst nicht so viele Landwirte nachkommen werden“, berichtete Greff.
Junglandwirte engagieren sich
Clemens Gabriel (28) vom Öko-Junglandwirte Netzwerk in Hessen organisiert Junglandwirte Tagungen und stellt Kontakte zur Hofübergabe her. „Wir sehen uns als Ideenpool und Impulsgeber für Junglandwirte,“ so Gabriel. Hauptgrund für die Nachwuchssorgen: „Die Hürde in die Landwirtschaft einzusteigen, wenn man selbst nicht aus der Landwirtschaft kommt, ist so hoch, dass man sich dafür schnell nicht mehr interessiert.“ Gabriel ist sich sicher, dass viele einsteigen möchten, dies aber nicht können. Im Agrarstudium in Witzenhausen oder Eberswalde zum Beispiel hätten nur die wenigsten der Studenten zu Hause einen elterlichen Betrieb. Interessenten für einen Hof gibt es viele. Doch allein am Kapitalbedarf von 500.000 Euro pro Arbeitsplatz ohne Berücksichtigung des Bodens kann man leicht ablesen, wie schwierig der Einstieg in einen Bauernhof ist. Das Netzwerk will den Einstiegswilligen Hilfestellung geben. „Es fehlt die Begleitung der jungen Generation“, kritisierte Gabriel. Besser werden müsse zum einen die Ausbildung im Bereich Öko-Landwirtschaft, zum anderen auch im Rentensystem für Landwirte, in dem die Jungen die Altenteiler mitversorgen und gleichzeitig für die eigene Rente einzahlen müssen. „Auch das erschwert den Einstieg“, so Gabriel. Die klassische Familiennachfolge gebe es heute immer weniger. So sei der Anteil der Landwirte unter 35 Jahren in ganz Europa aktuell deutlich zurückgegangen.
Kompetenzen knapper als Geld
Für Cornelia Roeckl, GLS Bank, geht es bei der Nachfolge in erster Linie um Know-how und Kompetenz. „Wer kann es machen?“ Den künftigen Betriebsleiter auszuwählen, sei deshalb die zentrale Herausforderung. „Das müssen gute Leute sein,“ so Roeckl. Wichtige Fragen nach der passenden Rechtsform des Unternehmens und der Finanzierung ließen sich hingegen wesentlich einfacher beantworten. Billiges Geld jedenfalls sei genügend vorhanden, ebenso wie interessante Förderprogramme. Dirk Hauschild ist seit 2016 Mitgesellschafter der Fritz Mühlenbäckerei GmbH. Der Einstieg ins Unternehmen sei ein Prozess, bei dem man am Anfang nicht absehen könne, was hinten herauskomme. „Man muss Mut und Glück haben und auch gut betreut werden“, sagte Hauschild. Wichtig sei, dass man genügend Zeit einkalkuliert. Der Spagat bestünde darin, die Wurzeln nicht zu verlieren und sich gleichzeitig immer weiter zu professionalisieren, denn Abläufe und Aufgaben seien in der Regel hochgradig spezialisiert.




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