Hoffnungen nach der Krise
Nach einem langen Tief steigen die Preise für Schlachtschweine wieder. Das lässt die Schweinehalter hoffen, die seit Jahren schwerste Krise ihres Betriebszweigs hinter sich lassen zu können. Mit dieser Einschätzung eröffnete LBV-Vizepräsident Klaus Mugele am 10. März eine virtuelle Fachtagung zur Schweinehaltung des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV).
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Dass der Rohstoff Schwein in Deutschland künftig nicht mehr so reichlich verfügbar sein wird, deutete sich bereits bei der Viehzählung im vergangenen Herbst an. Wie Dr. Tim Koch bei der von LBV-Tierhaltungsreferentin Ina Jungbluth moderierten Veranstaltung berichtete, waren bei der Novemberzählung 2020 im Vorjahresvergleich 5,4 Prozent weniger Zuchtsauen und 6,9 Prozent weniger Jungsauen gezählt worden. Daraus hatte die Bonner Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI), für die Koch als Marktanalyst arbeitet, geschlossen, dass die Schweinepreise ab dem zweiten Quartal 2021 in Deutschland spürbar steigen müssten. Der Preisanstieg ist bereits da – früher als erwartet. Bei den Ferkeln drehte der Preistrend noch vor Weihnachten 2020, bei den Schlachtschweinen vor drei Wochen in der Kalenderwoche 7/2021.
Verzehr sinkt weiterhin
Die Rahmenbedingungen des Schlachtschweinemarktes sind während der Corona-Pandemie nicht einfacher geworden. Der Verzehr von Fleisch generell und auch von Schweinefleisch sinkt in Deutschland seit Jahren. AMI-Experte Koch rechnet im laufenden Jahr mit einem weiter abnehmendem Schweinefleischverzehr. Leichte Zuwächse erwartet er bei Rind- und Geflügelfleisch. Trotz der steigenden Erzeugerpreise dürfte es aber noch dauern, bis Sauenhalter und Schweinemäster wieder Geld verdienen. Nach AMI-Angaben produzierten beide Bereiche seit dem Sommer 2020 Verluste.Auch die Ansprüche der Gesellschaft an die Tierhalter werden die Branche in Atem halten, erwartet Klaus Mugele. Klimawandel, Nachhaltigkeit, Tierwohl: Mit solchen Schlagworten aus der Gesellschaft müssten sich die Tierhalter auseinandersetzen. Bei der Planung von Stallneubauten empfahl er einen Zeithorizont mindestens bis in die Jahre 2030 oder gar 2040. Marktkenner Koch erwartet für das laufende Jahr eine schrumpfende Versorgungsbilanz von Schweinefleisch in Deutschland. Das heißt, die Nettoerzeugung, die Fleischausfuhr (Exporte), der Verbrauch, der Pro-Kopf-Verzehr und der Selbstversorgungsgrad sollen zurückgehen.
Selbstversorgung
Beim Selbstversorgungsgrad rechnet der Fachmann mit einer Abnahme um vier Punkte auf 120 Prozent. Bei dieser Zahl kam heftiger Widerspruch aus dem Kreis der 81 Zuhörer. Die Zahl 120 gebe nicht die Wirklichkeit wider. Denn bei Edelteilen vom Schwein sei Deutschland unterversorgt; der entsprechende Selbstversorgungsgrad liege nach Angaben aus dem Teilnehmerkreis zwischen 70 und 90 Prozent. Deutschland sei bei solchen Fleischartikeln auf Importe angewiesen. Zum Schlachtkörper eines Schweins gehören aber auch Nebenprodukte wie Pfoten, Schwänze oder Nasen, die in Deutschland keine Kunden finden. Der Selbstversorgungsgrad dieser Teile erreicht – isoliert betrachtet – vierstellige Werte, erinnerte Tim Koch.
