Eber begrenzt marktfähig - Bezahlung verschlechtert
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Marktführer Tönnies nimmt weiter Eber auf, dreht aber an der Maskenschraube und fordert den 4. Weg. Nach Einschätzung der ISN zeigt das klare Statement des Fleischvermarkters das ganze Desaster rund um den deutschen Alleingang zur Ferkelkastration.
Eberfleisch sehr eingeschränkt zu vermarkten
In dem Schreiben an die Geschäftspartner sind einige bemerkenswerte Aussagen und Statements des Marktführers, die insbesondere die Verantwortlichen in der Politik aufhorchen lassen sollten. Tönnies hat in den vergangenen Jahren die Eberschlachtungen kontinuierlich ausgebaut, dennoch liegt der Marktanteil der in Deutschland gemästeten, unkastrierten Tiere bei unter 15 Prozent. In dem aktuellen Schreiben führt das Unternehmen aus, dass eine flächendeckende Umsetzung der Ebermast an der eingeschränkten Verwendbarkeit der Eberfleischprodukte scheitere.
Fehlendes Bekenntnis für Immunokastration
Auch hinsichtlich der Immunokastration (Impfung mit Improvac) äußert sich das marktführende Schlachtunternehmen sehr deutlich und kritisch: Sie sei zwar rechtlich zulässig, bisher fehle jedoch das klare Bekenntnis des Lebensmittelhandels, sowie diverser Exportmärkte zur Abnahme der Erzeugnisse dieser Tiere. Demnach ist dieser Weg für die Landwirte aus heutiger Sicht kein gangbarer Weg.
Eber ja, aber mit schlechteren Auszahlungspreisen
Nach Angaben des größten deutschen Schlachters aus Rheda sind trotz der Vermarktungsprobleme enorme Anmeldungen an neuen Betrieben zu verzeichnen, die kurzfristig in die Ebermast einsteigen wollen. Vor diesem Hintergrund erklärt er sich gegenüber seinen Geschäftspartnern bereit, mehr Eber schlachten zu wollen. Er kündigt aber gleichzeitig eine Maskenänderung für Eber an, mit der die Eber ein weiteres Mal im Auszahlungspreis abgestraft werden. Dadurch tritt das Unternehmen trotz der Öffnung für weitere Eber einmal mehr kräftig auf die Eberbremse.
Vierter Weg statt Vollnarkose
In dem Brief heißt es weiter, dass die Betäubung der Ferkel durch den Tierarzt auf den Betrieben in der Praxis allein aus personellen Gründen nicht annähernd zu bewältigen sei. Daher sieht Tönnies die Öffnung des 4.Weges, also die lokale Betäubung durch den Landwirt, als zwingend notwendig an.
Die Meinung der ISN dazu: Mehr unerwünschte Eber zu schlechteren Preisen - aus Sicht der ISN zeigt dies das tiefe Dilemma, in dem die deutschen Schweinehalter sich befinden. Die kurzfristige Maskenänderung ist ärgerlich, sie war jedoch genau so erwartet worden und spiegelt letztlich auch nur die marktwirtschaftlichen Zusammenhänge wieder. Um nicht mit Ebern überschwemmt zu werden, bleibt Tönnies nur die Möglichkeit, die Bezahlung zu verschlechtern. Wie groß diese Verschlechterung ist, muss letztendlich jeder Schweinehalter für seinen Betrieb kalkulieren und die Konsequenzen daraus ziehen.
In Richtung Politik zeige sich laut ISN aber mehr als deutlich, dass sich die Befürchtungen der Branche hinsichtlich der heimischen Ferkelerzeugung aktuell bewahrheiten. Nicht kastrierte Schweine – ob geimpft oder nicht – verlieren immer weiter an Boden auf dem Markt. Gerade dänische und niederländische Ferkel, die unter lokaler Betäubung bzw. CO2-Narkose kastriert wurden, dürften ab dem kommenden Jahr einen riesigen Wettbewerbsvorteil besitzen und verstärkt auf die Reise nach Deutschland geschickt werden.
Deshalb stimmt die ISN Tönnies zu, wenn es das Unternehmen als zwingend ansieht, den vierten Weg in Deutschland frei zu machen, so wie es die Dänen gemacht haben. Und wenn hierzu die Zeit bis zum 1. Januar 2019 nicht reichen wird, müsse eine Fristverschiebung her. Aufgeschoben heißt aber auch dann nicht aufgehoben, die Branche arbeitet mit Hochdruck an Lösungen. Es wurden erst jüngst vielversprechende Forschungsvorhaben zur lokalen Betäubung mit neuen Mitteln und Injektionsverfahren angeschoben. Diese Chancen sollten nicht vertan werden. Die Politik stehe jetzt in der Verantwortung endlich Entscheidungen zu treffen, um den zu erwartenden Strukturbruch in der deutschen Schweinehaltung und besonders der Ferkelerzeugung zu verhindern oder wenigstens zu mildern.
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