Sechs Sparten für die Region
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Die Dreierfusion aus Kraichgau Raiffeisen Zentrum (KRZ), BAG Franken (BAG) und Labag Marbach (Labag) zur Agroa Raiffeisen e. G. mit Sitz im badischen Eppingen nimmt sukzessive Gestalt an. Nach der Eintragung ins Genossenschaftsregister, der technischen Fusion und den konstituierenden Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat wurde jetzt das Geschäftsmodell vorgestellt.
Manchmal rutscht Jürgen Häußermann noch das ‚Labag Marbach’ über die Lippen, wenn er sich am Telefon meldet. Schließlich war er mehr als 30 Jahre lang Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Bezugs- und Absatz-Genossenschaft in Marbach am Neckar. Noch kein Jahr alt ist dagegen die Agrargenossenschaft mit regionaler Ausrichtung (Agroa), für die er nun als einer von drei Geschäftsführern arbeitet.
Zwischen 200 und 300 Mio. Euro
Allerdings ist die neue Firma wesentlich größer, als es die Labag war. Die Agroa bringt es im ersten Geschäftsjahr 2021 auf einen Umsatz von 268,3 Mio. Euro nach – theoretischen - 238,6 Mio. Euro im Jahr zuvor. Theoretisch deshalb, weil es im Jahr 2020 den Zusammenschluss zur Agroa noch nicht gab. Die Umsatzzahl ergibt sich aus den Umsatzanteilen der drei Fusionspartner. Das KRZ brachte mehr als die Hälfte ein, gefolgt von der BAG mit knapp 30 Prozent und der Labag mit etwa 11 Prozent. Das gesamte Eigenkapital wurde auf 41 Mio. Euro beziffert. Gemessen am Umsatz steht das neue Unternehmen auf Platz 17 der 25 größten Warengenossenschaften in Deutschland, wie aus einer Übersicht des Deutschen Raiffeisenverbands hervorgeht.
Getragen wird die neue Agrargenossenschaft - die im nördlichen Teil Baden-Württembergs beheimatet ist - von 3193 Mitgliedern, etwa die Hälfte ist landwirtschaftlich aktiv. Für den Geschäftsbetrieb stehen 442 Mitarbeiter zur Verfügung. Das Geschäftsgebiet erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung von Buchen im Odenwald bis nach Remseck am Neckar und in West-Ost-Richtung von Bammental im Rhein-Neckar-Kreis bis nach Möckmühl an der Autobahn A81. Geleitet wird das Unternehmen von einem achtköpfigen Vorstand einschließlich drei hauptamtlicher Geschäftsführer. Das sind Vorstandssprecher Jürgen Freudenberger und Stephan Buchholz (beide zuvor KRZ und BAG) sowie Jürgen Häußermann (ehemals Labag).
Sechs Sparten für die Region
Mit sechs operativen Sparten will die neue Agrargenossenschaft die Nachfrage ihrer Kunden in der Region bedienen. Die größte Sparte ist die Energie mit Tankstellen, Tank- und Pelletlagern. Während das Heizölgeschäft aus umweltpolitischen Gründen bereits abnimmt, dürfte das Tankstellengeschäft nach Einschätzung von Vorstandssprecher Jürgen Freudenberger mittelfristig unter Druck kommen, in etwa so wie die Elektromobilität wächst. Chancen sieht der Agrarexperte in der Solarenergie auf firmeneigenen Gebäuden, von denen es zahlreiche gibt. Auf freien landwirtschaftlichen Flächen will die Agroa keine Solarzellen installieren.
Gut gelaufen sind in den vergangenen zwei Jahren die Sparten Technik und Einzelhandel. Die Agrartechnik profitierte vom milliardenschweren Investitionsprogramm Landwirtschaft. Die Fördergelder fließen in die Präzisionslandwirtschaft für Pflanzenschutz und Düngung. Diese Investitionen dürften noch eine gewisse Zeit anhalten, erwartet Freudenberger. Das Servicenetz der sechs Technikstandorte soll nicht verkleinert werden.
Wachstumsfeld Einzelhandel
Der Einzelhandel in den Raiffeisen-, Bau- und Gartenmärkten profitierte bekanntermaßen vom Corona-Lockdown, weil diese Geschäfte geöffnet waren und die Kunden rund um Haus und Hof investierten. Die neu gewonnene Kundschaft will man halten; den Einzelhandel der Agroa sieht Freudenberger als „Wachstumsfeld“.
In der Sparte Tiernahrung verfügt das Unternehmen über ein Kraftfutterwerk. Dessen Ausstoß könnte sinken, weil in der konventionellen Schweinehaltung sowohl bei Schlachtschweinen als auch bei Ferkeln die Bestände schrumpfen. Andererseits hat sich das KRZ bereits vor Jahren einen Namen mit GVO-freien Futtermitteln gemacht, die bei Eier- und Geflügelproduzenten gefragt sind. Auch in der regionalen Rohstoffbeschaffung und im regionalen Vertrieb von Tiernahrung rechnen sich die Agroa-Verantwortlichen Chancen aus. Die Umstellung auf Öko-Futtermittel wird als mögliches Geschäftsfeld ebenfalls in Betracht gezogen.
Teilweise gedrückte Aussichten bieten sich in den Sparten pflanzliche Produktion mit Saatgut, Pflanzenschutz- und Düngemittel sowie der Sparte Vermarktung. Aufgrund umweltpolitischer Vorgaben sinkt der Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln. Das werde gerade in den intensiv geführten Regionen des Geschäftsgebiets laut Freudenberger die Erträge drücken. Damit verfügt auch die Sparte Vermarktung über geringere Handelsmengen. Beim Saatgut wird mit unveränderten Mengen gerechnet.
Zukunftsfähige Kundenbeziehung
Weil sich die Kundenbeziehungen im Agrarhandel ändern, hat die Agroa eine Beteiligung bei der Raiffeisen NetWorld mit der Handelsplattform Akoro.de erworben, berichtet Finanzexperte Stephan Buchholz. Nach seinen Angaben geht es unter anderem darum, über die üblichen Öffnungszeiten hinaus bis in den Abend und am Wochenende den Landwirten Beratung anzubieten, beispielsweise im Getreidemarkt. Derzeit sei die Plattform laut Buchholz mit drei Pilotunternehmen am Markt. Der Einstieg der Agroa in den digitalen Handel soll im kommenden Jahr erfolgen, sagte der Geschäftsführer auf Nachfrage.
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