Langjährige Erfahrungen mit Gutfleisch-Programm
Wie sich Schweine in Markenfleischprogrammen vermarkten lassen, stellte die Edeka Südwest vor. In dem im Jahr 2003 gegründeten Gutfleischprogramm sind aktuell 366 Betriebe, 76 Prozent davon in Baden-Württemberg, 19 Prozent in Bayern. Das berichtete Annukka Gehring. Sie koordiniert das Gutfleischprogramm bei Edeka Südwest Fleisch. Bei Gutfleisch werden pro Woche rund 9000 Schweine geschlachtet, bis Ende 2021 sollen die Schlachtzahlen auf 13.000 Schweine steigen. „Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung und Verarbeitung: das findet alles in unserem Absatzgebiet statt“, so Gehring. QS gilt als Basis, zusätzlich gibt es eigene Gutfleischkriterien, unter anderem ein Eberpool, aus dem die Ferkelerzeuger schöpfen können oder die Pflicht für Mäster an der Initiative Tierwohl (ITW) teilzunehmen. Seit Mai 2020 erfüllt das Programm die Haltungsstufe 2. Für mehr Planungssicherheit gibt es seit Januar 2021 neue Verträge mit garantierten Abnahmemengen.
Edeka mit eigener Preisstützung
Die Preisstützung der Edeka Südwest am Tiefpunkt der Schweinekrise Ende 2020 mit einem Mindestpreis von 1,40 Euro pro kg kam bei den Erzeugern gut an, wofür sich Teilnehmer im Live-Chat beim Unternehmen ausdrücklich bedankten. Sollte die Notierung erneut unter 1,40 Euro fallen, gibt es künftig einen Aufpreis. Zusätzlich zur Notierung gibt es einen Regionalbonus und einen Gutfleischbonus (zwei Cent und drei Cent) und einen ITW-Preisaufschlag von 5,28 Euro pro Mastschwein.
Hofglück-Programm und Bio
Weitere Programme bei Edeka Südwest sind das Hofglück-Programm, ein Premiumstandard mit zwei Sternen vom Deutschen Tierschutzbund ausgezeichnet sowie ein Programm in Zusammenarbeit mit Bioland seit 2015. Hofglück erfüllt die Haltungsstufe 4 mit heute 1600 Schweinen pro Woche, geplant sind 2000 Schweine. Hier gibt es langfristige Abnahmeverträge. Im Programm mit Bioland sind es derzeit 450 Schweine pro Woche. Insgesamt werde das Sortiment der Fleisch- und Wurstwaren bei Edeka aus den Markenfleischprogrammen immer größer. Befeuert durch die Corona-Pandemie hätten sich 2020 noch mehr Menschen Gedanken über Regionalität und Qualität von Fleisch- und Wurstwaren gemacht, meinte Gehring.
Verbraucher lassen sich mehr Tierwohl etwas kosten
Andreas Pöschel, Geschäftsführer von Edeka Südwest Fleisch, bestätigte in der Diskussionsrunde diesen Trend zu mehr Qualität. Er sagte aber auch, dass der Aufbau der Programme viel Geld gekostet habe. „Da brauchen Sie einen langen Atem“, so Pöschel. Sollte die Wirtschaft einbrechen, sei das Risiko hoch, dass die Geiz-ist-Geil Mentalität im Einkaufsverhalten der Deutschen wieder zunimmt und sich das Wachstum bei den Qualitätsprodukten verlangsamen könnte. Pöschel betonte, dass man mit den Erzeugern langfristige Abnahmeverträge von bis zu 10 Jahren abschließt. Vor diesem Hintergrund spiele die Frage, wie es nach der Corona-Pandemie mit der Wirtschaft weitergeht, eine wichtige Rolle. Der Geschäftsführer zeigte sich aber zuversichtlich, dass sich die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht negativ auf das Einkaufsverhalten der Verbraucher auswirken werden. Im Jahr 2020 jedenfalls sei man mit Hofglück und mit Bio gut gefahren. Immerhin wurden mit Hofglück und mit Bio je 20 Mio. Euro umgesetzt, berichtete Pöschel. Für den Verbraucher seien diese Programme ein transparenter Mehrwert, der auch bezahlt werden würde. Für die Edeka Südwest sei die Sortierung der Schweine allerdings ziemlich aufwendig und je kleinteiliger die Dinge würden, desto schwieriger werde es, dies wirtschaftlich darstellen zu können. "Wir haben QS-Ware, wir haben Gutfleischware, Hofglückware, aber auch Bio-EU-Ware, Bio-Verbandsware sowie über den Schwarzwaldhof ein spezielles Programm mit Schweinen aus Baden-Württemberg, zertifiziert über das Regionalfenster", veranschaulichte Pöschel die zunehmende Differenzierung des Marktes. Im Schlusswort bedankte sich Klaus Mugele für die gelungene und aufschlussreiche Online-Tagung.
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